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Simone Fleischmann zu Gast beim VBE NRW im Format "VBE im Gespräch" Startseite Topmeldung

Wir leben an den Schulen jeden Tag Demokratie vor!

Simone Fleischmann, BLLV-Präsidentin, stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende des VBE Bund über die gesellschaftlichen Herausforderungen im Bildungsbereich, die aktuelle Debattenkultur und den Wert von Bildungsqualität.

Die Herausforderungen im Bildungsbereich sind eng mit den gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden. Diese fordern Lehrkräfte in ihrem Job, aber auch als Individuen heraus. Sowohl im VBE - auf Bundes- sowie Länderebene - als auch beim dbb geht es damit um Antworten auf die großen Fragen. Was das betrifft, steckt in den Lehrerkollegien und in den Bildungsverbänden eine enorme Expertise, welche die BLLV-Präsidentin im bildungspolitischen Diskurs nicht missen möchte. Das Motto der vergangenen Landesdelegiertenversammlung des BLLV lautete deshalb: „Bildung kann’s. Wir können Bildung!"

In den Dialog kommen - die Grundlage für eine gesunde Debattenkultur

In Dialog zu treten und im Dialog zu bleiben scheint Simone Fleischmann in der aktuellen Situation – sei es mit Blick auf das Weltgeschehen oder hinsichtlich der innerpolitischen Entwicklungen – wichtiger denn je. Denn in den Dialog zu kommen bedeutet: zuhören, aufeinander eingehen, miteinander diskutieren und über den eigenen Tellerrand hinausschauen. Dialog bedeutet auch, Ansichten, die vielleicht nicht eins zu eins der eigenen Perspektive entsprechen, Raum einzuräumen und faktenbasiert über Inhalte zu diskutieren. Doch leider stellt auch die BLLV-Präsidentin fest, dass ein konstruktiver Austausch im gesellschaftlichen Miteinander immer schwieriger wird. Entweder ist man dafür oder dagegen. Es geht ums verbale Draufhauen statt um sachliche Argumente. Sich irgendwo zwischen den Polen extremer Meinungen zu positionieren wird für alle immer schwieriger. Simone Fleischmann ist der Meinung, dass es diesen Entwicklungen ganz dringend etwas entgegensetzen gilt. Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali sagte hierzu sehr passend: "Wenn der Dialog endet, können wir alle einpacken."

Talkshow-Wahnsinn

Simone Fleischmann ist nah dran an der öffentlichen Debatte und weiß: Beim Umgang der Politik mit der Presse scheuen sich politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger immer seltener vor Polemik. Sachliche Argumente geraten dabei oft in den Hintergrund und sie betont: Wenn Friedrich Merz beispielsweise in Talkshows arabische Kinder als "Paschas" bezeichnet oder sich um die Zahnarzttermine aller Migranten sorgt, hat das nichts mit einem konstruktiven Austausch zu echten Problemen zu tun.

Das gilt auch in Bayern. Ein konstruktiver Austausch über den gesellschaftlichen Wandel und dessen Herausforderungen ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn sich die BLLV-Präsidentin die Instagram-Kanäle der bayerischen Regierungsparteien anschaut, dann geht es auf diesen Profilen in erster Linie darum, gegen die Ampel zu schießen. Und das von Tag eins an, noch bevor der Koalitionsvertrag der Ampel unterzeichnet war. Und sie betont, dass sei natürlich das gute Recht konkurrierender Parteien, bringe die Sache aber nicht weiter.

Dominante Meinung statt sachlichem Diskurs

Sie merke, dass von dieser Entwicklung nicht ausschließlich das Verhalten von Kleinstparteien betroffen sei, betont Simone Fleischmann. Auch Politikerinnen und Politiker mit Regierungsverantwortung agieren so. Es gehe immer mehr darum, im Diskurs die dominantere Meinung zu vertreten und immer weniger um den sachlichen Austausch.

In einer demokratischen Gesellschaft müssen aber unterschiedliche Ansichten nebeneinanderher existieren dürfen – solange sie nicht unsere demokratischen Wertevorstellungen untergraben. Meinungsvielfalt ist genau das, was unsere Demokratie am Leben hält. Fleischmann frage sich aber immer öfters: Kommt unserer Gesellschaft zunehmend die Kommunikationsfähigkeit abhanden?

Schnelle und einfache Lösungen statt Demokratiebildung?

