"Der Migrationsanteil an unserer Schule liegt bei rund 70 bis 80 Prozent. Gleichzeitig würden 40 Prozent meiner Schüler AfD wählen. Das haben wir in einer Probewahl erhoben. Mich macht das stutzig. Und es zeigt mir deutlich: Der typische AfD-Wähler ist nicht klischeehaft braun und urdeutsch.
Frage ich meine Schüler, warum sie AfD wählen würden, antworten viele: 'Finde ich einfach cool und witzig.' Da steckt oft gar nicht mehr dahinter. Gefestigt und bekennend rechtsextrem ist bei uns fast keiner, denke ich. Die rechte Gesinnung umspült die Schüler, aber ist noch nicht verhärtet.
Die rechten Tendenzen wachsen und wachsen. Wir brauchen im Alltag sehr feine Antennen. Die wenigsten Schüler, die demokratiefeindliches Gedankengut in sich tragen, zeigen im Schulflur den Hitlergruß. Unsere Klos sind auch nicht voll mit Hakenkreuzen. Das läuft subtiler. Etwa, wenn wir über aktuelle Themen diskutieren. Die Schüler zitieren sehr viel das Parteiprogramm der AfD aus den sozialen Medien. Andere Parteien finden in deren Algorithmus kaum statt. Einer sagte mir vor Kurzem: 'Von den Grünen kriegt man auf Tiktok ja gar nichts mit.' So ergibt sich die Themenauswahl.
Lehrer erzählen mir, dass der Beruf immer belastender wird. Sie kommen zu mir und sorgen sich, dass wir der rechten Entwicklung irgendwann nicht mehr Herr werden. Mit großem Aufwand haben wir es gerade noch im Griff: mit Prävention, Projekten und drei Sozialarbeitern, außerdem bieten wir Ganztagsbetreuung an. So können wir auch Schüler aus schwierigen Elternhäusern erreichen. Wir versuchen, dagegenzuhalten. Die Zahl der Schüler, die AfD wählen würde, verringern wir damit aber nicht", so Frank Hortig im Stern.
“White Power” Zeichen und Hitlegruß als Schulalltag?
In den Artikeln des Stern zum Thema kommen weitere Schüler:innen und Lehrkräfte zu Wort, die den Eindruck bestätigen. Sie kommen aus Brandenburg und Sachsen, aber auch aus Bayern. Sie berichten von ähnlichen Vorfällen, aber auch von Resignation - beispielsweise davon, dass Hakenkreuzschmierereien früher noch entfernt worden wären, sich aber inzwischen niemand mehr darum kümmere. Und sie berichten, dass auch viele Lehrkräfte inzwischen resigniert hätten, oder auch selbst mit dem rechten Gedankengut sympathisieren.
Aber bei Weitem nicht alle haben resigniert. Ein Berufsschullehrer berichtet beispielsweise von der Aktionswoche gegen Extremismus, die er organisiert hat - mit Workshops für die klassen und das Kollegium. Dass einige Jugendliche das klar ablehnten, wurde dabei aber auch ihm klar.
Die Schülerin einer anderen Schule berichtet im Stern von offen ausgesprochenem Hass und Ausgrenzung gegen Juden, Ausländer, Homosexuelle und Behinderte. Solche Fälle und die Stimmen die davon berichten gibt es leider sehr viele in der Reportagereihe. Und die Lehrkräfte beobachten, dass die Elternhäuser - falls nicht selbst schon rechts geprägt - sich oft raushalten, während rechte Jugendorganisationen dagegen oft sehr aktiv sind. Eine Lehrerin aus Brandenburg berichtet aber auch, wie man dagegenhalten kann. Die jungen Leute hätten oft ein sehr begrenztes Wissen, das vor allem von TikTok und anderen Medien stamme, die Inhalte sehr vereinfachen. Als die Schule aber kürzlich die Holocaust-Überlebende Renate Aris an die Schule eingeladen hatte, seien die Jugendlichen angerührt und begeistert gewesen - vor allem über die positive Energie die Aris trotz ihrer schlimmen Erlebnisse ausstrahlte. Die Lehrerin betonte aber auch, dass es in Brandenburg dafür an der politischen Unterstützung fehle. Bildungspolitik tauche in keinem Wahlprogramm mehr auf.
Wir dürfen nicht aufgeben! Wir dürfen nicht stumm werden!