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Schnellschuss leider daneben Startseite Topmeldung
Verbindliche Sprachtests

Sprachstandserhebungen: BLLV-Umfrage offenbart zahlreiche Schwächen in Umsetzung durch Kultusministerium

Für eine Pressekonferenz zu den Sprachstandserhebungen hat der BLLV eine Umfrage zu praktischer Umsetzung und Arbeitsaufwänden durchgeführt. Sie zeigt, dass der Schnellschuss des Kultusministeriums das Ziel verfehlt, wie auch zahlreiche Medien berichten.

Die Ankündigung kam per spontaner Ansage von ganz oben: In die Grundschule dürfen nur noch Kinder, die in einem Test ausreichende Sprachkenntnisse nachweisen können. Die Umsetzung durch das Kultusministerium erfolgte dann entsprechend im Schnellverfahren. Wohin das führt, hat der BLLV in seiner heutigen Pressekonferenz deutlich gemacht. 

Denn die Folgen dieser hektischen Umsetzung bekommen, die, die es nun durchführen müssen, deutlich zu spüren: das sind zunächst Beratungslehrkräfte und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, aber auch Schulleitungen und Verwaltungsangestellte kämpfen mit der Organisation und bürokratischen Auswüchsen. Das hat eine Umfrage deutlich gemacht, die der BLLV im Vorfeld durchgeführt hat. Die Ergebnisse sind weiter unten im Detail nachzulesen.

Mehr Bürokratie, weniger Pädagogik

Das Fazit von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fällt indes ernüchternd aus: „mehr Bürokratie und weniger Pädagogik!“ In der jetzigen Form sei die Sprachstandserhebung „Schnellschuss statt pädagogisch versierter und nachhaltig geplanter sinnvoller Implementierung“. Das bedeute „bürokratischen Irrsinn einerseits, diagnostischen Unsinn andererseits“, so Simone Fleischmann.

Dabei sei das Sicherstellen adäquater Sprachkenntnisse natürlich wirklich eminent wichtig für den Schulbeginn: „Es ist überhaupt kein Zweifel daran, dass es die zentrale Kompetenz ist, um die es geht, wenn wir um Schulfähigkeit sprechen“, sagt die BLLV-Präsidentin. Dabei müsse aber eben Förderung und nicht Diagnostik im Mittelpunkt stehen.

Angst verbreiten statt früh fördern?

Dafür ist die bereits stattfindende, aber wegen Personalmangels immer schwierigere Frühförderung entscheidend, betont Fleischmann: „Damit diese Kinder – und das ist unser großes Anliegen – Schule in der ersten Begegnung als etwas Freudvolles erleben, als einen wichtigen Schritt in ihrem Leben. Wir haben immer schon Schulspiele gemacht, immer schon Eingangsdiagnostik. Was wir jetzt mit diesen zusätzlichen Tests machen, nimmt aber den Kindern womöglich genau diese Freude!“

Daher sei es entscheidend, dass das Kultusministerium die Mängel, die der BLLV im Zusammenhang mit den Sprachstandstests aufzeigt, im weiteren Verlauf behebt und zudem Rahmenbedingungen für effiziente Frühförderung schafft.

Wie diese Mängel im Detail aussehen, welche Probleme in der Praxis auftreten, wie verunsichert Eltern und Kinder mitunter sind, welche bürokratischen Auswüchse sich zeigen und wie stark die zusätzlichen Aufwände ohne adäquaten Ausgleich für das ohnehin stark belastete Personal sind, zeigt die Umfrage des BLLV.

Weitere Details und Informationen wird der BLLV zudem am 8. April in einer Pressemitteilung bereitstellen.
 

Die Ergebnisse der BLLV-Umfrage zu Sprachstandserhebungen

Infos zur Umfrage

  • Befragungszeitraum: 14. März bis zum 02. April 2025
  • Zu berücksichtigen ist, dass die Testungen zum Zeitpunkt der Befragung laut den Befragten zu 90 % noch nicht abgeschlossen waren
  • Erhebung per Online-Fragebogen durchgeführt

Wer hat an der Umfrage teilgenommen?

