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Wie schaffe ich es, mutig und offen Neuem zu begegnen?

Immer wieder werden wir mit Neuem und Unbekanntem in unserem Leben konfrontiert. Das löst bei vielen Menschen Stress aus. Wie wir besser damit umgehen können, erklärt Christina Lehner, Expertin für Stressreduktion.

Im trubeligen Alltag fällt es manchmal schwer, Neues und Veränderungen nicht als Feind zu sehen. Christina Lehner, Expertin für Stressreduktion vom Starnberger See, erzählt im Interview mit der BLLV-Akademie, wie es gelingt, diese Wellen des Lebens ohne Dauerstress zu reiten. Darüber hinaus gibt sie Tipps, wie wir Neues als Herausforderung und nicht nur als Überforderung annehmen können.

BLLV-Akademie: Unser Leben ist geprägt davon, dass wir stets mit Neuem konfrontiert werden. Das löst bei vielen Menschen Stress aus. Sie sind Expertin für Stressreduktion: Was raten Sie Menschen, die diesen Stress minimieren möchten? Wie kann ich mich stärken, um diesen Herausforderungen besser gewappnet zu sein?

Christina Lehner: Eines erst einmal vorweg: Wir erleben Stress immer individuell. Manche Menschen erleben Dinge als stressig, die andere gar nicht als belastend empfinden. Zwar gibt es viele Menschen, die Neues erstmal als Bedrohung empfinden, es gibt aber auch Menschen, die es als positive Herausforderung wahrnehmen.

Generell kann man sagen, dass unsere heutige Welt, und auch die Arbeitswelt wie wir sie erleben, sehr komplex und unbeständig ist, was unserem grundlegenden Bedürfnis nach Sicherheit, Einfachheit und Stabilität entgegensteht. Hierfür ist es hilfreich, sich Wissen über Stress anzueignen und sich präventiv mit dem Thema zu beschäftigen.
 

Zur Person: Christina Lehner

Christina Lehner vermittelt soziale und persönliche Kompetenzen durch gestalterische, naturnahe Methoden und Aktivitäten. Seit über 20 Jahren leitet sie Gruppen allen Alters und unterrichtet Themen, die innere Entwicklung ermöglichen. Sie legt Wert auf erfahrungsorientiertes Lernen durch Erleben und Reflektieren. So ist sie bisher als Erlebnis-, Sozial-, Umwelt- & Kulturpädagogin, Natur- und Wanderführerin und seit 2021 vor allem als Achtsamkeitslehrende (MBSR/ MSC) tätig. Mehr unter www.mbsr-christinalehner.de


BLLV-Akademie: Wie könnte das konkret vonstattengehen?

Christina Lehner: Erst einmal sollten wir uns selbst beobachten: Was erlebe ich körperlich genau bei Stress? Welche Situationen lösen bei mir Stress aus? Welchen Belastungen bin ich im Alltag ausgesetzt?
Wichtig ist auch zu beobachten, welche Gedanken im Kopf noch reinspielen, sogenannte Glaubenssätze, die den Stress noch verstärken. Zum Beispiel: "Ich darf keine Fehler machen" oder "Ich muss alles allein schaffen".

"Stress an sich ist gar nicht schlecht, ihn aus unserem Leben komplett zu eliminieren ist nicht das Ziel. Wenn Stress chronisch wird, dann drohen ernsthafte gesundheitliche Probleme."


BLLV-Akademie: Manchmal haben wir körperliche Beschwerden, aber können gar nicht zuordnen, wo die herkommen: Was zählt denn zu den körperlichen Symptomen für Stress?

Christina Lehner: Jeder Mensch reagiert hier auch an unterschiedlichen Stellen im Körper. Manche merken die Auswirkungen bei der Verdauung und einem flauen Gefühl im Magen. Andere wieder haben Herz-Kreislauf-Probleme, merken ihr stark pochendes Herz. Viele merken die Anspannung in der Muskulatur, z.B. bei Nackenverspannungen oder Kopfweh. Wer unter Stress steht, ist auch oft müde, vergesslich oder gereizt. Bei Frauen deutet auch ein unregelmäßiger Zyklus auf Stress hin.

Mir ist aber auch noch einmal wichtig zu betonen: Stress an sich ist gar nicht schlecht, ihn aus unserem Leben komplett zu eliminieren ist nicht das Ziel. Wenn Stress chronisch wird, dann drohen ernsthafte gesundheitliche Probleme. Deshalb ist es sehr wichtig, immer wieder für ausreichend Entspannung und Erholung zu sorgen. Stress wird auch als Würze des Lebens bezeichnet: Er wirkt leistungssteigernd und motivierend. Wir fühlen uns lebendig.

Wichtig ist auch herauszufinden, was mir persönlich hilft, mich zu entspannen. Die Beschäftigung mit einem bewussten Leben kann uns nicht nur aufzeigen, was uns wann welche Schwierigkeiten bereitet, sondern auch, was uns nährt, Freude macht und uns hilft, zu regenerieren. Das können Dinge sein, die wir als Kind vielleicht schon sehr gerne gemacht haben oder welche, die wir gut können.

