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Praxissemester: Ja, aber bitte richtig!

München – Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), begrüßt die Ankündigung des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern ein verpflichtendes Praxissemester vor dem Referendariat einzuführen. Sie warnt aber auch davor dies auszunutzen, um Studierende als Billiglehrkräfte zu „verheizen“. Wichtig sei ein qualitätsorientiertes Konzept – wie das der Studierenden im BLLV. Deren erste Vorsitzende, Hannah Seifert, sieht ebenfalls die positiven Aspekte. Die Einführung eines Praxissemesters motiviere mehr junge Menschen, Lehramt zu studieren und verbessere die Qualität der Lehrkräftebildung – wenn das Praxissemester gut begleitet wird. Sie sehe aber die Gefahr einer übereilten und undurchdachten Umsetzung. Die Studierenden im BLLV legen deshalb ein Positionspapier vor, das detaillierte Empfehlungen für eine sinnvolle Einführung beschreibt.

„Der Sprung ins eiskalte Wasser beim Start ins Referendariat ist für viele Studierende ein Motivationskiller“, erklärt Hannah Seifert. Ein Praxissemester einzuführen sei ein guter Schritt, aber nicht die schnelle Lösung gegen den Lehrkräftemangel. Stattdessen solle das Semester dazu dienen, die Lehrkräftebildung qualitativ aufzuwerten. Das Positionspapier der Studierenden im BLLV umfasse deshalb ausführliche Empfehlungen zu wichtigen Punkten, wie Antrittsbedingungen, qualitativer Begleitung, Feedbackphasen und Inhalten. Nur wenn diese eingehalten würden, hätte das Praxissemester den gewünschten Effekt. „Dieser Abschnitt im Studium sollte den Studierenden vor allem einen authentischen Einblick in den Schulalltag geben und ihnen die Möglichkeit bieten, sich auszuprobieren und ihre Persönlichkeit als Lehrkraft zu stärken, bevor sie ins Referendariat starten.“

Nicht nur die „Stellschräubchen“ im Blick haben

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann weist außerdem auf die vielen anderen Baustellen in der Lehrkräftebildung hin. Der BLLV kämpfe seit Jahren für eine grundlegende Modernisierung und Flexibilisierung der Ausbildung. Mehr Praxisbezug sei nur eine Stellschraube, die man aber nicht einfach drehen kann, ohne das „große Rad“ zu bewegen. Dabei ginge es vor allem darum, das Studium flexibler zu gestalten und Studierenden die Möglichkeit zu bieten, alle Schularten kennenzulernen. „Erst dann sollten sie entscheiden, wo sie unterrichten wollen“, so Fleischmann.

Hannah Seifert unterstreicht zudem die Wichtigkeit der Lehrkräftebildung im Zusammenhang mit dem Lehrkräftemangel: „Wenn die Politik wirklich langfristig etwas gegen den Lehrkräftemangel tun möchte, dann sollte sie ihren Blick jetzt endlich auf die Qualität der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern richten!“ Die Löcher über den Seiten- oder Quereinstieg zu stopfen und auf Pensionierte sowie Lehrkräfte aus anderen Bundesländern zu setzen, könne nicht die Lösung sein. Es ginge darum, das Problem an der Wurzel zu packen. Fleischmann ergänzt dazu: „Wenn die Lehrkräfte von morgen eine Ausbildung mit entsprechenden Qualitätsstandards erhalten würden, wäre der Grundstein für eine langfristige Lehrkräfteversorgung und ein gesundes Bildungssystem gelegt.“

Das Positionspapier der Studierenden im BLLV und weitere Informationen finden Sie unter https://studierende.bllv.de/praxissemester



Ein Kommentar von Dr. Klaus Wild, Leiter der Fachgruppe Hochschule im BLLV

„Ministerpräsident Dr. Markus Söder hat angekündigt, in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern ein verpflichtendes Praxissemester vor dem Referendariat einzuführen. Wichtiger wäre in der aktuellen Situation allerdings, sich um die Qualität der derzeitigen Praktika zu kümmern. Insbesondere an Mittelschulen ist der unkontrollierte Zulauf im Rahmen der verpflichtenden Woche im Orientierungspraktikum nicht mehr zu händeln. Dieses Praktikum könnte ohne größeren Aufwand in die Eingangsphase des Studiums gelegt, professionell mit den jeweiligen Schulen koordiniert und die Studierenden begleitet werden. Ferner muss das pädagogisch-didaktische Blockpraktikum endlich auch an Realschulen und Gymnasien durch Praktikumslehrkräfte betreut werden. Und: An beiden Schularten ist wie in Grund- und Mittelschulen ein zweites studienbegleitendes Praktikum notwendig. Ehe man über ein verpflichtendes Praxissemester nachdenkt, sollten zunächst einmal die aktuellen Praktika angemessen  ausgestattet werden, denn schlussendlich zählt die Qualität, nicht die Quantität der schulpraktischen Studien! Gleichwohl sieht das BLLV-Konzept einer FLEXIBLEN LEHRER*INNENBILDUNG im 9. Semester große schulpraktische Studien im Sinne eines Praxissemesters in enger Kooperation mit der zweiten Phase der Lehrkräftebildung vor. Hierzu muss auf längere Sicht tatsächlich das große Rad der Lehrkräftebildung gedreht werden. Schnellschüsse zum jetzigen Zeitpunkt sind in der gegenwärtigen Studienstruktur kontraproduktiv und verlängern in Zeiten eines gravierenden Mangels an Lehrkräften die Studiendauer!"



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