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Report Mainz vom 5. März 2024 Startseite

Rechtsextremismus an Schulen: "Wenn wir stumm werden, dann haben wir verloren!"

Report Mainz berichtet von Schilderungen von zahlreichen Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern zu rechtsextremen und rassistischen Vorfällen an Schulen - bereits im Grundschulalter. Die Herausforderungen für Pädagogen sind enorm.

Erschreckend sind die Aussagen, mit denen Kinder in der Schule von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern konfrontiert werden. Im Report traut sich keiner der Betroffenen offen vor der Kamera zu sprechen. Zu groß ist die Angst vor Folgen und noch mehr Mobbing. Der Rechtsextremismus an Schulen nimmt zu. Und neu ist, dass auch im Grundschulalter Kinder zu solchen Aussagen greifen. Die sozialen Medien sind hier der erste Kontaktpunkt zu rechtsextremen und fremdenfeindlichen Inhalten, die Kinder und Jugendliche unreflektiert wiedergeben.

Den bundesweiten Anstieg an rechtsextremen Äußerungen an Schulen bestätigen der hessische Verfassungsschutz und - zwar anonym - ebenso sehr viele Lehrkräfte. Auch von Einschüchterungsversuchen von Elternseite ist die Rede. Es herrscht eine große Verunsicherung bei den Lehrerinnen und Lehrern, die Angst haben nicht nur vor den Eltern, auch vor den Kindern und Jugendlichen. Hakenkreuze und Hitlerbilder in Chat-Gruppen von Schülerinnen und Schülern sind keine Seltenheit. Ihre Zivilcourage wird Lehrkräften, die sich trauen diese Tabuthemen anzusprechen, zum Verhängnis, wie der Bericht von Report Mainz zeigt.

Demokratiebildung im Lehramt - nur in fünf Bundesländern

Laut einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz von 2018, dürfen Lehrer den Schülern nicht ihre politische Meinung aufdrängen. Doch sie müssen das, was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, auch im Unterricht kontrovers behandeln. Das bedeutet aber nicht, dass jede Position akzeptiert werden müsse.

Im Interview mit dem BLLV spricht Bernd Wahl Abteilunglungsleiter Rechtschutz im MLLV Klartext: "Dass es Entwicklungen gibt, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind und die wir lange nicht sehen wollten." Henrik Schödel, Vorsitzender des Bezirksverbandes Oberfranken, bestätigt die verschärfte Situation: "Wir haben auch viele Lehrkräfte, die in dem Bereich gar nicht ausgebildet sind." Gibt es ein verpflichtendes Lehrmodul für Demokratiebildung im Lehramtstudium, fragt der Report Mainz. Nur fünf Bundesländer antworten darauf mit einem klaren "Ja": Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Nur fünf Bundeländer haben Demokratiebildung in ihren Lehramtsstudiengängen als ein verpflichtendes Lernmodul.

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: "Es geht um viel!"

"Also eins darf nicht passieren, dass wir stumm werden. Die Gesellschaft kann sich das nicht leisten, dass die Institution, wo alle Menschen sind - nämlich in der Schule - bei diesem Thema eine Nullnummer wäre. Wenn das passiert und das hat es in der Geschichte schon mal gegeben, dann haben wir verloren." stellt Simone Fleischmann klar, die wir ihre Kolleginnen und Kollegen den Trend zu rechtsextremen Aussagen von Schülerinnen und Schülern ebenso wahrnimmt. Es habe sich etwas in der Qualität der Aussagen verändert. Der Ton werde rauer bei den Kindern und Jugendlichen, bestätigt die Präsidentin.

Für ein Mädchen und ihre Mutter in der Reportage ist der einzige Ausweg ein Schulwechsel, um den rassistische Anfeindung zu entkommen. Traurig, erschütternd und keine echte Lösung, aber eben die Realität - auch an Schulen. Eine Lehrkraft hatte sogar solche Angst vor den Jugendlichen an ihrer Schule, dass sie sich auf der Schultoilette einsperren musste.

Weitere Informationen und Material zum Thema

Der VBE als BLLV-Dachverband hat bereits im November 2018 die Position „Haltung zählt: Bildung gegen jede Form von Extremismus“ verabschiedet. Hierin heißt es:

Der VBE steht uneingeschränkt zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Er akzeptiert Meinungen in der Breite des demokratischen Spektrums. Das impliziert, dass sich der VBE klar gegen Aussagen und Standpunkte außerhalb dieses Spektrums positioniert. Der VBE lehnt jede Form von Extremismus ab. In diesem Sinne bekennt er sich auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung:
• zu den im Grundgesetz verankerten Grundrechten,
• gegen jegliche Diskriminierung,
• zur historischen Verantwortung Deutschlands,
• gegen jede Form von Gewalt, sei es durch Tat, Planung, Aufruf oder Duldung.

Für den VBE sind Toleranz und Respekt gegenüber anderen sowie gewaltfreie Kommunikation elementare Grundlagen unserer Gesellschaft und Demokratie. Mit Besorgnis nehmen der VBE und seine Landesverbände eine zunehmende Verrohung der Sprache und der Umgangsformen bis hin zur Gewalt in Deutschland wahr. Wer Ängste schürt und Misstrauen sät, untergräbt die Grundfesten der Demokratie und ihrer Institutionen.

» Das BLLV-Manifest HALTUNG ZÄHLT

» Bericht über das Fachpodium "Demokratie beginnt in der Schule" beim dbb

» Demokratiepädagogik für die Grundschule: Die Broschüre "Demokratie Lernen von klein an!"


Simone Fleischmann im Wortlaut im Bericht der Tagesschau:

"Du hast früher mal ein Hakenkreuz gesehen. Und jetzt sind es Ausdrücke und Signale, die man öfter hört und die manchmal sehr unreflektiert verwendet werden."
 



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