Experteninterview

Lärm im Klassenzimmer

Schülerlärm ist schlimmer als Straßenverkehr: Lärm macht krank und belastet Lehrer*innen und Schüler*innen gleichermaßen. Das muss aber nicht sein. Im Interview erklärt Diplom-Ingenieur Peter Hammelbacher*, was man baulich und rechtlich unternehmen kann.

Herr Hammelbacher, was ist schlimmer: Straßenlärm oder laute Schüler*innen?

Peter Hammelbacher: Lärm von Schülern, weil er Sprachanteile enthält. Unser Gehirn ist darauf trainiert, aus einem Lärmteppich den Sprachanteil herauszufiltern. Somit lenkt Sprachlärm deutlich mehr ab als Verkehrslärm, Windgeräusche oder auch Wasserrauschen.

Wie beeinträchtigt Lärm Pädagog*innen?
Lehrkräfte sind mittags heiser, lärmsensibel, brauchen eine lange Erholungsphase und haben vielleicht sogar Bluthochdruck.

Und Schüler*innen?
Sie werden aufmüpfiger, können sich schlechter konzentrieren und die Noten fallen schlechter aus. Zum Teil geht es ihnen auch körperlich schlecht. Ein Extremfall: Ein Grundschüler musste sich sogar regelmäßig übergeben, wenn er von der Schule nach Hause kam. Schuld war der Lärm. Wenn das bei vielen Kindern vorgekommen wäre, wäre politisch vielleicht längst etwas passiert.

Wie viele Klassenzimmer in Bayern sind akustisch optimal gestaltet?
Optimistisch betrachtet würde ich sagen: 20 Prozent. Es gibt sowohl alte als auch neue Gebäude mit guter Akustik. Es liegt immer am Architekten, der die Schule baut, ob er an die Akustik denkt.

Es gibt aber doch Vorschriften, wie laut es an einem Arbeitsplatz sein darf.
Da hält sich nur keiner dran! Vielleicht sollte man mal einen Musterprozess führen. Laut Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, Gefährdungen für seine Mitarbeiter*innen zu analysieren und zu bewerten. Die unmittelbaren Vorgesetzten der Lehrkräfte, die Schulleiter*innen, müssten also im Auftrag des Kultusministeriums prüfen, ob eine Gefährdung durch Lärm vorliegt. Sollten die Klassenzimmer der DIN-Norm nicht entsprechen, müssten sie aktiv werden.

Was kann man tun, um den Lärm in einem Klassenzimmer zu begrenzen?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Einerseits muss man versuchen, die Schüler*innen zu begeistern, sodass sie dem Unterricht aufmerksam folgen. Das geht allerdings nicht bei allen Unterrichtsformen. Andererseits kann man raumakustische Maßnahmen ergreifen. Das heißt, man muss beispielsweise an der Zimmerdecke Material installieren, das den Schall schluckt. Die Klassiker sind Mineralwolle und Glaswolle.

Wo bringt man diese Echoschlucker am besten an? Es ist ja nicht so, dass es nur von der Decke zurückschallt, sondern auch von den Wänden.
Rein physikalisch ist es egal, wo man sie anbringt. Der Schall muss nur die Möglichkeit haben, dorthin zu kommen. Man nimmt einfach die Fläche, die praktikabel ist. Meistens ist das die Decke, denn das Material ist weich, was manche Schüler*innen auf den Gedanken bringt: „Da könnte man ja wunderbar mit dem Finger reinbohren“. Ich kenne eine Pizzeria, in der die Schallschlucker sogar unter den Tischen angeklebt worden sind.

Also kommt nichts an die Wand.
Doch, das sollte sogar so sein. So lässt sich ein „Flatterecho“ vermeiden. Dabei saust eine Schallwelle zwischen zwei parallelen schallharten Wänden ungedämpft hin und her. Im Extremfall bekommt die Schallwelle gar nicht mit, dass über ihr eine Akustikdecke angebracht ist. Strapazierfähigere Materialien an der Wand, wie beispielweise eine akustisch wirkende Pinnwand, helfen, diesen Effekt abzustellen.

Was können Lehrkräfte und Schulen tun, damit Akustikdecken bei ihnen installiert werden?
Den/die Schulleiter*in, den/die Sachaufwandsträger*innen oder den Personalrat ansprechen und die Eltern für das Thema sensibilisieren. Sie alle müssen politischen Druck ausüben.

Eine Akustikdecke reduziert Gesprächslärm deutlich, konstanten Lärm dagegen nur zum Teil. Warum?
Das stimmt. Wenn man eine Akustikdecke installiert, gewinnt man nicht nur fünf oder sechs Dezibel, sondern bis zu 15 Dezibel. Der Grund ist, dass Menschen, die sich unterhalten, leiser sprechen, wenn es um sie herum leiser ist. Eine Maschine dagegen arbeitet immer gleichlaut vor sich hin.

Helfen kleinere Klassen oder kleine Räume, die Lärmbelastung zu reduzieren?
Weder noch. Räume müssen akustisch einwandfrei sein, ihre Größe ist egal. Man muss sich beim Bau nur an die technischen Standards halten.

Die Fragen stellte Thomas Klotz

*Diplom-Ingenieur Peter Hammelbacher ist seit 1993 Sicherheitsingenieur bei der Berufsgenossenschaft Metall Nord-Süd und seit 2005 Mitglied im INQA-Arbeitskreis „Lärm in Bildungsstätten“ bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA). Er hält Vorträge und bietet Fachberatung zum Thema „Lärm in Bildungsstätten“ und ist für dieses Thema auch Referent bei der Unfallkasse München. Er berät als Akustik-Experte den BLLV.