Der Agoratalk vom 11. Juni widmete sich dem Thema „Schulsystem - Veränderungsbedarfe für eine erfolgreiche Bildung unserer Kinder“. Das Format der beiden Moderatoren und Gründer des Podcasts Dr. Olivier Blanchard und Daniel Höche will sich an Megatrends orientieren und „diese kritisch begleiten durch die Augen fesselnder Persönlichkeiten, die uns durch horizonterweiternde Perspektivwechsel bereichern.“ Im Podcast #15 war BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann zu Gast und gefragt zum Thema „wo der Hase für das Bildungssystem hinlaufen müsste“.
Wann ändert sich was an der Schule?
Was hindert uns daran Schule neu zu denken: moderner, aktueller, inklusiver, integrativer und individueller – einfach als Förderung der Stärken aller Schülerinnen und Schüler? Zum Einstieg eine spannende und berechtigte Frage, aber wird angesichts der vielen Widerstände wirklich alles so bleiben wie es war? Nein, meint Simone Fleischmann. Sie hat das Gefühl, dass sich gerade einiges ändert. Nicht zuletzt wegen Corona und wegen des großen Lehrkräftemangels, den inzwischen niemand mehr leugnen kann: „Viele Menschen diskutieren über Fragen wie: ‚Moment mal, jetzt fällt hier Unterricht aus? Ja, Moment, der Staat kommt seiner Aufgabe gar nicht nach? Ja, aber ich will doch eigentlich, dass mein Kind ganz anders lernt!‘.“ Auch Tools wie ChatGPT stellen das System in Frage, wenn eine KI mal eben die Hausaufgaben oder auch ein Referat machen kann. Die Menschen merken, dass hier dann etwas nicht stimmt. „Ich weiß, dass Lernen auch anders funktionieren kann. Und ich bin überzeugt davon, dass wir Schule verändern können, auch in Zukunft, weil Menschen jetzt die Frage stellen, was Schule eigentlich leisten soll“, so Simone Fleischmann.
Ist das System Bildung gefangen im Lehrkräftemangel?
Im Gespräch wird klar, dass für eine Veränderung natürlich auch das ewige Thema des Lehrkräftemangels angegangen werden muss, dass „wir genug gute und junge Menschen an den Start kriegen, die in Zukunft Bildung machen und anbieten. Also der erste Wunsch oder die erste Idee [für eine Veränderung] ist, alles dafür zu tun, dass junge Menschen sagen: ‚Ja ich will Lehrerin werden‘“. Dass dazu zunächst der Beruf wieder attraktiv werden muss und dass Lösungen gefunden werden müssen, wie die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen ihre Aufgaben realistisch erledigen können ist klar. Diese Lösungen zu finden und Klarheit zu schaffen, was Schule heute noch leisten soll und kann ist entsprechend der zweite Punkt, der laut der BLLV-Präsidentin angegangen werden muss, um positive Veränderungen zu bewirken. „Wenn wir zu wenig Menschen sind, können wir nicht mehr Aufgaben bewältigen“, so Simone Fleischmann. Und man dürfe den Beruf nicht immer unattraktiver machen, indem man beispielsweise die Teilzeitmöglichkeiten einschränkt. Ganz im Gegenteil müsste man sich bemühen, attraktive Arbeitszeitmodelle anzubieten. „Der dritte Punkt wäre für mich, dass wir an die Lehrkräftebildung rangehen. Das ist auch in Bayern gerade am Start, das machen viele Bundesländer. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich die Art und Weise, wie die Lehrkräftebildung aufgestellt ist, ändern muss. Wir brauchen mehr Praxisorientierung, wir brauchen mehr Kompetenzen in der Lehrerbildung, die einzahlen auf das, was gefragt ist.“
Also große Fragen im Podcast und dankbarerweise auch die Zeit diese umfassend zu besprechen und zu diskutieren. Dafür bietet der Agoratalk den Rahmen! Entsprechend ging es weiter mit dem Thema, wie genau man den Lehrberuf attraktiver machen kann – also beispielsweise was junge Menschen heute wollen und brauchen und wie man attraktive Arbeitszeitmodelle schaffen kann. Freilich gehören zu dieser Attraktivität auch Themen wie Multiprofessionelle Teams, die es den Lehrerinnen und Lehrern erlauben, etwas zu bewirken und zu verändern und nicht nur ihre Aufgaben irgendwie zu schaffen, sondern den Kindern und Jugendlichen wirklich zu helfen.
Bildung ist kein Start-up: Von Geschwindigkeit und Veränderung
Aber wie schnell kann eine Veränderung im Bildungssystem erreicht werden? Und wie schnell soll sie erreicht werden? Schließlich muss und soll das System alle an Bildung Beteiligten mitnehmen! „Bildung ist Staatsaufgabe und kein Startup. […] Ist vielleicht auch gut so, und zwar deswegen, weil wir Verlässlichkeit brauchen. Bildung ist eine nachhaltige, ganzheitliche Langzeitaufgabe. Deswegen brauchen wir auch nicht von heute auf morgen eine Revolution im Schulsystem, sondern eine Entwicklung. Sie fragen nach den Hebeln. Der Hebel kann nur sein alle mitzunehmen. Und wenn du alle mitnehmen willst, dann sind das halt nicht nur 14 Mitarbeiter in einem Startup, sondern dann sind es mal 6.500 Schulen hier in Bayern, dann sind es sehr viele Lehrkräfte und dann sind es vor allem die Eltern und die Kinder“, so Simone Fleischmann. Also doch weiter im alten Trott? „Diesen Change müssen die mittragen, die ihn leben. Das sind die Lehrerinnen und Lehrer. Das sind die Kinder und die Eltern. Wenn du den Schalter umlegst, wirst du nie zum Erfolg kommen. Das heißt, es geht nur ‚step by step‘.“ Wir brauchen deshalb einen Mittelweg! „Das sind Prozesse, die sind da und die müssen gelebt werden und abgenommen werden. Deswegen ist es ein bisschen Gas geben mit Bremse, aber ich glaube, es schadet auch nicht“, resümmiert Fleischmann.
Das ganze Gespräch rund um Bildung, KI, Digitalisierung nach Corona, demokratische Prozesse an Schulen, Generation Z, Partizipation, eine zukunftsfähige und aussagekräftige Leistungsbeurteilung, Schule im internationalen Vergleich und nicht zuletzt rund um zunehmende Kompetenzdefizite der Schülerinnen und Schüler finden Sie hier: