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DLF Campus & Karriere vom 23. März 2024 Startseite Topmeldung

Lehrkräftemangel – Was die Maßnahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) bringen

Was können die jüngsten Beschlüsse der Kultusministerkonferenz eigentlich bringen? BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann mahnt in der Diskussion vor allem einen anderen Fokus an: Statt ums "Löcher stopfen" sollte es erstmal um die Bildungsqualität gehen.

Das Bildungsmagazin „Campus & Karriere“ beleuchtet regelmäßig die aktuellen Entwicklungen an den Schulen, in der Bildungsforschung und der Berufswelt. In der Sendung vom 23. März waren Politik, Experinnen und Experten gefragt, was sie sich von den Maßnahmen der KMK gegen den Lehrkräftemangel versprechen. Die Qualifizierung zu "Ein-Fach-Lehrkräften", das duale Lehramtsstudium und das Quereinstiegs-Masterstudium hatten Mitte März für Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Im Studio dabei waren auch Helmut Holter, Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport, sowie Axel Gehrmann, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Didaktik und Empirische Unterrichtsforschung an der Fakultät Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Dresden (TUD).

Unsere Kinder brauchen die Besten!

Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV und stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) hatte sich schon Mitte März klar gegen die Deprofessionalisierung der Lehrkräfteausbildung positioniert. Für sie geht es zuallererst um die Frage, wie sich die Maßnahmen auf die Bildungsqualität auswirken: "Wir sind zuerst einmal sehr dankbar für den Dialog, denn offensichtlich ist jetzt überall angekommen, dass wir einen eklatanten Lehrkräftemangel haben. Die Debatte müsste sich jetzt aber unbedingt um die Qualität der Bildung drehen. Natürlich geht es um die Modernisierung der Lehrkräftebildung und es geht natürlich auch darum, möglichst schnell Menschen an die Schulen zu bringen. Aber wir haben Sorge, dass die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen zu einer Deprofessionalisierung führen. Deswegen ist die Qualifizierung von Menschen, die jetzt durch neue Maßnahmen in die Schulen kommen, entscheidend. Denn die Kinder brauchen auch in einem engen Arbeitsmarkt einfach die Besten. Der Anspruch der Verbände ist natürlich der, dass grundständig ausgebildete Lehrkräfte mit fachlicher Expertise und hohem pädagogischem Know-how das Ziel sein müssen."

Mittelschule in Bayern unter Druck

"Wir beobachten sehr akut, dass immer weniger junge Menschen in Bayern sich aktiv für das Lehramt an den Mittelschulen entscheiden. Wir haben einen eklatanten Lehrermangel im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich und merken, dass wir den Kindern nicht mehr gerecht werden können durch individuelle Förderung und Differenzierung. Deshalb geht es darum, dass die Kinder die Besten brauchen. Und wenn wir dann zum Beispiel an der Universität Nürnberg-Erlangen sehen, dass dort im letzten Jahr 167 Sudentinnen und Studenten gestartet sind für das Mittelschullehramt und dieses Jahr nur 24, von denen momentan noch zwölf am Start sind, dann heißt das, wir haben insgesamt zu wenige. Wir verlieren auf der Strecke des Studiums Kolleginnen oder angehende Kolleginnen und Kollegen en masse. Und deswegen wird uns angst und bang, wie denn in Zukunft die verschiedenen einzelnen Schularten - mit der Vielgliedrigkeit wie sie hier in Bayern eben ist - aufrechterhalten werden können.

Das "Flexible Lehrerbildungsmodell" des BLLV

In einem langjährigen partizipativen Prozess hat der BLLV das Flexible Lehrerbildungsmodell entwickelt. Ziel des Modells ist es, die Qualität der Lehrerbildung in Bayern zu steigern und eine größere Flexibilität beim Einsatz an den unterschiedlichen Schularten zu ermöglichen. ...
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1.000 Wege führen zum Ziel?

Dabei sind die jetzt von der Kultusministerkonferenz vorgeschlagenen Maßnahmen ja "nur" eine Erweiterung der verschiedenen Quer- und Seiteneinstiegsmöglichkeiten, die es bundesweit bereits gibt. Auf die Frage, welche Rolle denn das klassische Referendariat dabei in Zukunft noch spielen kann und soll, sagte die BLLV-Präsidentin: "Wir müssen das jetzt vielleicht mal ein bisschen auseinanderklamüsern. Was ist denn eigentlich das Ziel von jemandem wie uns in den Verbänden, der für beste Bildung kämpft? Wir wollen einen ganzheitlichen Blick auf Schule. Wir wollen eine komplexen Blick auf die Schülerinnen und Schüler werfen. Und wir wollen Bildung verändern als eine phänomenologische Bildung, die nicht nur den einzelnen Lerngegenstand in den Mittelpunkt stellt und die Schülerinnen und Schüler in komplexen Bildungsprozessen begleitet. Es ist nicht immer nur die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Expertise. Ich wollte Lehrerin werden, weil ich Schülerinnen und Schüler begleiten wollte auf ihrem Weg durchs Leben, auf ihrem Weg in den Beruf hinein. Und jetzt sind wir mitten im Lehrkräftemangel und wissen nicht mehr, wie das gehen soll. 

