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Kommentar zur Debatte um Chat-GPT Startseite Topmeldung
Künstliche Intelligenz Individuelle Förderung Differenzierung

Künstliche Intelligenz an Schulen: Zukunft gestalten statt aufhalten wollen (Update des Artikels mit neuen Medienberichten)

Eine Verbotsdiskussion um Chat-GPT greift zu kurz: Kritisch, reflektiert und verantwortlich mit künstlicher Intelligenz umgehen ist ein elementares Bildungsziel. Die Lehr-, Lern- und Prüfungskultur wird sich wandeln, dazu braucht es auch starke Fortbildungskonzepte

Die Debatte um Auswirkungen der künstlichen Intelligenz Chat-GPT schlägt auch in Bezug auf die Bedeutung für Bildungseinrichtungen hohe Wellen. Bei geeigneter Formulierung der Aufgabe liefert die Dialoganwendung Texte von durchaus ansprechender Qualität und stellt damit unter anderem die Bedeutung von reproduktiven Aufgabenstellungen und Lernstandserhebungen in Frage.

Gut so, denn aus wissenschaftlicher Sicht sind rein reproduktive Leistungsmessungen, die zu bulimischem Lernen ohne nachhaltigen Bildungserfolg führen, ohnehin zu hinterfragen. Eine Lernstandserhebung, die von einer KI gelöst werden kann, war offensichtlich nie geeignet, Erfolge darin zu messen, Kinder und Jugendliche zu ganzheitlichen Menschen zu bilden.

Ergebnisse hinterfragen

Vielmehr stellt sich die Frage, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler im Umgang mit künstlicher Intelligenz brauchen, um diese gewinnbringend nutzen zu können. Denn daraus ergibt sich ein pädagogischer Auftrag. Dazu gehört zum einen, die Fähigkeiten, aber auch die Grenzen einer künstlichen Intelligenz einschätzen zu können und zu beurteilen, wozu sie geeignet ist und wozu nicht.

Wer schon mit Chat-GPT gearbeitet hat, wird bei komplexeren Fragestellungen, die über reine Wissensreproduktion hinausgehen, erlebt haben, dass der Chatbot explizit darauf hinweist, dass seine Antworten unter Umständen von begrenzter Aussagekraft sind und Nutzer selbst dazu ermutigt, weitere Recherchen und Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen.


Kritisch reflektierte Nutzung

Genau darum muss es gehen: Es ist abzusehen, dass beim rasanten Verbesserungstempo der Qualität von künstlichen Intelligenzen deren Nutzung mindestens so bedeutsam und alltäglich wird, wie es derzeit die von Web-Suchmaschinen ist – natürlich auch unter Schülerinnen und Schülern. Weil der Output aber kein simples Auflisten von Inhalten ist, sondern ein strukturierter, gebundener Text, ist das Nutzungspotenzial der Ergebnisse ungleich höher. Umso wichtiger ist die Fähigkeit, diesen Output kritisch zu hinterfragen und den eigenen Umgang mit der KI dabei zu reflektieren.

Dazu gehört auch, dass jede Nutzung einer lernenden künstlichen Intelligenz deren Wissensstand, wenn auch im Einzelfall nur minimal, verändert. Damit ist auch ein Bewusstsein um die Bedeutung des eigenen Beitrags zur Entwicklung einer KI ein wichtiges Bildungsziel. Es gilt, sich der eigenen gesellschaftlichen Verantwortung bei der Nutzung einer KI bewusst zu sein.

Pädagogische Expertise steht über allem

Im konkreten Fall sind die Begrenzungen von Chat-GPT, auch durch die derzeitige Einschränkung der KI auf eine statische Datenbasis aus dem Jahr 2021, in die Frage nach der pädagogischen Relevanz miteinzubeziehen. Daher muss auch eine mögliche Nutzung als Unterrichtstool, wie sie derzeit in zahlreichen Bildungsblogs angeraten wird, dringend kritisch hinterfragt werden. Die Möglichkeiten im Bereich individuelle Förderung, Korrektur oder auch Unterrichtsvorbereitung erscheinen immens, müssen aber immer durch menschliche pädagogische Expertise flankiert werden.

Die Aufgaben, die künstliche Intelligenzen wie Chat-GPT an die Pädagogik stellen, sind also komplex. Es braucht daher gut durchdachte und breit aufgesetzte Fortbildungsmöglichkeiten, die über die didaktische Bedeutung hinaus beispielsweise auch den gesellschaftspolitischen Aspekt der Nutzung von KIs beleuchten.

Auf den Menschen kommt es an

Eine nun teils auch geforderte politische Regulierung in Bezug auf KIs zielt aber in die falsche Richtung. Wie beim Einsatz jeglicher Unterrichtsmethoden besitzen Lehrkräfte die pädagogische Professionalität, für ihre spezifische Lerngruppe zu entscheiden, in welchem Zusammenhang eine künstliche Intelligenz auf welche Weise gewinnbringend einzusetzen ist und wo gegebenenfalls andere Methoden besser geeignet sind. Entscheidend für Lernerfolge mit dem Ziel einer ganzheitlichen Bildung ist und bleibt der Mensch.
 

Medienberichte

Die Aussagen von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Artikel der Bayerischen Staatszeitung:

Frage: Soll man die Nutzung an Bildungseinrichtungen verbieten?
-> Nein, sagt auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). „Sonst werden wir von der Entwicklung überrollt.“ Statt eines Verbots fordert sie die Abkehr vom bloßen Abfragen von Inhalten, die nach der Prüfung eh gleich wieder vergessen worden sind. Die KI soll Teil des Unterrichts werden. Und die Kinder sollen künftig verstärkt recherchieren und Ergebnisse auf ihre Plausibilität hin prüfen. Um die Lehrkräfte auf die KI-Welle darauf vorzubereiten, braucht es aber bald Fortbildungen. Auch die Lehramtsausbildung an den Universitäten muss angepasst werden. Die Politik ist gefordert.

Hintergrund: Was ist Chat-GPT?

  • Chat-GPT ist eine Anwendung, die auf menschliche Texteingaben mit einer möglichst sinnvollen Textausgabe reagiert. Sie beantwortet beispielsweise Fragen oder erstellt Texte gemäß Anweisung. Die Qualität der ausgegebenen Texte ist deutlich höher als bei bisherigen KIs und korreliert mit Qualität, Präzision und Konstruktivität der Eingaben des Nutzers.
     
  • Chat-GPT ist über Web-Browser erreichbar unter der Adresse https://chat.openai.com . Für die Nutzung ist die Erstellung eines Accounts unter Angabe einer E-Mail-Adresse erforderlich.
     
  • „GPT“ steht für „Generative Pre-trained Transformer“, was sich in Verbindung mit der Chat-Funktion grob übersetzen lässt mit „Vorgebildete, lernfähige Dialog- und Autorenanwendung“. Für seine Antworten greift die Anwendung auf einen Pool aus Daten aus dem Jahr 2021 zurück. Sie verfeinert das gespeicherte Wissen aber auch aus Nutzereingaben, die auf Plausibilität geprüft werden.
     
  • Die KI ist darauf programmiert, hilfreich, höflich und konstruktiv zu agieren. In ihr sind einige grundlegende ethische Normen implementiert, wie etwa dass durch seine Antworten Menschen nicht zu Schaden kommen.
     
  • Hinter Chat-GPT steht der Software-Entwickler Sam Altman, dessen Firma OpenAI im Silicon Valley in San Francisco ansässig ist.