Der Wunsch nach simplen Lösungen in der Gesellschaft wird immer größer. Populistische Parteien verstehen es mit einfachen und unterkomplexen Antworten auf große gesellschaftliche Krisen und Fragestellungen zu reagieren. Damit setzten sie das demokratische Miteinander unter Druck. Und wenn die demokratische Gesellschaft unter Druck gerät, dann schließt das auch das Bildungswesen mit ein. Denn Schule ist kein abgeschlossener Raum. Im Gegenteil: Ganz besonders in der Schule machen sich gesellschaftliche Entwicklungen bemerkbar.

Häufig werden Lösungen für gesellschaftliche Schieflagen in der Schule gesucht. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, hat die Erwartungshaltung an Schule sehr präzise auf den Punkt gebracht. In seiner Rede zur Preisverleihung des Deutschen Schulpreises 2024 sagte er:

„Kaum eine andere Öffentliche Institution ist so sehr Adressat von gesellschaftlichen Heilserwartungen wie die Schule. Wo immer Defizite im gesellschaftlichen Miteinander registriert werden – ob beim Sozialverhalten von Kindern, Integration, Verständnis von Wirtschaft, Ernährungsfragen, Umweltbewusstsein, was immer Sie sich denken –, überall soll Schule Abhilfe leisten und das, was an anderen Orten der Gesellschaft versäumt wird, nachliefern.“

Kommunikationsfähigkeit ist die Vorraussetzung

Demokratiefähigkeit setzt in den Augen der BLLV-Präsidentin zuallererst Kommunikationsfähigkeit voraus. "Beides sind Kompetenzen, die wir den Kindern und Jugendlichen im Unterricht und Schulalltag mitgeben. Nur wenn wir die Kinder und Jugendlichen von Beginn an zu demokratischem Handeln befähigen, kann dem Rechtsruck und der Verrohung unserer Gesellschaft etwas entgegensetzt werden. Doch wir alle wissen auch, wie überstrapaziert die Lehrkräfte und das Bildungswesen sind – der Lehrkräftemangel wird uns noch einige Jahre begleiten."

Derzeit besorgt der Rechtsruck in Deutschland viele Bürgerinnen und Bürer. Die Zahl der gewaltvollen, antisemitischen Delikte ist in den letzten Jahren gestiegen. Der Zulauf zur AfD, deren Landesverbände Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden, ist enorm. Lehrerinnen und Lehrer und viele Pädagogen beobachten mit größter Sorge, wie sich die Stimmung, die Kommunikation auf den politischen Bühnen, in den sozialen Netzwerken und die alltäglichen Umgangsformen in unserer Gesellschaft verändern.

Klares Zeichen gegen den Rechtsruck in Deutschland

In den vergangenen Wochen sind in Deutschland tausende von Menschen auf die Straße gegangen und haben gegen das Erstarken des Rechtsextremismus in Deutschland demonstriert. Allein in NRW waren es mehrere zehntausend Demonstrantinnen und Demonstranten. Deutschlandweit waren es in den vergangenen Wochen sogar mehrere hunderttausend Menschen. "Ein starkes Zeichen. Vielleicht sogar 'zu stark' für die Gegenseite. Denn sie haben in den sozialen Medien Desinformationskampagnen gestartet. Lehrkräfte sehen sich zunehmenden mit dem Vorwurf der politischen Indoktrination konfrontiert. Wie so oft wird auf das Neutralitätsgebot der Lehrkräfte verwiesen, wenn es um politische Andersmeinungen geht. Doch wie neutral müssen Lehrkräfte eigentlich sein?", so Simone Fleischmann. Denn Lehrerinnen und Lehrer sind gemäß dem Beamtenstatusgesetz dazu verpflichtet, dem ganzen Volk zu dienen und sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen.

Demokratisches Engagement ist ausdrücklich erwünscht

So steht es auch in den Schulgesetzen. Für das Land NRW heißt es konkret: „Die Jugend soll erzogen werden im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen“.

"Wir sind also dazu verpflichtet, uns aktiv hinter die demokratischen Werte und Prinzipien zu stellen. Es ist Teil unserer Aufgaben, pluralistische und menschenrechtsorientierte Werte zu vermitteln. Das Schulministerium NRW hat dies in einem Schreiben sogar kürzlich nochmals bekräftigt: Demokratisches Engagement sei nicht verboten – sondern ausdrücklich erwünscht", bekräftigt Fleischmann.