Es ist sicherlich auch hilfreich, für sich verschiedene Techniken und Methoden zur Entspannung auszuprobieren, um dann seinen persönlichen Werkzeugkoffer zusammenzustellen und in den Alltag zu integrieren. Beispiele hierfür sind: Achtsamkeitstechniken, bewusstes Atmen, Pausen einbauen, kurze Spaziergänge, Bewegung - vielleicht in der Natur - , Journaling, sich angenehme Erlebnisse bewusst machen, Erfolge feiern - auch Kleine. Lächeln. Und generell, wie wir vermutlich alle wissen: Für ausreichend Schlaf sorgen, Zeit für Mahlzeiten nehmen, soziale Kontakte pflegen.

BLLV-Akademie: Auch wenn wir uns bewusst dazu entscheiden, Neues zu wagen, bleibt der Stress dabei oftmals nicht aus und wir erleben Phasen des Zweifels und der Unsicherheit. Wie können wir diesen besser begegnen?

Christina Lehner: Auf der gemütlichen Couch vor Fernseher lernen wir nicht mit Stress und Herausforderungen umzugehen, sondern nur indem wir mit dem Stress arbeiten, statt ihn zu vermeiden. Wenn wir Krisen erfolgreich meistern und schwierige Situationen bewältigen, sammeln wir positive Erfahrungen, die unser Selbstvertrauen stärken, uns mutiger machen und unsere Resilienz steigern. Wichtig ist es dabei, diese Erfolge auch zu feiern und bewusst wahrzunehmen.

Vision Board-Workshop mit Christina Lehner

Die innere Stimme auf laut stellen: Gestalte ein Bild der eigenen Wünsche und Visionen! Wie es um die aktuelle Lebenszufriedenheit bestellt ist und welche Wünsche noch in Dir schlummern, überlegst Du beim "Vision Board"-Workshop. ...
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BLLV-Akademie: Das stimmt: Wenn man etwas gut gemacht hat, schenkt man dem zu wenig Bedeutung, hakt es schnell ab. Im Gegensatz dazu werden Misserfolge im Kopf oft in Dauerschleife gezeigt. Es ist auch verpönt, sich selbst zu loben, weil man nicht eitel wirken will.

Christina Lehner: Unser Gehirn ist darauf gepolt, Gefahren besonders im Fokus zu haben. Erfolgen schenkt das Gehirn weniger Beachtung. Aber wir können dagegen etwas tun. Zum Beispiel mit einem Erfolgstagebuch, da gibt es auch vorgefertigte schon zu kaufen. Wir dürfen uns da die Erlaubnis geben, uns zu loben, wenn wir etwas gut gemacht haben. Dadurch können wir dann auch bei anderen viel großzügiger sein.

"Phasen des Zweifels gehören dazu, wenn man sich außerhalb der Komfortzone bewegt. Nur so passiert Wachstum."


BLLV-Akademie: Welche Tipps haben Sie noch auf Lager für Phasen des Zweifels, wenn wir etwas Neues wagen?

Christina Lehner: Der innere Kompass hilft. Den können wir, ähnlich wie ein Kompass bei einer Wanderung, immer wieder auf dem Weg hervorholen zur Orientierung: Was sind meine persönlichen Ziele und Werte im Leben?
Das gibt uns immer wieder Halt und Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Außerdem sollten wir uns daran erinnern: Phasen des Zweifels gehören dazu, wenn man sich außerhalb der Komfortzone bewegt. Nur so passiert Wachstum.
Wenn wir uns schwer fühlen, hilft auch Selbstmitgefühl: "Es geht vielen Menschen so wie mir und das ist jetzt gerade einfach so". Wir sollten freundlich zu sein, nicht verurteilend. Selbstkritik erzeugt nur noch mehr Stress. Wir sollten die Überzeugung in uns tragen: "Ich werde durch diese Phase hindurchkommen".

"Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen"


BLLV-Akademie: Der innere Kompass ist auch bei Ihrem Seminar "Vision Board" für die BLLV-Akademie ein wichtiges Thema. Könnten Sie uns den etwas beschreiben?

Christina Lehner: Im "Vision Board-Workshop" stellen die Seminarteilnehmer*innen sich die Frage: Was wünsche ich mir wirklich? Von was träume ich? Jenseits von "Aber das geht nicht, weil…". Der innere Kompass ist ein wunderbares Werkzeug der Reflexion und Selbstfürsorge. Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen.

BLLV-Akademie: Jeder Mensch braucht einen sicheren Hafen. Was spricht aus Ihrer Sicht aber auch dafür, zu neuen Ufern aufzubrechen? Wie wirkt es sich auf unser psychisches Gleichgewicht im positiven Sinne aus? 

Christina Lehner: Ein Aufbruch zu Neuem und zu Unbekannten ist immer auch ein Aufbruch zu uns selbst. Wir lernen uns dabei besser kennen, entwickeln uns weiter, erweitern unseren Horizont und vergrößern dadurch auch unseren sicheren Hafen.



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