Interview zu Schule in Italien Startseite
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Große Angst vor Ansteckungsgefahr mit Covid-19

Enge Klassenzimmer und begrenzte digitale Mittel: Die Lehrervertreterin Rossella Benedetti schildert im Interview mit BLLV-Vizepräsident Tomi Neckov, wie sie Schule im vom Coronavirus gebeutelten Italien erlebt.

Tomi Neckov, 2. BLLV-Vizepräsident und stellv. Bundesvorsitzender des VBE: Die Grundschulen in Italien haben im Norden teilweise schon Ende Februar geschlossen und werden auch bis zu den Sommerferien geschlossen gehalten. Deswegen haben die italienischen Lehrkräfte über einen sehr langen Zeitraum Erfahrungen mit Schule in Zeiten von Corona. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Rossella Benedetti, UIL SCUOLA RUA (ital. Arbeitervertretung für Schulen): Ja, die Kindergärten und Grundschulen sind aktuell immer noch geschlossen. Die Grundschulen lernen über Fernunterricht. Hier gibt es große Probleme, weil der shut-down so schnell gekommen ist, dass der größte Teil der Lehrer sich nicht darauf einstellen konnten und oft überfordert waren. Dem digitalen Unterricht wurde in Italien bis zum Ausbruch der Pandemie kaum Beachtung geschenkt.

Den italienischen Lehrern wurde schnell klar, dass der Fernunterricht einen ganz anderen Aufwand mit sich bringt. Wir Lehrer hatten keine Möglichkeit uns für den Fernunterricht aus- oder fortzubilden und wurden vom Staat auch nicht unterstützt. Die italienischen Lehrer wünschen sich daher Live-Unterricht und wir als italienische Lehrergewerkschaft vertreten die Meinung, dass der Fernunterricht nur eingesetzt werden sollte, wenn es sonst wirklich keine anderen Lösungen gibt.

Haben italienische Lehrer Angst vor Covid-19? 
Die Lehrer haben sehr große Angst vor der Ansteckungsgefahr mit Covid-19, weil unsere Klassenzimmer sehr klein und zu eng sind. Jede Schule bekommt nun durchschnittlich 60.000 Euro zur Verfügung gestellt, um entsprechende Schutzmaßnahmen für den Schulstart im September zu installieren. Dazu gehört die Anschaffung von Desinfektionsmitteln, Masken, aber vor allem auch die Anmietung von Räumlichkeiten um den Abstand von 1,5 Metern zu wahren.

Das Ministerium meint, wenn die Räume groß genug sind, dann können trotz Covid-19 auch wieder alle Schüler in nur einer Klasse unterrichtet werden. Sollten manche Schulen keine geeigneten Räumlichkeiten finden, möchte die Regierung Schichtbetrieb einführen, was aber bedeuten würde, dass die Lehrer Mehrarbeit leisten müssen oder mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssten.

Kann Italien denn so schnell neue Lehrkräfte finden?
Lehrkräfte sind grundsätzlich vorhanden, wir sprechen von „Pre Calculus teacher“, das sind freiberufliche Lehrkräfte, die für benötigte Schulfächer eingekauft werden können. Aber die Regierung will kein Geld ausgeben. Grundsätzlich hat die italienische Regierung zu wenig in die Ausbildung investiert, jetzt könnten sie mehr investieren, aber da kommt einfach nichts.

Nochmals Thema Homeschooling. Wie ist es bei den Eltern angekommen?
Viele Eltern waren sehr kooperativ, einige Eltern wollten unbedingt, dass die Lehrer die Kinder ganztägig per Videokonferenz unterrichten und betreuen. Naja. Aber viele Haushalte haben sowieso zu wenige Endgeräte, um sie ihren Kindern zur Verfügung zu stellen.

Haben denn die Lehrer ein Endgerät?
Nein, als die Schule geschlossen worden sind, war es selbst für das Ministerium eine große Überraschung, dass einige Lehrer gar kein Endgerät besitzen und im besten Fall ein Smartphone haben. Das ist natürlich ein großes Problem, wenn digitaler Unterricht stattfinden soll. Immerhin hat das Ministerium jetzt circa 60 Millionen Euro für die Hardware an den Schulen, Lehrer und Studenten investiert.

Was wünschen Sie sich von der italienischen Politik?
Mehr finanzielle Unterstützung, neue moderne Gebäude für die Schulen, mehr Ausbildung und Weiterentwicklung für Lehrer und vor allem auch eine stärkere Einbeziehung der Basis.

Vielen Dank für das Gespräch. Bleiben Sie gesund.

Das Interview führte Tomi Neckov, 2. BLLV-Vizepräsident und stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE.

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