Prof. Dr. Theresa Summer von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Prof. Dr. Theresa Summer von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Fachgruppe Fremdsprachen im BLLV Startseite
Interkulturelle Kompetenz

Wichtige Impulse auf der Landesfachtagung der Fachgruppe Fremdsprachen im BLLV

Im Fokus: Die bildungspolitisch umstrittene Reduktion von Englisch in der Grundschule und neue Forschungsergebnisse aus der Bilingualitätsforschung.

Bei sonnigem Wetter fanden sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen im NLLV-Heim ein. Der Fachgruppenleiter Dr. Christoph Vatter begrüßte in seiner Eröffnungsrede ein Triumvirat aus Lehrstuhlinhabern bayerischer Universitäten: 

Prof. Dr. Theresa Summer von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (Uni Bamberg) und Prof. Dr. Thorsten Piske von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU Erlangen-Nürnberg), die beide mit fundierten und forschungsbasierten Vorträgen zur Tagung beitrugen, sowie Prof. Dr. Heiner Böttger von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU Eichstätt), der ebenfalls mit seiner Expertise die Veranstaltung bereicherte.

Hochrangige Referentinnen und Referenten

Auch weitere fachliche Prominenz war vertreten: Dr. Patricia Uhl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (als Ko-Referentin von Herrn Prof. Dr. Piske für den Bereich Französisch), die Leiterin des Referats Mittelschule am ISB und Institutsrektorin, Frau Steffi Duske, sowie Frau Gerion Groeneveld, Fachberaterin Englisch an Mittelschulen vom Schulamt Erlangen/Erlangen-Höchstadt, die ebenfalls einen interessanten Workshop vorbereitet hatte.

In Vertretung der NLLV-Vorsitzenden Frau Sandra Schäfer, die noch in Übersee tätig war, brachte Frau Evelina Winter, stellvertretende Leiterin des Referats Schulpolitik im NLLV, ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass eine so hochkarätig besetzte Tagung wieder in den Räumlichkeiten des Vereins Lehrerheim stattfinden konnte.

Ein Plädoyer für den Englischunterricht

Vor dem Einstieg in ihren Vortrag lobte der Fachgruppenleiter Frau Prof. Dr. Theresa Summer für ihr fach- und sachkundiges Plädoyer zur unabdingbaren Beibehaltung des mehrstündigen Englischunterrichts an bayerischen Grundschulen, das in der Fach- und Tagespresse (auch auf der BLLV-Homepage) viel Zuspruch erhalten hatte.

Zunächst betrachtete die Hochschullehrerin die Veränderungen des Unterrichts im Vergleich zu früheren Grundsätzen und Methoden. Dabei stellte sie fest, dass heute die „vier C’s“ von elementarer Bedeutung sind: critical thinking, creativity, collaboration und communication. 

In diesem Zusammenhang behandelte sie zwei zentrale Fragenkreise:

>> Warum sind motivierende Lernumgebungen so wichtig?
>> Was kann uns bei der Gestaltung solcher Lernumgebungen helfen?

Mit einem Verweis auf bereits vorhandene Studien, an denen sie mitgewirkt hatte – English Language Teaching Survey (ELT-Survey) (Perspektive Jugendlicher auf den Englischunterricht) und das Projekt Virtual Reality und Bildung für nachhaltige Entwicklung (VR & BNE) im Englischunterricht (Entwicklung von Lehrkräftefortbildungen) – zeichnete sie den breiten Rahmen von Motivation im Kontext des Englischunterrichts auf. Sie beleuchtete sowohl wichtige Komponenten und Herausforderungen (z. B. global learning) als auch motivation and teaching strategies.

Die Bedeutung von Lernumgebungen

Zur aktuellen Bedeutung von Lernumgebungen verwies sie auf weitere Untersuchungen, wie z. B. die KESS-Studie von Nikolova, die Studie von vier europäischen Ländern (Bulgarien, Deutschland, Niederlande, Spanien) von Busse sowie ihr eigenes ELT-Survey, die alle der Frage nachgingen, was Lernende über den Englischunterricht denken.

Gründe für eine negative Einstellung waren im ELT-Survey im Hinblick auf eine gute Englischstunde in folgenden Aussagen erkennbar:

  • Narrow scope of methodologies
  • Limited opportunities for communication
  • Lack of real-life relevance
  • Teacher-related challenges
  • Little emotional-motivational support

Deutlich wurde dies in Schüler-Aussagen wie:

  • Not just frontal teaching
  • Not only write texts
  • Not only focusing on the same aspect of a topic
  • More talking

EU-gefördertes Projekt „Virtual Reality und BNE im Englischunterricht“ 

Gestützt auf zahlreiche Studien wurde in Bamberg ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von der EU gefördertes Projekt zu „Virtual Reality und BNE im Englischunterricht“ unter Mitwirkung der Lehrstuhlinhaberin und ihres Teams entwickelt. Das dazugehörige Forschungsdesign erstreckte sich auf die Elemente: Bestandsanalyse, Lehrkräftefortbildung und Evaluation sowie Praxiserprobung und Reflexion.


Zu verschiedenen „Tasks“ arbeiteten die Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien, Realschulen oder Mittelschulen mit VR-Brillen (entweder aus Cardboards mit Smartphones oder solchen mit hochwertiger Technik) zusammen mit Partnern an verschiedenen App-Themenbereichen: Nature Treks, Brink Traveler, Clean Energy Smart Home und We live here.

Nach einer gründlichen Einweisung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Zielsprache konnte die motivierende Arbeit beginnen. Beobachtungsbereiche der Evaluatoren waren: Content focus, Language use, Learner attitudes und Technology use.

Bei den Unterrichtsbeobachtungen konnte festgestellt werden, dass im Bereich Language use häufig die L1 (Muttersprache) verwendet wurde, aber Avatare und ein enger Aufgabenfokus die Motivation zur Interaktion in der L2 steigerten. In wechselnder Partnerarbeit konnten die Teilnehmer:innen in der Zielsprache interagieren und dem Partner akustische, visuelle und audiovisuelle Eindrücke beschreiben. Im Bereich Content focus wurde der Inhaltsfokus durch die VR erschwert. Sehr positiv im Bereich Learner attitudes wirkten sich die medialen Arbeiten und der damit verbundene Neuheitseffekt aus. Im Bereich Technology use kamen vielen Mitwirkenden ihre Gaming-Erfahrungen zugute. Trotz der neuen Herausforderungen gelang der gegenseitige Support der Partner.

Neue Medien als Schlüssel zum Erfolg

Wichtiges Fazit dabei war, dass eine derartige Arbeit mit den neuen Medien keine Eintagsfliege bleiben darf, sondern dass noch bessere Ergebnisse bei einem planmäßigen Wiederverwenden der VR-Brillen in thematischen Projekten erzielt werden können. Damit ist es möglich, ein völlig neues Konzept für Schüler- und Medienorientiertes Lernen in der Zukunft zu planen und zu realisieren.

Für den Grundschulbereich stellte Frau Summer im Vergleich zu traditionellen Werken beim Storytelling alternative Auswahlmöglichkeiten vor. Sie sah Picture Books generell als „Windows into the other world“, als „wertvolle Ressource für intercultural learning“, als Gelegenheit zur Entwicklung neuer Perspektiven, als Möglichkeit zum Erproben multimedialer Textformen und vor allem als Chance zur Begeisterung für den Fremdsprachenunterricht.

Als neuartiges Angebot stellte sie Titel wie „Families, Families, Families“, „Not Every Princess“, „Dumpling Day“, aber auch Queer Picture Books und Eco Picture Books wie „If Sharks Disappeared“ vor, mit environmental narratives, die die Schüler:innen in die Virtual Reality eintauchen lassen können.

Abschließend – auch als Überleitung zur nächsten Thematik – postulierte sie sechs Gründe für mehr Englischunterricht:

  1. Weil der Englischunterricht Sprachkompetenzen (und mehr) grundlegend voranbringen kann!
  2. Für mehr Frieden in Europa und auf der Welt!
  3. Für mehr Nachhaltigkeit!
  4. Weil Englisch in einer Kultur der Digitalität Realität des täglichen Lebens ist!
  5. Damit internationale Wirtschaftsbeziehungen weiter gedeihen können!
  6. Für kompetente und motivierte Lernende an weiterführenden Schulen!

FG-Vorsitzender Vatter bedankte sich bei Frau Summer für den informativen Vortrag und für ihr großes Engagement für den Englischunterricht. Nach einer kurzen „Verlagspause“, in der auch ein Wechsel in verschiedene Vortragsräume stattfinden konnte, wurde das Programm im Hauptsaal fortgesetzt, wo das Team um Prof. Dr. Piske den nächsten Vortrag hielt.


Forschungsergebnisse zu bilingualen Angebote an Grundschulen

lingualer Unterricht wurde an verschiedenen bayerischen Grundschulen erprobt. So konnte der Professor der FAU Erlangen-Nürnberg berichten, dass es in Bayern deutsch-englische und deutsch-französische bilinguale Angebote an Grundschulen in den Jahrgangsstufen eins bis vier gibt.

Der ebenfalls anwesende Prof. Dr. Heiner Böttger und Dr. Tanja Müller von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hatten von 2015 bis 2019 den von mehreren Projektpartnern geförderten Schulversuch „Lernen in zwei Sprachen – Bilinguale Grundschule Englisch“ wissenschaftlich begleitet. Die entsprechende Anschlussuntersuchung wurde von Prof. Dr. Piske und Dr. Steinlen an der FAU Erlangen-Nürnberg realisiert. Ebenfalls von mehreren Projektpartnern wurde von 2017 bis 2023 der Schulversuch „Bilinguale Grundschule Französisch“ unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Piske und Dr. Patricia Uhl durchgeführt.

Bei beiden Projekten in Bayern wurden die Schulversuche verstetigt, das heißt, mehr als 30 Grundschulen werden bis heute bilingual geführt.

Beide Versuche kamen unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen:

  • Bilingual unterrichtete Schüler:innen erzielten in Tests zum Lesen und Schreiben ebenso gute Ergebnisse wie einsprachig deutsch unterrichtete Schüler.
  • Es gab bisher kaum Unterschiede in den Deutschleistungen zwischen Kindern deutscher und nicht-deutscher Herkunft.
  • Je länger der bilinguale Unterricht anhielt, desto höher lagen die Schüler:innen über dem Normwert von Wort-, Satz- und Textverständnis, d.h. sie profitierten am stärksten von diesem Unterricht.
  • Deutsche und internationale Studien zum Fachwissen in Mathematik und Sachunterricht belegen, dass bilingual unterrichtete Grundschüler:innen genauso gut wie oder langfristig etwas besser abschnitten als Schüler:innen, die in der Landessprache unterrichtet wurden.
  • Sie zeigten selbst dann Vorteile, wenn sie ihren Fachunterricht in der Fremdsprache erhielten, aber in der Landessprache getestet wurden.
  • Teilweise zeigten sie auch bessere Behaltensleistungen.
  • Bilingual unterrichtete Grundschüler:innen können in einer Fremdsprache erworbenes Fachwissen also in die Landessprache übertragen.

Diese Argumente untermauern die Forderungen von Frau Prof. Dr. Summer und sind zugleich „Wasser auf die Mühlen“ der Position für mehr Englischunterricht in der Grundschule. 

All diese Fakten aus den langjährigen Forschungen bayerischer Universitäten und der Mitglieder des BIG-Kreises sind eindeutige Argumente für eine Ausweitung des frühen Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule und keinesfalls für eine Reduzierung. Nur so können unsere Schülerinnen und Schüler optimal auf ein effektives Sprachhandeln in einer globalisierten Gesellschaft von morgen vorbereitet werden.

Dr. Christoph Vatter bedankte sich bei Prof. Dr. Piske und seinem Team für die eindrucksvollen und überzeugenden Ausführungen zur Forderung nach viel mehr Fremdsprachenunterricht bereits in der Grundschule.

Online-Symposium: „Lernen in zwei Sprachen – ein Konzept mit Zukunft!"

Prof. Dr. Heiner Böttger lud die interessierten Zuhörer abschließend zu einem von der KU Eichstätt-Ingolstadt initiierten Online-Symposium zum Thema „Lernen in zwei Sprachen – ein Konzept mit Zukunft!“ mit namhaften Referenten zu reger Beteiligung ein.

Ein Workshop der besonderen Art wurde von Frau Groeneveld (Ernst-Penzoldt-Mittelschule Erlangen) angeboten. Sie präsentierte eine breite Palette von selbst entwickelten Übungs- und Spielformen zu allen Fertigkeitsbereichen des Englischunterrichts an Mittelschulen. Mit vorbereiteten Aufgabenkarten konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer viele Spiele in Kleingruppenarbeit (zwei bis vier Personen) unmittelbar erproben und über die Modalitäten des Einsatzes gemeinsam reflektieren.

Unübersehbare Vorteile ergaben sich durch:

  • Die Häufigkeit der individuellen Sprachproduktion war viel höher als bei einer Großgruppen- oder Klassenabfrage.
  • Die Motivation durch sofortige Erfolgsrückmeldung wurde verstärkt.
  • Viel zusätzliche Bewegung im Raum (z. B. in verschiedenen Ecken) oder im Gebäude (z. B. auf Treppen) ließ das Denken und das sprachliche Handeln (Üben und Wiederholen) besonders gut gelingen.

Weitere Links zu Fachliteratur und Medien im Netz ergänzten die vielseitigen Informationen. Die vorgestellten und sofort nachvollziehbaren, abwechslungsreichen „activities“ aus dem scheinbar unerschöpflichen Archiv der engagierten Kollegin waren ein echtes Highlight der Tagung, was die begeisterten „Mitspieler“ mit viel Beifall bedachten.

Insgesamt konnte der FG-Vorsitzende resümieren, dass das Motto der Fachtagung „Motivation durch Englischunterricht“ wieder frisch in die Klassenzimmer und den Unterricht weitergetragen werden konnte.

Die Fachgruppe Fremdsprachen des BLLV bedankt sich für bei allen Referenten und Teilnehmenden für den gelungenen und informativen Fachtag!

Ein besonderer Dank gilt den Verlagen Cornelsen und Westermann für ihre wertvolle Mitwirkung an der Tagung und ihre Unterstützung durch Fachliteratur und Materialien. 


Dr. Christoph Vatter, Leiter der Fachgruppe Fremdsprachen

Manuela Rosner, Stv. Leiterin der Fachgruppe Fremdsprachen (Text und Fotos)