Wir wissen ja auch, dass die Lehrkräfte nicht vom Baum fallen. Sie verstehen aber glaube ich auch, dass die Öffentlichkeit und die Eltern jetzt auch verstehen müssen, was das bedeutet, wenn Menschen mit ganz anderen Qualifikationen an den Schulen unterrichten. Da geht es um mehr als nur um das Organisatorische, wie wir diese Menschen in den Stundenplan integrieren. Lassen Sie uns doch ganz kurz auch noch mal die Grundschule als Schulart reinholen. In der Grundschule leben wir mit den Kindern zusammen in einem Lernraum - fast möchte ich sagen einem "Lebensraum" Schule. Der fußt auf der Beziehung zur Lehrerin und zum Lehrer. Je mehr dieser zergliedert wird umso mehr wird es mit dem Fundament von Bildung - und das ist nun mal die Beziehung - echt schwierig.

Wir brauchen auch eine langfristige Perspektive für die Lehrkräftebildung

Das heißt, wir verstehen die Tendenz, ziemlich zügig jeden, der dazu bereit ist sich auch nachzuqualifizieren, in die Schulen zu bringen. Trotzdem sagen wir, es muss auch langfristig um die Qualität gehen. Also wenn jetzt kurz- und mittelfristig solche Maßnahmen angesetzt werden, dann bitten wir sehr darum, dass langfristig auch mal über die grundständige Lehrkräftebildung nachgedacht wird. Und auch hier gibt es ganz viele Modelle. Auch die SWK hat elf Empfehlungen zum Thema. Da geht es auch um die Qualität der veränderten Lehrkräftebildung für die grundständig studierten Kolleginnen und Kollegen. Und ich bitte eben das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Wir brauchen auch auf dieser Ebene Attraktivitätsangebote, damit mehr junge Menschen Lehrerinnen und Lehrer werden. Dazu gehört neben vielem anderen auch, die Schularten erstmal kennen zu lernen. Studentinnen und Studenten am Anfang des Studiums kennen doch oft nur die Grundschule und das Gymnasium. Sie sollten auch die anderen Schularten kennenlernen, bevor sie sich für ein Lehramt entscheiden. Dafür gibt es jetzt in Bayern Botschafter. Das ist ein absolut notwendiger Schritt."

Lehrkräfte sollten lehren können

Auch das Thema Bürokratieabbau und Verwaltungsaufgaben durfte in dem langen und umfassenden Sendungsformat nicht fehlen. Gesprächsaufhänger war in der Sendung auch ein zugeschalteter Hörer, der meinte, es müsste den Lehrkräften ja klar sein, dass sie noch andere Tätigkeiten und vor allem Verwaltungstätigkeiten haben, die eben auch zu erfüllen seien. Auch die Teilnehmenden im Studio erkannten an, dass die Verwaltung ein Teil der Aufgaben ist, diese aber nicht überhand nehmen darf. " Ich wollte Lehrerin werden, weil ich Kinder und Jugendliche in der Bildung und in ihrer Erziehung begleiten wollte. Lehrerin zu sein ist einer der schönsten Berufe, die es gibt. Ich will als Lehrerin mit guten Rahmenbedingungen die Gesellschaft von morgen bilden. Ich will die Schülerinnen und Schüler zu Demokraten erziehen. Ich will medienkritische Bürger und Bürgerinnen haben. Ich will mit Kindern tolle Projekte machen. Ich will ganzheitliche Bildung geben und eben nicht nur den Pythagoras vermitteln. Also mein Credo: Wir brauchen langfristig dringend eine Attraktivitätssteigerung des Berufes, indem wir Verwaltungsarbeit und Bürokratie abgeben. Wir müssen junge Leute ins grundständige Lehramtsstudium bekommen, die Lehrerinnen und Lehrer werden wollen. Also muss hier wirklich eine Veränderung her und ich denke, wir müssen alle miteinander darüber nachdenken, wie das geht. Also nicht nur, wie wir zügig mehr Menschen in das System bekommen und dabei womöglich dann auch noch die, die am besten verstehen, dass Lehrer sein jetzt gar nicht so das Arbeiten mit dem Kind ist. Das fände ich ganz schräg. Wir müssen die grundlegende Wertigkeit dieses Berufes aus Berufung heben, herausstellen und in den Mittelpunkt rücken", so Simone Fleischmann.

Bessere Arbeitsbedingungen sind die beste Werbung

Zum Ende des Gesprächs wies die BLLV-Präsidentin nochmals explizit auf die Situation in den Schulen hin, wo viele Lehrerinnen und Lehrer einfach überlastet sind und der Belastung nicht mehr standhalten - nicht zuletzt abzulesen an den Zahlen der Dienstunfähigkeit: "Die Kernmannschaft muss gestärkt werden. Das sind die, die mal Lehrerinnen oder Lehrer werden wollten, so wie ich und den Weg auch gegangen sind. Die müssen in der Mehrzahl bleiben und die müssen auch mit Kraft weitergehen können. Deswegen brauchen wir dringend eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die bestehende Mannschaft und zusätzlich all die Maßnahmen, die jetzt hier kurzfristig, und hoffentlich nur vorübergehend, gegangen werden. Wir haben nichts gegen Seiten- und Quereinsteiger - da können wir doch gar nichts dagegen haben. Wir wollen nämlich nicht drei Klassen gleichzeitig führen, sondern wir wollen in unserer Klasse sein und diese Klasse gut ausbilden. Wenn du zwischen drei Klassen hin und her hüpfst, dann hast du bei keiner Klasse gute Bildung. Also ich muss nur noch mal sagen, die beste Werbekampagne, die einfachste Stellschraube und das, was dringend notwendig ist, ist dass die Kernmannschaft gestärkt wird, dass die, die da sind, stark bleiben, gesund bleiben. Das ist ein großes Anliegen eines Lehrerverbandes!"