Auch der Beutelsbacher Konsens schreibt den Lehrkräften kein Neutralitätsgebot vor. Dort wurde festgehalten, dass Dissens in Wissenschaft und Politik im Unterricht und im Bereich der politischen Bildung aufgegriffen und thematisiert werden soll. Lehrkräfte dürfen politische Meinungen äußern, solange sie rechtliche Rahmenbedingungen beachten und die freiheitlich demokratische Grundordnung respektieren. Es gibt klare Regeln für die pädagogische Praxis, die unter einem öffentlichen Auftrag steht.

"Und eine ganz zentrale Regel ist das Bekenntnis zur Demokratie und zu demokratischen Werten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht neutral. Wir sind Demokratinnen und Demokraten. Dazu sollten wir stehen und das sollte in Schule gelebt werden", ermutigt die BLLV-Präsidentin.

Manifest "Haltung zählt!"

Es ist zwar eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, sich für die Demokratie stark zu machen, die Schule nimmt hierbei jedoch eine zentrale Rolle ein. In der Schule sitzt die Gesellschaft von morgen. Lehrkräfte sind Vertrauenspersonen und haben eine Vorbildfunktion. "Wir dürfen nicht sprach- und tatenlos zusehen, wenn wir destruktive Umgangsformen in der Schule erleben. Demokratiefähigkeit bedeutet nämlich auch sich zu positionieren – Haltung einzunehmen, für unsere demokratischen Werte. Und genau deswegen hat der BLLV ein Manifest mit dem Titel „Haltung zählt“ verfasst", so Fleichmann.

Ganz konkret heißt es in dem Manifest: "Als besorgte Lehrerinnen und Lehrer appellieren wir an alle, unsere Gesellschaft vor Spaltung, Brutalität, Rücksichtslosigkeit und Radikalisierung zu schützen und so unsere Demokratie zu bewahren. Lassen wir uns nicht einschüchtern und setzen wir uns selbstbewusst und kompromisslos ein." Der VBE zählt zu den Erstunterzeichnern des Manifests. Ein starkes Zeichen!

Verfassungsviertelstunde als Lösung?

Die Demokratiefähigkeit setzt Kommunikationsfähigkeit voraus. Beides sind Kompetenzen, die Kindern und Jugendlichen im Unterricht und Schulalltag mitgeben werden. Nur wenn Kinder und Jugendlichen von Beginn an zu demokratischem Handeln befähigt werden, kann dem Rechtsruck und der Verrohung der Gesellschaft etwas entgegensetzt werden.

Auch die Regierungsparteien in Bayern sehen einen Handlungsbedarf hinsichtlich anti-demokratischer Entwicklungen in der Gesellschaft: Der Koalitionsvertrag von CSU und den Freien Wählern sieht eine wöchentliche Verfassungsviertelstunde vor. 15 Minuten pro Woche sollen dafür verwendet werden, um über die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz zu diskutieren. Ziel ist es, die Schulen als „Ort der Demokratie- und Wertevermittlung“ zu stärken.

"Schauen wir uns den Vorschlag einmal genauer an: Das Ziel – die Förderung der Demokratiebildung – ist absolut richtig. Bildung kann’s. Doch ist es mit einer Viertelstunde pro Woche bereits getan? Problem gelöst?", fragt die BLLV-Präsidentin.

Professionelle Wertebildung

In den Schulen spiegelt sich die Welt wider und Krisen und Konflikte kommen auch in den Klassenzimmern an. Natürlich greifen Lehrkräfte die großen gesellschaftlichen Spaltungen, die Radikalisierung und den Antisemitismus auf und stellen diese Themen in die Mitte des Unterrichts. Professionelle Wertebildung bedeutet jedoch, die Themen, die ohnehin im Klassenzimmer präsent sind, sensibel pädagogisch zu begleiten. Ein paar Beispiele:

1. Im Zuge des Klassenrats können gemeinsame Themen diskutiert werden, z. B. die Frage, ob es ins Skilager gehen soll oder doch lieber woanders hin.
2. Die Klassensprecherwahl und die Schulversammlung sind Möglichkeiten, in denen die Kinder sich aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen können.
3. Der Austausch mit Politikerinnen und Politikern oder mit Entscheidungsträgern vor Ort ist ebenso wertvoll. Wir müssen in den Dialog gehen, um Kinder und Jugendliche fit zu machen für eine immer komplexer werdende Welt, die sie selbstbestimmt, verantwortlich und werteorientiert gestalten können.

