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Aufsichtspflicht Präsenzunterricht

Pipifax?

"Du, Frau Maier, ich muss mal...": Nicht immer sind Lehrkräfte überzeugt, dass die Bitte, den Unterricht für einen Gang zur Toilette verlassen zu dürfen, gerechtfertigt ist. Und so tauchen in der Rechtsabteilung des BLLV immer wieder Fälle auf, in denen sich Erziehungsberechtigte sogar bei Schulleitung oder übergeordneter Stelle wegen eines verweigerten dringenden Toilettengangs beschweren. Und bisweilen sogar Strafanzeige erstatten.

Fall 1

Ein Schüler behauptet, die Lehrkraft habe ihn während der Pause nicht ins Schulhaus gelassen, obwohl er mehrfach mitgeteilt habe, er müsse dringend zur Toilette. Daraufhin habe er schwere Unterleibsschmerzen gehabt und sich eingenässt.

Fall 2

Der Toilettengang wird einem Schüler verweigert; schon öfter allerdings hatte ihm die Lehrkraft den Gang zur Toilette erlaubt – mit dem Ergebnis, dass der Schüler die gesamte Stunde nicht mehr auftauchte.

Fall 3

Wegen der Corona-Regeln können Schülerinnen und Schüler nicht die Toilette aufsuchen, weil sonst die entsprechenden Abstände im Schulhaus und in den Räumen nicht hätten eingehalten werden können. Die Lehrkräfte koordinieren die Toilettenbelegung und fragen dementsprechend, wie dringend das Bedürfnis jeweils sei. Es kommt immer wieder einmal vor, dass sie darum bitten, ein wenig zu warten.

Der Kontext

Gerade im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen haben sich Lehrerkollegien in der Regel eingehend mit der Materie befasst und bestimmte Verhaltensregeln aufgestellt. So gab es im Fall 3 interne Absprachen unter allen Lehrkräften, dass Schülerinnen und Schüler angehalten werden sollen, während der Pause die Toilette aufzusuchen und nicht während des Unterrichts. Direkt nach der Pause solle der Toilettengang nicht genehmigt werden, ebenso wenig, wenn er ausgesprochen kurzfristig angemeldet werde. Manche Schulen verfahren nach dem „Ampelmodell“: Schülerinnen und Schüler signalisieren, ob sich der Drang, zur Toilette zu gehen, noch im grünen, bereits im gelben oder gar im roten Bereich befindet.

Die Anklage

Aufgrund der geschilderten Regelungen senden Eltern immer wieder Beschwerden an die Schule, das Schulamt, den Bürgermeister oder gar ans Kultusministerium. In manchen Fällen ist die Beschwerde gleich flankiert von einer Strafanzeige.

Die Rechtslage

Auf keinen Fall sollte das Thema auf die leichte Schulter genommen werden. Schließlich kann es sich bei einem verweigerten Toilettengang tatsächlich um eine Nötigung im Sinne von § 240 StGB Absatz 1 handeln: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Falls Schüler wie im ersten Fall geltend machen, durch den verweigerten Toilettengang Schmerzen erlitten zu haben, käme unter Umständen sogar Körperverletzung im Amt; § 340 StGB in Betracht.

Das Verfahren

Egal, ob eine Beschwerde als Dienstaufsichtsbeschwerde deklariert ist oder gleich als Strafanzeige daherkommt, für Lehrkräfte ist beides sehr belastend. Bei einer Strafanzeige teilt die Polizei der Lehrkraft mit, dass sie nun als Beschuldigte in einem Strafverfahren gilt, und fordert sie mündlich oder schriftlich auf, zu einem bestimmten Termin auf der Polizeiwache vorstellig zu werden. Dort könne dann eine Aussage aufgenommen werden.

Die Gegenmittel

Spätestens auf der Polizeidienststelle werden die Lehrkräfte darüber belehrt, dass sie sich zur Sache nicht äußern müssen, sondern ein Aussageverweigerungsrecht haben. Von diesem Recht sollten Lehrkräfte unbedingt sofort Gebrauch machen. Wichtig ist es in solchen Fällen immer, zunächst einmal den Sachverhalt aufzuklären. Die Polizei ermittelt und hört unter Umständen Zeugen an. Falls sich der Sachverhalt aus Sicht der Lehrkraft anders zugetragen hat, wird sie dies in ihrer Stellungnahme so darlegen und ihrerseits Zeugen benennen. Im Fall 1 zum Beispiel konnte die Darstellung des Schülers, der sich angeblich unter Schmerzen eingenässt hatte, durch Zeugen widerlegt werden.

In allen Fällen, in denen die Rechtsabteilung eingeschaltet wurde, konnten die Vorwürfe so nicht bestätigt werden. Stets stellte sich heraus, dass die Angaben der Schülerinnen und Schüler nicht ganz den nachweisbaren Tatsachen entsprachen. Entweder wurde der Toilettengang gar nicht verboten oder es gab gute Gründe, die Kinder wie im Fall 3 um Geduld zu bitten, beziehungsweise der Bitte nicht stattzugeben wie im Fall 2 . Die betreuten Verfahren wurden allesamt ohne Auflagen eingestellt.

Die Rechtskolumne erschien in der bayerischen schule #4/2022.



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