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Schlummerndes Potential

Woran liegt es, dass unser Bildungssystem die Chancen weiterhin so ungleich verteilt? Was dagegen getan werden könnte, analysieren unsere Gastautoren aus wissenschaftlicher Sicht in der neuen Ausgabe der bayerischen schule - Titelthema "Bildungsgerechtigkeit?"

Wenn ich in meiner Schweinfurter Heimatregion ehemalige Schülerinnen und Schüler treffe, spüre ich immer wieder deutlich, was Bildungsungerechtigkeit bedeutet. Viele malochen nach einer Ausbildung in der Fertigung der Großindustrie, in einem gut dotierten Job – der sie unterfordert und unzufrieden macht. „Wegen der Kohle halt,“ heißt es dann. „Ging nicht anders.“

Andere landen im Billiglohnsektor. Und das, obwohl ich als Lehrer überzeugt war: Der eine oder die andere von ihnen hätte das Zeug zum eigenen Handwerksbetrieb gehabt. Hätte Architekt, Ärztin, Wissenschaftler werden können und wäre erfüllt gewesen. Doch ihren Familien war das nicht wichtig. Und sie konnten es sich in vielen Fällen einfach nicht leisten. Diese Jugendlichen wurden nicht entsprechend unterstützt – im Gegensatz zu manch anderen, die besser die Finger vom Studium und von solchen Berufen gelassen hätten. Aber Lehrerstochter und Anwaltssohn werden nun mal eher nicht Klempnerin und Altenpfleger, oder?

In einem bewegenden Feature (S. 26 - zur Online-Ausgabe) nehmen wir Sie in unserer Themenstrecke mit in Bildungsbiografien, die eine für ein modernes Deutschland beschämende Ungerechtigkeit dokumentieren. Woran es liegt, dass unser Bildungssystem die Chancen weiterhin so ungleich verteilt, und was dagegen getan werden könnte, analysieren unsere Gastautoren aus wissenschaftlicher Sicht (S. 22 - zur Online-Ausgabe). Durch ihre jeweilige Brille blicken die bildungspolitischen Sprecher von Regierung und Opposition auf das Thema (S. 36 - zur Online-Ausgabe). Ob hier das Potenzial für einen längst überfälligen Paradigmenwechsel in Bayern schlummert? Urteilen Sie selbst. Anregende Gedanken bei der Lektüre Ihrer bayerischen schule wünscht Steve Bauer.