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Beziehung Bildungsqualität Lehrplan Schülerzentriert

Moderne Schule muss ganzheitlich bilden

In Dänemark ist "Empathie" ein Unterrichtsfach. In England steht "Achtsamkeit" auf dem Stundenplan. Was der Blick in die Lehrpläne anderer Länder zeigt, kommentiert BLLV-Vizepräsident Tomi Neckov.

Dänischer Sonderweg: Über die Praxis, Empathie als Schulfach zu unterrichten und die Hintergründe erscheinen, gerade in der Corona-Zeit, immer wieder Medienberichte. Eine Zusammenfassung des Ansatzes finden Sie beispielsweise » hier


Dazu Tomi Neckov, Vizepräsident des BLLV:

Im Zuge der Corona-Krise werden ganz plötzlich und selbstverständlich Fragen diskutiert, was Bildung eigentlich leisten soll und was der Kernauftrag von Schule ist. Nicht nur in Bayern oder Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern. Immer ausgehend von unterschiedlichen Bildungsmodellen bereits vor Corona. Ein Blick in diese Länder macht deutlich: alleine bei der Ausrichtung der Lehrpläne oder Fächer gibt es neben einigen Gemeinsamkeiten auch deutliche Differenzen, was Kinder für ihr späteres Leben lernen sollen.

In Dänemark ist eines der auffälligsten Details, dass Empathie als eines der wichtigsten Instrumente des Lebens angesehen wird. Es wird sehr viel Wert auf die Bildung der Kinder als Personen oder als Teile der Gesellschaft gelegt. Daher haben sie spezielle Unterrichtsstunden, um einige Fähigkeiten zu entwickeln, die schon seit einiger Zeit als Schlüsselelemente für ein gutes Zusammenleben von verschiedenen Menschen aufgezeigt wurden. Zwischen sechs und sechzehn Jahren werden dänische Schülerinnen und Schüler daher in „Empathie“ unterrichtet. So sollen sie ihre Mitmenschen besser verstehen, offen über eigene Probleme reden und Vertrauen entwickeln. So wird nicht nur das emphatische Handeln und Fühlen, sondern auch die Kreativität der Kinder gefördert, um Lösungsansätze für schwierige Situationen zu finden.

Neue Fächer "Klimawandel", "Glück" und "Achtsamkeit"

In Italien werden die Kinder und Jugendlichen zum kommenden Schuljahr im Fach "Klimawandel und nachhaltige Entwicklung" unterrichtet. Der gesamte Schulunterricht soll dafür neu strukturiert werden. Das neue Fach ist verpflichtend für alle Schulklassen. In einigen Bundesländern Deutschlands, in Österreich und in der Schweiz steht das Fach „Glück“ in den Schulprogrammen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Schüler dadurch mehr Selbstachtung gewinnen und lernen, offener auf andere zuzugehen.

In Großbritannien und Irland wurde das Pflichtfach „Achtsamkeit“ eingeführt. Anhand von Meditation und Atemübungen sollen die Schüler lernen, Stress abzubauen, ihre Konzentration zu steigern und ihre Kreativität zu fördern.

Ganzheitliche Bildung als Kernauftrag von Schule

Für den BLLV steht hinter diesen unterschiedlichen Ansätzen die elementare Frage: was soll Schule und Bildung eigentlich leisten soll und was ist der Kernauftrag von Schule. Wie können wir in einer sich verändernden Welt das unterrichten, damit die späteren Generationen ihr persönliches Leben meistern und die Gesellschaft lebenswert gestalten? Welches Menschen- und Gesellschaftsbild liegt dem Tun der Schule zugrunde?

Für den BLLV muss eine moderne Schule die nachwachsenden Generationen ganzheitlich bilden, wenn sie das Fundament bleiben soll, auf dem unsere Gesellschaft ruht. Junge Menschen ganzheitlich betrachten und ihnen helfen, sich und ihre Fähigkeiten zu entwickeln – das ist unser Anspruch. Dieser Kern des pädagogischen Denkens, die ganzheitliche Bildung nach Herz, Kopf und Hand -  ist heute notwendiger denn je. Der ganze Mensch ist es, der die Gesellschaft von morgen ausmacht. Nur er wird bestehen – in einer Welt, von der wir heute noch nicht wissen, wie sie ausschauen wird.

Wir wollen und können Schule ganzheitlich leben

Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen ganzheitlich bilden. Das ist kein nice-to-have, auch nicht in Zeiten von Lehrermangel und Corona. Das sind unser pädagogischer Auftrag und der Kern unseres pädagogischen Denkens. Aber dazu brauchen wir die notwendigen Rahmenbedingungen dafür um das auch leisten zu können. Nur dann können wir uns auf den Kern der Schule besinnen. Auf das Fundament, das in Artikel 131 der bayerischen Verfassung steht. Dazu braucht es keine neuen Fächer. Dazu braucht es eine ehrliche Chance, dass wir diesen Auftrag auch umsetzen können. Nur dann können wir den Kindern und Jugendlichen ermöglichen, dass sie ein erfolgreiches und glückliches Leben haben, sie empathische und verantwortungsvolle Menschen sind.

Wir müssen diesen Auftrag herausholen aus dem Museum der Geschichte, aus den Sonntagsreden und aus den Präambeln der Lehrpläne. Wir müssen damit ernst machen. Wir brauchen die Möglichkeit der Politik, dies auch leisten zu können, wenn die Gesellschaft eine Schule will, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Wir Lehrerinnen und Lehrer wollen das. Das kann uns aber nur gelingen, wenn wir ermutigt und unterstützt werden, Schule nach diesen Ansprüchen zu gestalten. Wir wollen und können Schule ganzheitlich leben: unser Menschenbild ist, den Menschen als Ganzes zu sehen: mit Herz, Kopf und Hand. Denn egal wie die Welt von Morgen tickt, wir brauchen Menschen, die ganzheitlich gebildet sind.

<< Tomi Neckov, 2. Vizepräsident des BLLV

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BLLV-Referat: Internationales