Ein Jahr lang hat die SZ Beate Irle begleitet an der Grundschule in Rohrdorf im Alpenvorland – im alltäglichen Kampf gegen Lehrkräftemangel und Stundenausfälle, aber auch bei allen schönen und erfüllenden Aufgaben und Momenten. Das Porträt und der Rückblick, die Anfang September in der SZ erschienen, waren sicher auch wegen dieser langen Entstehung sehr nah und persönlich. Und auch die Bilder, die vor Ort entstanden, geben einen intensiven atmosphärischen Eindruck. Die ganze Tragweite der Emotionen, der langen Verantwortung, der intensiven Beziehungen, der vielen Erfolge und der vielen Enttäuschungen können sie trotzdem nicht wiedergeben.
Denn natürlich geht es dabei um Abschied. Um den letzten Schultag von Beate Irles Leben. Weil sie lange im BLLV für bessere Bildung und Bildungsgerechtigkeit gekämpft hat, geht es natürlich auch um das deutsche Schulsystem – um das, was sich verändert hat, um das, was schiefläuft und darum, wie Beate Irle und das Kollegium immer versucht haben, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Denn die ehemalige Rektorin hat es sich nie leicht gemacht und immer viel gegeben für ihre Ziele - nicht zuletzt als Kreisvorsitzende des BLLV in Rosenheim.
Ein lebenslanger Einsatz für die Bildung
Wie schwierig es oft war, Zeit für das Wichtige zu finden, ließt man ganz deutlich im Text der SZ. Zum Beispiel dann, wenn es um die Themen geht, die Beate Irle in den letzten Tagen an der Schule beschäftigt haben: Vertretungen, Projekttage, Übergaben - bürokratische Arbeit eben, die man als Schulleiterin erfüllen muss und die man oft alleine machen muss. Aber man kann es schlechter treffen als an der Grundschule in Rohrdorf - mit einem Blick in die Alpen und einem ansehnlichen Schulgebäude für 234 Schüler:innen und 19 Lehrkräfte.
Trotzdem sieht es zu dem Zeitpunkt, an dem die Reportage in der SZ erscheint, nicht gut aus mit einer Nachfolge für Beate Irle. Der Lehrkräftemangel schlägt besonders bei den Schulleitungen zu, bei denen viele Herausforderungen verstärkt aufschlagen: Integration, Digitalisierung, Schulkonflikte, Ressourcenmangel, Stress. Dabei erinnert sich Renate Irle noch gut an die inzwischen ferne Zeit der "Lehrerschwemme". Sie selbst stand drei Jahre auf einer Warteliste, bis sie eine Stelle bekommen hat. Aber diese Zeit ist lange vorbei und bis zuletzt musste auch Beate Irle oft genug als Lehrerin aushelfen und einspringen - bei Enpässen und Krankheitsfällen. Und das ganz nebenbei zu den vielen anderen Aufgaben.
Einfach war es an der Schule schon lange nicht mehr
Auch deswegen haben sie die Ergebnisse der letzten PISA Studie nicht überrascht. Es bräuchte an den Schulen von so Vielem einfach mehr. Und auch die Eltern haben oft nicht mehr die Zeit und die Ruhe für Dinge wie Vorlesen oder bei den Schulaufgaben helfen. Sie sagt aber auch ganz klar: „Schule kann nicht alles gleichzeitig fördern und leisten, was sonst zu kurz kommt.“
Wie es heute an den Schulen aussieht verschweigt die SZ nicht, auch wenn in Rohrdorf bislang noch alle Stellen mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern besetzt werden können. Eine Theater-AG, einen Computerklub oder einen Chor wie früher gibt es allerdings auch hier nicht mehr. Es reicht gerade für die "Pflicht" - kein Platz für die "Kür" die so wichtig wäre für die Kinder. Trotzdem ging Beate Irle immer gerne in "Ihre" Schule, mit der sie so viele Erinnerungen verbindet und in deren Umfeld sie so viele Menschen kennt - vor allem auch viele, die sie selbt in all den Jahren unterrichtet hat.
Das Unverständnis für manche Entscheidungen der Bildungspolitik bleibt
Das Unverständnis gegenüber der Politik ist trotzdem da bei Beate Irle - vor allem wegen des Lehrkräftemangels. Warum wird nicht mehr ausgebildet? Warum wird nicht mehr eingestellt? Warum wird nichts getan, um den Beruf attraktiver zu machen und mehr Junge Menschen an die Schulen zu holen? Die SZ steigt in ihrem Artikel durchaus ein auf das Thema und wirft auch einen Blick auf die Lehrerbedarfsprognose und die Pläne von Kultusministerin Anna Stolz. Auch die vielen vermeintlich "schnellen" Lösungen der letzten Jahre kommen zur Sprache: größere Klassen, Teilzeit der Lehrkräfte einschränken? Auch die SZ weiß, dass das den Beruf nicht attraktiver und die Bildung nicht gerade besser macht.
Beate Irle wird das ab sofort nicht mehr direkt betreffen. Sie verlässt die Schule, plant in die Zukunft und denkt natürlich auch an Urlaube, die so bisher nicht möglich waren. Aber die Schule und ihre Themen verlassen Beate Irle natürlich nicht so einfach, wie sie selbst auch in ihrem untenstehenden Kommentar schreibt.