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BLLV zur aktuellen Inklusionsstudie Themen
Multiprofessionalität Supervision Sonderpädagogik Fortbildung

Inklusion muss endlich professionelle Realität werden. Absichtserklärungen reichen nicht, es geht um Taten!

Die Ergebnisse einer forsa-Befragung sind alarmierend: Weil es an allem fehlt, leiden Kinder, Eltern und Lehrer. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert ein Ende der Sonntagsreden.

München - Wie eine aktuelle forsa-Befragung unter Lehrkräften zeigt, lassen die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Inklusion an Bayerns Schulen zu wünschen übrig. „Für Kinder die dringend Unterstützung brauchen, stehen die Chancen immer noch schlecht. Es braucht mehr als ein, durch Gesetz verordnetes, gequältes 'Ja' zur Inklusion. Es braucht Begeisterung und es braucht die notwendigen Voraussetzungen, um Inklusion zur gelebten, professionellen Realität werden zu lassen“, so die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann. Auch elf Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention, ist die Situation an Bayerns Schulen gespalten: Es fehlt an Zeit, Personal und Geld. „Kinder, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer müssen nun ausbaden, was die Politik versäumt hat. Das führt zu Widerständen. Die Verbitterung ist seit Jahren groß. Und das darf nicht sein, denn inklusives Lernen ist eigentlich so bereichernd“, so Fleischmann.

Personelle Unterstützung oftmals kaum vorhanden, dafür große Klassen und zu wenig Zeit

Bei der Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) wurden deutschlandweit 2.127 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland befragt, darunter 506 in Bayern. Die Ergebnisse zeigen klar: Die Mehrheit ist für eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Allerdings ist die notwendige personelle Unterstützung oftmals kaum vorhanden. 93% der befragten Lehrerinnen und Lehrer in Bayern sind der Meinung, dass es in inklusiven Schulklassen eine Doppelbesetzung aus Lehrkraft und Sonderpädagoge geben sollte. Nur in 19% ist dies auch der Fall. Dazu kommt, dass es meist zu große Klassen und zu wenig Zeit zur professionellen Vor- und Nachbereitung gibt. Lehrkräfte in Bayern, die an Schulen mit inklusiven Lerngruppen unterrichten, geben die Zahl der Kinder in diesen Gruppen im Durchschnitt mit 21 Kindern an (im Bundesgebiet insgesamt sind es demgegenüber 19 Kinder pro Klasse). 82 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in Bayern, die an Schulen mit inklusiven Lerngruppen unterrichten, geben an, dass die Lehrkräfte nur wenige Wochen (55 %) oder noch weniger (27 %) Zeit hatten, um sich auf das inklusive Unterrichten vorzubereiten.

„Es ist für mich wenig überraschend, wenn der überwiegende Teil der befragten Lehrerinnen und Lehrer aus Bayern Kritik an den Voraussetzungen für die Umsetzung von Inklusion übt. Wer Inklusion will, muss auch dafür sorgen, dass es die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen gibt. Am meisten leiden darunter die betroffenen Kinder. Echte Inklusion braucht Schulen, die personell, finanziell und räumlich angemessen ausgestattet sind“, so die BLLV-Präsidentin.

Austausch außerhalb institutionalisierter Strukturen und der Arbeitszeiten oft nicht möglich – Belastungen hoch

Nur an 23 Prozent der Schulen mit inklusiven Lerngruppen in Bayern, in denen ein Austausch zu den Herausforderungen inklusiven Unterrichts stattfindet, findet dieser in institutionalisierten Koordinationsstrukturen statt. Nur in 12 Prozent der Fälle gibt es für diesen Austausch feste Zeiten innerhalb der Arbeitszeit. 25 Prozent der bayerischen Lehrkräfte an Schulen mit inklusiven Lerngruppen geben an, dass es an ihrer Schule Maßnahmen zur Unterstützung bei der Bewältigung von möglichen physischen oder psychischen Belastungen durch die inklusive Unterrichtung gibt. Unverändert gut drei Viertel (72 %) steht keine Unterstützungsmaßnahmen bei Belastungen durch die Inklusion zur Verfügung.

„Die Diskrepanz zwischen dem Stellenwert, den Politik der schulischen Inklusion in Sonntagsreden einräumt, und den Ressourcen, die sie tatsächlich bereit ist, für eine gelingende Inklusion zur Verfügung zu stellen, bleibt groß. Deshalb können die Schulen ihren Inklusionsauftrag unter den gegebenen Rahmenbedingungen nach wie vor nicht erfüllen. Die Lehrkräfte werden ohne angemessene Vorbereitung in die neue Situation gebracht. Das ist nicht nur unfair gegenüber den Lehrkräften, sondern genauso gegenüber den Kindern, insbesondere gegenüber denjenigen, die auf besondere Fördermethoden angewiesen sind“, kommentiert auch der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, die Ergebnisse der forsa-Umfrage.

BLLV und der VBE wiederholen ihre gemeinsamen Forderungen, die seit Jahren im Raum stehen:

  • Doppelbesetzung aus Lehrkraft und Sonderpädagoge
  • Unterstützung durch multiprofessionelle Teams
  • Schulbauliche Voraussetzungen
  • Kleinere Klassen
  • Bessere Vorbereitung und Begleitung durch angemessene Aus-, Fort- und Weiterbildung (v.a. Supervision)


Das forsa-Institut hat im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) nach den Befragungen im Jahr 2015 und im Frühjahr 2017 erneut eine bundesweite Repräsentativbefragung unter Lehrerinnen und Lehrern an allgemeinbildenden Schulen durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchung wurden bundesweit insgesamt 2.127 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland (darunter 506 in Bayern) befragt. Die Erhebung wurde vom 11. September bis 12. Oktober 2020 durchgeführt. Mehr Ergebnisse unter: www.bllv.de
 

Mehr Informationen

forsa-Befragung zeigt Schwachstellen beim gemeinsamen Lernen: Baustelle Inklusion

BLLV-Themenseite: Inklusion

Schulbegleitung, Unterstützungmöglichkeiten, Nachteilsausgleich: Antworten auf häufige Fragen zur Inklusion

VBE zur Umfrage: Pressemitteilung