Das Beispiel der Verfassungsviertelstunde macht den Stellenwert guter Demokratiebildung deutlich. Es braucht Demokratiebildung, statt schnelle und zu kurz gedachte Schein-Lösungen. Deutlich werde aber auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort diejenigen sind, die wirklich Ahnung haben. "Wer ist denn heute verantwortlich für die Bildung in Deutschland, in Bayern, in NRW? Wer übernimmt die Verantwortung für eine zukunftsfähige Bildung von morgen? Und wer hat wirklich die Kompetenzen, um Bildungsprozesse zu planen und zu gestalten? Niemand in Deutschland leugnet heute den außerordentlich hohen Stellenwert von Bildung für jeden einzelnen Menschen und für die Gesellschaft. Was in einer modernen Gesellschaft dazugehört, liegt auf der Hand: Medienkompetenz, Demokratiepädagogik, ganzheitliche Bildung, sozial-emotionale Förderung, Bildungsgerechtigkeit und die Vermittlung grundlegender Kompetenzen", erläutert Simone Fleischmann weiter.

Genderverbot und Stundenkürzungen

Ministerpräsident Markus Söder hatte kürzlich in allen öffentlichen Einrichtungen – also auch in Schulen – ein Genderverbot gefordert. "Aber braucht es das wirklich?" fragt sich Simone Fleischmann. An den Schulen beschäftigen sich die Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen immer wieder mit Sprache und deren Wirkung. Ein Verbot mag auf den ersten Blick die vermeintlich einfache Lösung sein um Debatten um gendersensible Sprache abzukürzen. Bei dem Thema gehe es aber um weit mehr. Schülerinnen und Schüler, die sich als divers erleben, wollen dies auch sprachlich abbilden. Und bei dem Thema gibt es verschiedene Meinungen, Haltungen und Umgangsweisen – das ist vollkommen in Ordnung und biete eben Möglichkeiten zum Austausch.

Ein weiteres Beispiel ist die Reaktion auf die schwindenden Lesekompetenzen der Grundschüler. Auch wenn Bayern im deutschlandweiten Vergleich gut abschneidet, sind die Ergebnisse als solche nicht gut, sondern nur ein bisschen weniger schlecht. Es ist unbestreitbar, dass nach den PISA-Ergebnissen Veränderungen erforderlich sind. In Bayern soll es in den Jahrgangsstufen eins bis vier deswegen jeweils eine Stunde mehr Deutschunterricht geben. Und in den Jahrgangsstufen eins und vier auch noch je eine Stunde mehr Mathe. Die Stundenzahl insgesamt soll aber nicht steigen, die Schulen sollen flexibel umschichten können. Lobenswert ist zweifellos die Erweiterung der Stundentafel, um mehr Deutsch und Mathematik anzubieten.

Religion oder Englisch? Welches Fach entfällt?

Doch welches Fach solle dann im Stundenumfang gekürzt werden, fragt Fleischmann: "Religion? Doch nicht in Bayern! Sport? Nein, das brauchen die Schülerinnen und Schüler. Kunst vielleicht? Die Kernkompetenzen sind zweifelsohne wichtig. Ganzheitliche Bildung ist aber mehr als Mathe und Deutsch. Die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen ebenso wie die Förderung von Kreativität und kritischem Denken sind zentral für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Wir sehen: Auch hier wurde zu schnell gehandelt, zu wenig diskutiert. Die Diskussion findet jetzt statt – im Nachgang an die Ankündigung. Ich möchte mit den Beispielen zeigen, wie wichtig es ist, dass wir uns einmischen."

Der Deutsche Beamtenbund als wichtiger demokratischer Akteur in der Bildungspolitik

Demokratisches Handeln und das Einnehmen von Haltung im beruflichen Alltag, sei es im Lehrerkollegium oder im Austausch mit den Schülerinnen und Schüler, habe eine hohen gesellschaftlichen Wert, so Fleischamnn. Und weiter: "Aber auch außerhalb von Schule bringen viele von uns sich in das demokratische Miteinander ein. Zum Beispiel indem wir ein Ehrenamt ausüben oder uns in Verbänden engagieren. Der VBE ist hierfür meines Erachtens eine sehr gute Anlaufstelle."

Als stellvertretende Bundesvorsitzende nimmt Simone Fleischmann natürlich auch den Deutschen Beamtenbund in den Blick: "Der dbb steht als gewerkschaftlicher Dachverband fest hinter den rund 5 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst. Ganz besonders wichtig ist es mir dabei natürlich die Lehrerinnen und Lehrer und den Bildungssektor zu stärken. Dafür ist der dbb eine zentrale Interessenvertretung. Es ist wichtig, dass die Akteure im Bildungswesen die Wertschätzung erhalten, die sie verdient haben."

