Bild: Je früher bei Kindern Dyskalkulie erkannt wird, desto besser können sie gefördert werden. Und das verbessert ihre Chancen im Schul- und späteren Berufsleben erheblich.
Bild: Je früher bei Kindern Dyskalkulie erkannt wird, desto besser können sie gefördert werden. Und das verbessert ihre Chancen im Schul- und späteren Berufsleben erheblich.
Welttag der Legasthenie und Dyskalkulie Startseite Topmeldung
Bildungsgerechtigkeit Individuelle Förderung

Geringere Chancen aufgrund fehlender Fördermöglichkeiten

Damit Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie die gleichen Bildungschancen haben, brauchen sie frühzeitig individuelle Förderung. Das bedeutet vor allem mehr Lehrkräfte, mehr Ressourcen, aber auch Fairness und Sicherheit durch rechtliche Regelungen.

Noch immer haben es Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie in unseren Schulen besonders schwer. Und das nicht nur, weil ihnen das Lesen und Rechnen mehr Schwierigkeiten macht als anderen Kindern, sondern weil das Bildungssystem ihren spezifischen Bedürfnissen oft nicht gerecht wird.

Da sind Lehrermangel und fehlende Ressourcen auf der einen und eine trotz Nach­besserungen nicht zufriedenstellende Rechtslage für die schulische Praxis auf der anderen Seite.

Ungerecht: Kinder mit Lega­sthenie haben Rechts­anspruch auf Nachteilsausgleich und Notenschutz, Kinder mit Dys­kalkulie aber nicht

Zwar wurde die Bayerischen Schul­ordnung (BaySchO) in Bezug auf die Lese-Rechtschreib-Störung im August 2018 in neu geregelt - diese Kinder haben das Recht auf individuelle Unterstützung, einen Nachteilsausgleich und Noten­schutz. Doch die Situation bei Dyskalkulie ist eine andere.

Siegfried Hümmer, Leiter der BLLV-Fachgruppe Schulberatung äußert sein Unverständnis: „Obwohl sie gleich häufig auftreten, werden Legasthenie und Dys­kalkulie immer noch unter­schied­lich beurteilt. So wird nur von Kindern mit Rechen­schwierig­keiten gesprochen, was zur Folge hat, dass sie – anders als Kinder mit Lega­sthenie - keinen Rechts­anspruch auf einen Nachteilsausgleich und Notenschutz haben. Das ist ein Ungleichgewicht, hier muss unbedingt nachgebessert werden.“ 

Der BLLV bekräftigt daher seine Forderungen:

  • Die Rechenstörung muss in den Katalog der zu berücksichtigenden lang­anhaltenden Beeinträchtigungen im BayEUG aufgenommen werden
  • Die Umsetzung in der BaySchO muss dem Störungsbild entsprechend angepasst werden
  • Es muss verpflichtende Lehrinhalte zu den schulischen Entwicklungs­störungen Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung in der Ausbildung der Lehrkräfte aller Schularten sowie als verpflichtende Weiterbildung für Lehrkräfte aller Schularten geben
  • Es bedarf einer fachgerechten schulischen Förderung, speziell auf die Störungsbilder Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung abgestimmt, bis in den Sekundarbereich II

 

Fleischmann: "Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie müssen die gleichen Chancen bekommen"

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann betont: „Alle Kinder haben das Recht darauf, in ihrer Individualität wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden. Und alle haben das Recht auf gute Bildungsperspektiven und eine entsprechende Förderung. Es darf nicht sein, dass Kinder mit Legasthenie oder Dyskalkulie die Erfahrung machen, nicht zu genügen oder nicht die gleichen Chancen zu bekommen.“

Was sie vor allem brauchen, ist eine möglichst frühzeitige, gezielte individuelle Förderung. Die ist jedoch oft nicht möglich, weil Lehrkräfte und Ressourcen fehlen. „Auch hier hinterlässt der eklatante Lehrermangel tiefe Spuren – zu Lasten dieser Kinder“, so Fleischmann.

Zu wenig Förderkurse aufgrund Lehrermangels

Mit der Folge, dass Förder­kurse im Lesen und Rechtschreiben zurückgefahren werden und es trotz qualitativ hochwertiger und gut evaluierter Förderprogramme zu wenige Förder­möglichkeiten sowohl bei Lese-Rechtschreib-Störungen wie auch bei isolierten Lese- oder Recht­schreib­störungen gibt.

Schulen sind oft nicht in der Lage, Kindern mit Rechen­schwierigkeiten bei Leistungserhebungen die erforderlichen Hilfsmittel (Anschauungs­materialien, Einmaleins-Tabellen u.ä.) zur Verfügung zu stellen. Und auch außerhalb der Schule reichen die Angebote bei weitem nicht aus: Plätze wie zum Beispiel bei den Förderstellen Mathematik sind rar. 

Weitreichende Nachteile im Schul- und Berufsleben

„Es kann einfach nicht sein, dass wir die Bildungs- und Lebenschancen dieser Kinder aufs Spiel setzen“, so Fleischmann. Die betroffenen Kinder und Jugend­lichen haben nachgewiesenermaßen weitreichende Nachteile im Schul- und Berufsleben, wenn sie keine (Früh-)Förderung erhalten. So erreichen sie häufig nicht den Schulabschluss, zu dem sie eigentlich intellektuell in der Lage wären.

Auch die Rate der arbeitslosen jungen Erwachsenen mit einer Rechenschwäche ist erhöht. Die Wissenschaft weiß längst, dass eine Förderung möglichst früh ansetzen müsste. Sie belegt sogar, dass eine Frühförderung das Risiko für die Entwicklung einer Dyskalkulie reduziert.


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