Der BLLV begrüßt grundsätzlich das Ziel, die sprachliche Förderung von Kindern vor der Einschulung zu verbessern, auch damit alle Kinder möglichst gute Chancen im Bildungssystem haben. Mit der „Hopplahopp-Einführung“ von verpflichtenden Sprachstandstests stellen sich aus Sicht der Fachgruppe Schulberatung jedoch auch zahlreiche Fragen, auf die es im Moment noch keine guten Antworten gibt.
Wichtige ungeklärte Fragen
Erstens: Wer soll die vielen Kinder fördern, die nach dem Sprachstandstest noch Förderbedarf haben? Schon jetzt ist das Personal knapp, sowohl in den Kindertagesstätten als auch in den Schulen. Die Tests werden aber weiteres Personal binden, das dann für die Förderung fehlt. Zumal eine gute Sprachförderung auch nicht „nebenbei“ gemacht wird, sondern geschultes Fachpersonal braucht, das die Stärken und Schwächen des einzelnen Kindes erkennt und passgenau dort ansetzt, wo das Kind Bedarf hat.
Zweite Frage: In welcher Form werden Beratungslehrkräfte für die Sprachstandstests herangezogen? Unbestritten ist, dass sie über das richtige diagnostische Know-How verfügen. Neben der Kompetenz brauchen diese Kolleginnen und Kollegen aber auch die nötige Zeit dafür. In manchen Bezirken wurde dazu noch gar keine Regelung gefunden. Teils wurden Beratungslehrkräfte gebeten, für die Sprachtests „aufzustocken“ – also ihre Arbeitszeit zu erhöhen. An anderer Stelle wurden manchen Kolleginnen und Kollegen Anrechnungsstunden für diese Tätigkeit zugewiesen, anderen aber nicht. Wir sehen: Es herrscht keinerlei Klarheit, welche Beratungslehrkraft mit welchen Ressourcen für Sprachstandstests eingesetzt werden wird. Nebenbei bemerkt: Das vorgesehene Instrument zur Diagnostik ist noch nicht einmal fertig, es wird gerade eben erst an einzelnen Schulen erprobt.
Wie, wo und von wem?
Die dritte Frage lautet: Wie vernetzen sich die beteiligten Einrichtungen sinnvoll? In Kindertagesstätten werden Sprachstandstests gemacht, am Gesundheitsamt müssen alle Kinder zur Schuleingangsuntersuchung vorgestellt werden und die Schulen sollen bei manchen Kindern dann auch den Sprachstand erheben. Wie kann hier eine sinnvolle Vernetzung erfolgen, die dem Bedarf des Kindes gerecht wird, doppelte und dreifache Testungen verhindert, den Datenschutz berücksichtigt und den Arbeitsaufwand für die beteiligten Einrichtungen im Blick hat?
Bleibt die wichtigste Frage: Wie kann garantiert werden, dass die Sprachstandstests auch zu mehr Sprachkompetenz der Kinder führen? Viele Kinder in Bayern besuchen keine Kindertagesstätte. Die Ressourcen für Vorkurse, in denen besonders diese Kinder vor der Einschulung nach dem neuen Gesetz gefördert werden sollen, sind noch nicht gesichert. Wo soll das Personal dafür herkommen? Und was bringt dann die Erkenntnis aus dem Sprachstandstest? Das Testen wird zu einem teueren Feigenblatt, wenn sich keine passgenaue Förderung anschließt. Wahrlich keine neue Erkenntnis.
Pädagoginnen und Pädagogen werden es mit viel Kraft richten müssen
Selbstverständlich werden wieder viele Pädagoginnen und Pädagogen ihr Bestes geben und sich auch rund um die Sprachstandstests engagieren. Selbstverständlich werden auch viele wieder mitwirken, um aus den unausgegorenen politischen Plänen irgendwie das Beste zu machen. Aber unendliche Kräfte haben auch die engagiertesten Pädagoginnen und Pädagogen nicht.
Die Kultusministerin selbst konstatierte in einem Gespräch über die Einführung der Sprachstandstests: „Es wird ruckeln!“ Sie wird wohl recht behalten.