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Depressions-Prävention braucht mehr Experten und weniger Leistungsdruck

Bayerisches Kultusministerium legt Abschlussbericht zum 10-Punkte-Programm gegen Depression vor. Trotzdem gibt es weiter zu wenig Schulpsychologen. BLLV-Präsidentin Fleischmann fordert Multiprofessionalität und ein Umdenken beim Lern- und Leistungsbegriff.

Als eine Gruppe direkt und indirekt betroffener Schüler 2019 den Aufklärungsfilm „Grau ist kein Farbe“ drehte und eine Petition startete, die Kultusminister Piazolo aufforderte, Depressionen zum Unterrichtsthema zu machen, schlug das Thema hohe Wellen. Das Kultusministerium hatte daraufhin einen 10-Punkte-Plan gegen Depression entwickelt. Nun hat es dazu einen Abschlussbericht vorgelegt. Experten und Betroffene kritisieren, dass an Schulen aber trotzdem zu wenig passiert sei, wie das Deutsche Schulportal berichtet.

Dabei sind wegen der Corona-Maßnahmen inzwischen sogar noch deutlich mehr Schülerinnen und Schüler betroffen: 2021 wurden im Vergleich zu 2019 fast 30 Prozent mehr wegen einer Depression stationär aufgenommen. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, da es schlicht auch zu wenig Ansprechpartner gibt. Auf einen Schulpsychologen kommen in Bayern etwa 4.000 Schülerinnen und Schüler.

Intervention geht gerade noch so eben, Prävention bräuchte deutlich mehr Personal

Es liegt also nicht am Konzept, wie auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann konstatiert: „Das 10-Punkte-Programm an sich ist richtig – darin steckt Expertise auf höchstem Niveau“, sagt sie im Gespräch mit dem Deutschen Schulportal. Doch auch wenn die Maßnahmen gut klingen, sieht die Realität leider anders aus: „Wir können es nicht umsetzen, denn wir brauchen jeden im Unterricht“, schildert Fleischmann die derzeitige Situation an den Schulen.

Aus Sicht des BLLV kann insbesondere Depressions-Prävention daher nicht einfach zusätzlich von Lehrkräften geleistet werden, da diese dauerhaft an der Belastungsgrenze agieren – wegen Umsetzung der Corona-Maßnahmen, Auffangen pandemiebedingter Verwerfungen, akutem Lehrermangel und aktuell der Integration geflüchteter Kinder. „Wir haben höchstens noch die Kapazität für akute Krisenintervention, präventive Arbeit ist bei dem Ressourcenmangel nur schwer möglich“, stellt Simone Fleischmann klar.

Schule neu denken im Sinne der Kinder und Jugendlichen

Dabei wären für beides unbedingt Experten gefragt. Dass Kinder und Jugendliche angesichts persönlicher und globaler Krisen infolge des Weltgeschehens mehr Hilfe brauchen, überrascht keinen Pädagogen. Dem wirklich professionell zu begegnen ist am besten im Team mit Menschen möglich, die spezifisch dafür ausgebildet sind. „An den Schulen erleben wir oft wie im Brennglas das, was in der Gesellschaft insgesamt geschieht“, berichtet Simone Fleischmann. „Die zunehmend komplexe Gemengelage draußen stellt uns vor immer neue Herausforderungen, in die wir natürlich auch ein Stück weit hineinwachsen können, indem wir uns entsprechend weiterbilden“, analysiert die BLLV-Präsidentin. „Gleichzeitig ist es aber unerlässlich, dass wir unsere Kern-Expertise als Pädagoginnen und Pädagogen ergänzen, in dem wir Profis für diese Herausforderungen dazu holen – deshalb ist Multiprofessionalität für eine Schule, die auf der Höhe des Zeitgeschehens agiert, unerlässlich!“, stellt Simone Fleischmann klar.

Zudem müsste Schule, die das Wohl und die Zukunft von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt, endlich auch schülerzentriert ausgerichtet werden. „Wir müssen weg vom Ellbogensystem und weg von der Fokussierung auf Noten und Leistung“, fordert Simone Fleischmann.

Menschen für Menschen

Denn wenn Schule zuvorderst dem Zweck dient, auf möglichst rechtssichere Art und Weise Lebenschancen zuzuweisen, dann geht das aus Sicht des BLLV an dem vorbei, was Kinder und Jugendliche wirklich brauchen, um die Weichen für eine erfüllte Zukunft zu stellen, in der sie ihre Potenziale entfalten können: Persönlichkeiten, die ihnen in einer von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägten Beziehung als ganze Menschen mit Herz, Kopf und Hand begegnen und sie gemäß ihrer Potenziale individuell begleiten und fördern. Dazu gehört auch eine individuelle, konstruktive und entwicklungsfokussierte Form der Leistungsrückmeldung.

„Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass dies das Ziel von Schule sein soll – und damit auch den Konsens, dass Schulen dafür mit genügend Personal aus unterschiedlichen Professionen ausgestattet werden müssen“, regt die BLLV-Präsidentin an.

» Zum Artikel des Deutschen Schulportals: „Depression: Wie Prävention an Schulen aussehen kann“