Vor kurzem sorgte Bildungsforscher und PISA-Testentwicklicher Prof. Dr. Andreas Schleicher, mit seiner Kritik an den Lehrkräften für Aufruhr. In der aktuellen PISA-Studie, die im Frühjahr 2022 erschien, hatten die deutschen Schülerinnen und Schüler das bisher schlechteste Ergebnis erzielt. Schleicher vertrat daraufhin die Ansicht, dass Lehrkräfte „Befehlsempfänger" seien und den Lehrberuf bezeichnete er als "intellektuell nicht anspruchsvoll". Ein Schlag unter die Gürtelline für all die Lehrkräfte, die sich tagtäglich für die Schülerinnen und Schüler abkämpfen. Der dbb hatte hier sofort reagiert und sich vor die Lehrerinnen und Lehrer gestellt. Der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach machte in einem medienwirksamen Statement deutlich:

"Diese realitätsferne Sichtweise wird uns nicht aus der Bildungsmisere helfen. Sie verkennt die erstklassige Arbeit, die die Kolleginnen und Kollegen Tag für Tag in den ihnen vorgegebenen Strukturen leisten. Um die Bildungsqualität in unserem Land nachhaltig zu verbessern, müssen entschiedene Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel ergriffen und angemessene Rahmenbedingungen für die Beschäftigten gewährleistet werden. Pauschale Kritik an einer gesamten Berufsgruppe bringt uns da nicht weiter"

Der Lehrkräftemangel wird auch die nächsten Jahre bleiben

Dass der Lehrkräftemangel alle Pädagoginnen und Pädagogen noch einige Zeit im Griff haben wird, ist für Fleischmann eine traurige Realität. Personalmangel in Bildungseinrichtungen sei eine ernsthafte Herausforderung, welche die Zukunftsfähigkeit des Lehrberufs beeinträchtigt. Die wachsende Bedeutung von Digitalisierung, Inklusion und Ganztagsbetreuung erfordere eine angemessene Anzahl qualifizierter Fachkräfte. Um diesen Engpass zu bewältigen, sei eine umfassende Fachkräfteoffensive erforderlich, die die Attraktivität der Berufe im Bildungs- und Erziehungsbereich steigere.

Multiprofessionelle Team seien eine von vielen Stellschrauben, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen. Sie sind notwendig, um den heterogenen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden und Bildungsgerechtigkeit zu fördern. Die Infrastruktur der Bildungseinrichtungen muss ebenfalls den modernen Anforderungen gerecht werden, einschließlich angemessener räumlicher Bedingungen, Gesundheitsschutzmaßnahmen und technologischer Ausstattung. Eine solide Infrastruktur ist entscheidend, um die persönliche Entwicklung der Schüler optimal zu unterstützen und sie auf ihre Zukunft vorzubereiten.

Die bildungspoltischen Herausforderungen meistern

Um bildungspolitische Herausforderungen wie die Fortführung des DigitalPakts oder die Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung zu bewältigen, bedarf es einer Neuausrichtung der Verantwortungsgemeinschaft zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dies erfordert eine verbesserte Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Dazu die BLLV-Präsidentin: "Es ist entscheidend, dass der Bund die Länder und Kommunen kontinuierlich finanziell unterstützt, ohne jedoch das föderale System zu untergraben.

Gute Bildungspolitik muss das pädagogische sowie didaktische Know-how der Lehrkräfte berücksichtigen und sie zu Rate ziehen. Gute Bildungspolitik braucht den Dialog und den Austausch mit den Expertinnen und Experten der pädagogischen Praxis, denn wir können Bildung. Und wir können Bildungspolitik. Als Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in einem Verband und als engagierte Lehrkräfte sollten wir deswegen unsere Expertenrolle ernst nehmen. Wir wissen ganz genau, was Schulen brauchen, um gute Bildung garantieren zu können.

Lassen Sie uns Zeit nehmen für kluge bildungspolitische Maßnahmen, statt Hauruck-Lösungen. Mischen wir uns ein, lassen sie uns nachfragen, lassen wir den Dialog nicht abreißen. Lassen sie uns auch mal streiten – sachlich und faktenbasiert. Machen wir uns gemeinsam stark für eine offene und demokratische Gesellschaft!"



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