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Keine Benachteiligung bayerischer Abiturientinnen und Abiturienten!

In der Reform der Bayerischen Abiturprüfung bleibt die Zahl der Prüfungen höher als die Bundesvorgabe, der nötige Impuls für kompetenzorientiertes, eigenständiges Lernen fehlt, kommentieren die BLLV-Experten Fritz Schäffer und Roland Kirschner.

Es ist ein naiver pädagogischer Irrglaube, dass sich Schülerleistungen durch mehr Prüfungen verbessern. Derzeit übersteigen die Anforderungen der Abiturprüfung in Bayern die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK), damit werden bayerische Abiturientinnen und Abiturienten bei der Vergabe von Studienplätzen benachteiligt.

Deshalb fordert der BLLV, dass sich die Abiturprüfung wieder an der Mindestvorgabe der KMK orientiert und vier Fächer umfasst, von denen drei schriftlich geprüft werden, dabei müssen dann aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache mindestens zwei gewählt werden.

Prüfungsreform behebt Grundproblem der Inhaltefokussierung nicht

Denn die heute bekannt gegebene Reform des bayerischen Abiturs beschreitet einen Irrweg: Defizite der Abiturienten in Deutsch und Mathematik lassen sich nicht dadurch beheben, dass man die Abiturprüfung in beiden Fächern verpflichtend macht und insgesamt fünf Prüfungen verlangt.

Stattdessen sollte man sich ernsthaft Gedanken machen über den Deutsch- und Mathematikunterricht von der Unterstufe an. Aktuell listen Lehrpläne nach dem Prinzip des „Wünsch-dir-was“ alle möglichen Fachinhalte auf – unabhängig davon, ob sie in dieser Dichte im jeweiligen Alter der Schülerinnen und Schüler auch tatsächlich gelernt und verstanden werden können. Gleichzeitig hält man an einer einseitigen Fachorientierung der gymnasialen Lehrerbildung fest und lässt zu, dass sich jedes Fach möglichst häufig in der Stundentafel des Gymnasiums wiederfindet, sodass die zehnte Jahrgangsstufe bis zu 16 Fächer bereithält. Solange das alles so bleibt, bleibt das Ideal der „vertieften Allgemeinbildung“ weitgehend eine Behauptung jenseits der Realität.

Schlüsselkompetenzen für Studium und Beruf ganzheitlich vermitteln

Eine wirksame Reform, die zu echten Verbesserungen führen soll, muss an diese Wurzeln gehen. Nötig wäre ein großer Wurf, der vor allem durch eine Reform der Qualifikationsphase die Abiturientinnen und Abiturienten für ein erfolgreiches Studium und Berufsleben befähigt.

Denn dafür ist ein starrer Wissenskanon nicht geeignet. Schülerinnen und Schüler müssen ganzheitliche Bildung erfahren, die Herz, Kopf und Hand anspricht. Nur so können sie Schlüsselkompetenzen für ein erfolgreiches Studium und Berufsleben erwerben wie Selbstreflexion, Urteilskraft und Teamfähigkeit sowie muttersprachliche Kompetenzen wie Texte verstehen, interpretieren und schriftlich verfassen.

Erfolgreiches, eigenständiges Lernen statt akademischer Vollständigkeitswahn

Natürlich werden diese Aspekte schon jetzt in der Oberstufe berücksichtigt. Da aber zu viele Inhalte in zu vielen verschiedenen Fächern und in zu vielen Stunden vermittelt werden sollen, bleibt kaum Freiraum für selbstständiges Arbeiten. Darüber hinaus verhindern hohe Stoff- und Prüfungsdichte nachhaltiges Lernen. Zu oft muss der Unterricht an der Oberfläche bleiben, zu selten bleibt Zeit, Themen zu vertiefen und gründlich zu hinterfragen. Es müssen Freiräume geschaffen werden, damit Schülerinnen und Schüler Verantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen können. Denn gerade in der Corona-Situation hat sich gezeigt, dass die Kinder und Jugendlichen am besten durch diese schwierige Zeit gekommen sind, die in der Lage waren, eigenständig zu lernen. Um das zu fördern, müssen Lehrpläne grundlegend überarbeitet und verschlankt werden. Die Belegverpflichtung muss drastisch reduziert werden und die Zeit, in der Schülerinnen und Schüler selbstständig arbeiten, muss ausgeweitet werden.

Es gilt insgesamt, den fachlichen Anspruch und den Ausleseauftrag des Gymnasiums auf das notwendige Maß zurückzustutzen und das Primat ganzheitlicher Pädagogik zu etablieren. Denn schulisches Handeln muss immer in erster Linie auf das erfolgreiche Lernen der Schülerinnen und Schüler gerichtet sein.

<< Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV, und Roland Kirschner, Leiter der Fachgruppe Gymnasium im BLLV

Infos & Regelung des Kultusministeriums


Medienecho

Münchner Merkur: "G9: Abitur ohne Mathe möglich"
-> "Spzialisierung im Übermaß, besser Kompetenzen bündeln."
 

Weitere Informationen

BLLV-Themenseite: „Mehr als Fachkompetenz: Das Gymnasium“

Individuelles Lernen und Kompetenzorientierung: Modulsystem fürs Gymnasium

Impuls der Deutschen Schulakademie: „Nichts ist aktueller als ganzheitliche Bildung“

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Pädagogik in Zeiten von Corona: „Es gibt eine neue Denke“



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