Die Bewertungen der Medien könnten unterschiedlicher nicht sein, wie die Beispiele aus der SZ und dem Münchner Merkur zeigen.
Die Bewertungen der Medien könnten unterschiedlicher nicht sein, wie die Beispiele aus der SZ und dem Münchner Merkur zeigen.
Die Strukturdiskussion ist eröffnet Startseite Topmeldung
Bildungsgerechtigkeit Diversität

Was bedeuten die Ergebnisse der aktuellen ifo-Studie wirklich?

Die ifo-Studie zu ungleichen Bildungschancen stellt Bayern schlechte Noten aus. Viele mahnen jetzt mehr Bildungsgerechtigkeit an und verorten die Probleme in der Schulstruktur. Andere relativieren: In Bayern sei ja doch alles anders!

Die Analyse der Ifo-Studie „Ungleiche Bildungschancen: Ein Blick in die Bundesländer“ vom 14. Mai ist klar: Bayern ist Schlusslicht in der Bildungsgerechtigkeit. Festgemacht wird das unter anderem an der Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs für Kinder mit einem vergleichsweise niedrigen sozioökonomischen Status. Bayern ist hier klares Schlusslicht. Nur 20,1 Prozent der entsprechenden Kinder besuchen ein Gymnasium. In Berlin sind es 37,1 Prozent. Das lässt sich jetzt nur schwer wegdiskutieren, oder?

Klare Haltung für Bildungsgerechtigkeit

Während jetzt zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung titelt „Bayern gibt seinen Schülern zu wenige Chancen“ (SZ Plus) oder der BR meldet „Bildungserfolg hängt von der Herkunft der Eltern ab“, sehen andere eine Verzerrung der Diskussion. Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz zeigte sich schnell verärgert von den Interpretationen, denn „Die einseitige Betrachtungsweise der ifo-Studie, Chancengerechtigkeit einzig und allein an den Besuchsquoten des Gymnasiums festzumachen“ sei mehr als fragwürdig.

Und auch der Münchner Merkur stellte in der Ausgabe vom 14. Mai (Print) und im zugehörigen Kommentar fest, dass ja doch alles anders sei, denn diese „Schulstudie zum Vergessen“ sei ein Ärgernis. Schließlich sei Bildungserfolg nicht gleichzusetzen mit dem Besuch des Gymnasiums und es werde nicht berücksichtigt, dass in Bayern schließlich auch viele auf die Realschule gehen – die es übrigens so nur in Bayern gibt. Da stellt sich dann laut Münchner Merkur die Frage, ob denn Realschülerinnen und Realschüler grundsätzlich eine schlechte Schule gewählt hätten. Außerdem gebe es ja noch den dritten Bildungsweg um später über FOS oder BOS noch das Abitur zu erreichen.

Worum geht es jetzt eigentlich?

BLLV-Präsidentin Simone stellt klar: „Natürlich ist der Besuch des Gymnasiums nicht gleichzusetzen mit Bildungserfolg. Und natürlich muss nicht jedes Kind aufs Gymnasium gehen. Aber das geht doch völlig am Kern der Diskussion vorbei: Es geht darum, dass der Besuch einer weiterführenden Schule nicht vom Wunsch der Kinder, oder ihren spezifischen Fähigkeiten oder Interessen abhängt – die übrigens nach der vierten Klasse weder ausgereift sind noch mit einer Momentaufnahme von drei Noten beurteilt werden können. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Ein längerer gemeinsamer Schulbesuch und eine Abkehr vom ‘Grundschulabitur‘ nach der vierten Klasse führen zu mehr Bildungsgerechtigkeit und sie führen dazu, dass die Kinder mehr Zeit haben ihre Kompetenzen zu entwickeln.“

Genau das stellt nämlich auch die ifo-Studie fest, nämlich dass „Schulsysteme, in denen die Schulkinder erst später auf weiterführende Schularten aufgeteilt werden, systematisch eine höhere Chancengleichheit aufweisen“. Ein Punkt, den auch Ludger Wößmann, Bildungsexperte am ifo-Institut, in einem Artikel von BR online betont (siehe auch unten). Das wird auch von Bildungswissenschaftlern wie Andreas Hartinger von der Uni Augsburg – ebenfalls zitiert vom BR – immer wieder bestätigt. "Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich auch ganz klar der Meinung, dass es sehr sinnvoll wäre, nicht in einem Alter von 9 Jahren zu entscheiden, in welche Bildungsrichtung die Kinder gehen sollen. Die prognostische Die prognostische Validität ist definitiv gering, [bei Kindern] mit 9 Jahren zu entscheiden, ob jemand mit 17, 18 Jahren geeignet ist, ein Studium zu machen oder nicht.“

Es geht um Bildungsgerechtigkeit, Haltung und Förderung!

Genau deswegen geht es laut Simone Fleischmann jetzt nicht darum zu diskutieren, ob das Gymnasium mit Bildungserfolg gleichzusetzen ist oder ob die Kinder die Möglichkeit haben, später auf die BOS oder FOS zu gehen. Es geht um Förderung, es geht um Zeit für Bildung und es geht darum, mutig und mit klarer Haltung in die Strukturdiskussion zu gehen. In ihrem Statement vom 13. Mai sagt die BLLV-Präsidentin deshalb ganz klar: „Wir wissen, dass der Übertritt auf die weiterführenden Schulen bei vielen Kindern für immensen Druck sorgt. Und wir wissen auch: Bildung braucht Zeit! Jetzt braucht es eine mutige Politik, die sich traut neue Wege zu gehen für bessere Bildungschancen in Bayern."