  • Insgesamt haben 273 Personen an der Befragung aus allen Bezirken Bayerns teilgenommen
  • Davon 211 Beratungslehrkräfte (entspricht 77 % an allen Befragten) 
    und 62 Schulpsycholog*innen (entspricht 23 % an allen Befragten)

Anteil der Teilnehmenden nach Funktion und Stammschule


Allgemeine Informationen und Zeitaufwand für Sprachstandserhebungen

  • Im Median testet eine Lehrkraft rund 59 Kinder
    - in manchen Bezirken sogar bis zu 80 pro Lehrkraft (Mittelfranken)
     
  • Insgesamt wurden über 13.000 Stunden aufgewendet
    • davon über 8.300 Stunden reine Testzeit
    • zusätzlich kamen fast 4.800 Stunden für Vorbereitung, Schulung, Terminvereinbarung und weiter Organisation hinzu
       
  • Eine Lehrkraft benötigt im Schnitt 43 Minuten pro zu testendes Kind, für eine vollständige Testung (inkl. Organisation, Vorbereitung)
     
  • Insgesamt wurden von den Befragten nach eigenen Schätzungen rund 18.510 Kinder getestet 
     
  • Die befragten Lehrkräfte mussten im Durchschnitt rund 11 Ersatztermine zusätzlich zu den regulären Testungen vergeben
     
  • Für diese Testungen erhalten 39% Beratungslehrkräfte und 68% der Schulpsycholog*innen keine einzige Anrechnungsstunde
    • Diejenigen, die Anrechnungsstunden für Testungen erhalten haben, haben im Schnitt rund eine Anrechnungsstunde pro Woche erhalten
       
  • Rund 96 % der Befragten geben jedoch an, dass sie neben möglicher Anrechnungsstunden keinerlei weitere Honorierungen wie z.B. Leistungsprämie erhalten haben

Die über 13.000 aufgewendeten Stunden, die die Befragten nach eigenen Angaben schätzungsweise für die Testungen benötigten, entsprechen der Jahresarbeitszeit von 12 Grundschullehrkräften in Vollzeit – bezogen allein auf deren Unterrichtsverpflichtung von 28 Unterrichtsstunden bei 39 Schulwochen.

O-Ton einer befragten Person zu den mangelnden zeitlichen Ressourcen:
„Leider habe ich trotz der vielen Stunden keine extra Anrechnungsstunde für die Sprachstandserhebungen erhalten. Neben meiner Vollzeitstelle als Lehrkraft konnte ich in diesen Wochen keine andere Beratung, Elterngespräche etc. durchführen, da meine Ressourcen zeitlich mehr als ausgeschöpft waren. Außerdem ist es schwierig kurz vor dem Übertritt (Elterngespräche) und der Schuleinschreibung sowie dem Schulspiel noch Sprachstandserhebungen durchzuführen.“

Wann wurden die Sprachstandserhebungen durchgeführt?

  • Die Daten zeigen deutlich, dass die reguläre Beratungszeit nicht ausreicht, um die benötigte Zeit für die Sprachstandserhebungen abzudecken
    • 90 % der Befragten geben an, dass sie die Testungen nicht in ihrer regulären Beratungszeit durchführen konnten, sondern dies in ihrer Unterrichtszeit oder sogar darüber hinaus in ihrer Freizeit erledigten. 
       

Die Ergebnisse belegen, dass der Anspruch einer systematischen Sprachdiagnostik derzeit auf dem Rücken der Beratungslehrkräfte und Schulpsycholog*innen ausgetragen wird 
zeitlich, strukturell und in weiten Teilen unentgolten.
 

Technische Aspekte und Erfahrungen mit EddiPuls

  • 97 % der Befragten geben an, dass das Programm EddiPuls sehr bzw. eher zuverlässig funktioniert hat
     
  • Im offenen Antwortfeld wurden falls es Schwierigkeiten mit dem Programm gab, die folgenden Probleme benannt:
    • Einige Male ließ sich das Ergebnis nicht übermitteln. Das führte dazu, dass die Daten der SuS neu eingegeben werden mussten
    • Administratoren hatten teils Schwierigkeiten mit der Anmeldung zum Portal für Lehrkräfte
    • War man zu lange nicht aktiv (ca. 2h), dann wurde man aus dem Programm ausgeloggt
    • Bilder der Test waren beim draufdrücken verwackelt 


Haben Sie Vorschläge zur Verbesserung der Sprachstandserhebungen?

  • Verlängerung des Testzeitraums
    (z. B. Beginn im Januar, Durchführung über längeren Zeitraum)
     
  • Mehr Vorlaufzeit für Terminplanung, Elterninformation & Organisation
     
  • Bessere Koordination mit anderen schulischen Verpflichtungen
    (z. B. nicht zeitgleich mit Schuleinschreibung, Schulspiel Lernentwicklungsgesprächen)
     
  • Terminverwaltung sollte digitalisiert werden
     
  • Kommunikation mit Eltern sollte vereinfacht werden, um Missverständnisse zu vermeiden:
    kein Juristendeutsch in Briefen,
    Kontaktdaten bspw. für Terminverschiebung sollten hinterlegt werden
     
  • Besserer Austausch zwischen Kindergärten und Schulen gewünscht
     
  • Nur diejenigen Kinder testen, die nicht in den Kindergarten gehen, da Kindergartenkinder über Sprachstandsbeobachtungen erfasst werden können 
     


FAQs des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus:
>> “Sprachstandserhebung vor der Einschulung”
 

Medienberichte





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