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Quereinsteiger Bildungsqualität Arbeitsbelastung

Warum arbeiten an Bayerns Schulen so wenig Quereinsteiger? Und ist das jetzt gut oder schlecht?

Der Lehrkräftemangel bleibt eines der bestimmenden Themen der Bildungspolitik. Wären mehr Quereinsteiger:innen die Lösung? Und was würde das für die Bildungsqualität und die Lehrkräfte selbst bedeuten? BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann dazu bei BR24.

Lehrkräftemangel ist weiterhin ein enormes Problem – auch in Bayern. Das gilt schon lange besonders für die Mittelschulen und bestimmte Förderschwerpunkte an den Förderschulen, zunehmend aber auch für andere Schularten wie Berufliche Schulen, Realschulen und Gymnasien.

Einige Bundesländer setzen deswegen auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, um dem Mangel an grundständig ausgebildeten Lehrkräften Herr zu werden. Doch während beispielsweise in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt inzwischen über 47 Prozent der Unterrichtenden über alternative Ausbildungswege an die Schulen gekommen sind, sind es in Bayern nur 2,2 Prozent, wie BR24 in einem ausführlichen Beitrag vom 4. August berichtet. Aber wie verändert das den Unterricht, die Bildung und die Schulen? Und warum sind in Bayern die Hürden für einen Quereinstieg so hoch?

Beste Bildung als Maßstab

Dass viele Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, die heute an den Schulen sind, mit hohem Engagement arbeiten, und dass ohne sie vielerorts der Unterricht heute kaum noch möglich wäre, steht außer Frage. Der BLLV mahnt bei allen vermeintlich schnellen und einfachen Lösungen für das komplexe Problem des Lehrkräftemangels allerdings an, dass die Bildungsqualität immer höchste Priorität hat. Dabei geht es nicht zuletzt um die beste Bildung für die nächste Generation und damit um unsere Zukunft. Vor allem angesichts der vielfältigen Herausforderungen an den Schulen hinsichtlich Inklusion, Integration, Digitalisierung, Demokratiepädagogik und vielem mehr, brauchen wir an den Schulen die Besten! Und dazu gehören umfassende pädagogische, fachliche und menschliche Kompetenzen. 


Für alle Kolleginnen und Kollegen! Gegen die Entprofessionalisierung des Berufs!

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann warnte gegenüber dem BR deshalb vor einer möglichen „Entprofessionalisierung“ des Berufs. Insbesondere warnte sie vor dem Versuch, mit finanziellen Anreizen für diese Gruppe, zusätzliche Quereinsteiger an die Schulen zu bringen. Wer regulär fünf Jahre Lehramt studiere und danach zwei Jahre Referendariat ableiste, hätte Anspruch darauf, dass es bei der Bezahlung fair zugehe, betonte sie. Alles andere könnte lediglich dazu führen, dass das reguläre Lehramtsstudium noch unattraktiver würde – dabei gehe es doch vor allem darum, mit einer erstklassigen attraktiven Ausbildung und erstklassigen Arbeitsbedingungen zu punkten. „Der BLLV möchte gerne Vorschläge, wie die Lehrkräftebildung verbessert werden kann, wie die Arbeitsbedingungen verbessert werden können, damit wir mehr grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer für alle Schularten bekommen. Eine Entprofessionalisierungsdebatte führen wir nicht, wir führen eine Professionalisierungsdebatte und das geht nur mit gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern.“

Quereinstieg ist nicht gleich Quereinstieg

Auch Lösungen für den Quereinstieg müssen für den BLLV deshalb mit hochwertigen Maßnahmen zur Qualifizierung verknüpft sein, weshalb der BLLV auch die „Sondermaßnahme 6“ begrüßte, die vor einiger Zeit aufgelegt wurde. Aus diesem Grund sind allerdings auch einfache „Entfristungsmaßnahmen“ abzulehnen, bei denen befristet angestellten Aushilfskräften nach einiger Zeit eine Festanstellung im Schuldienst ermöglicht wird, ohne dass diese beispielsweise ein Referendariat durchlaufen müssen. „Hier kann man durch die Entfristung Lehrerin oder Lehrer werden und durch ein anschließendes Traineeprogramm eine volle Lehrbefähigung erwerben. Das geht dann teilweise nebenher zur eigentlichen Lehrtätigkeit und man erhält ein volles Angestelltengehalt während dieser Maßnahme. Allerdings halten wir diese Art der Ausbildung für nicht optimal, da es sich um eine Schnellausbildung handelt, die lediglich durch den dramatischen Lehrkräftemangel zu rechtfertigen ist. Ansonsten ist das aber eine Maßnahme, die den Wert einer echten pädagogischen Ausbildung torpediert, den Absolventen viel zu wenig Hilfe für den späteren Beruf bietet und in der die Bewerberinnen und Bewerber mit der Rechtfertigung durch den Lehrermangel sehenden Auges auf sich selbst gestellt in das kalte Wasser geworfen werden. Dies soll keine Kritik an denen sein, die diese Ausbildung absolvieren, sondern am Dienstherrn, der hier seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten einfach nicht gerecht wird“, so BLLV-Dienstrechtsexperte Hans Rottbauer (siehe auch Kommentar unten).

Ein Kommentar von BLLV-Dienstrechtsexperte Hans Rottbauer

Lehrerin oder Lehrer wird man nicht nebenbei

Nicht alle können mit ein bisschen Begleitung Lehrerin oder Lehrer werden. Eine pädagogische Ausbildung ist richtig und wichtig und die erhalten Lehrkräfte eben in einem Referendariat, weshalb wir es begrüßen, wenn dies auch für den Quereinstieg gilt.

Unterschiedliche Wege für den Quereinstieg

Den entsprechenden Weg gibt es auch im Bereich der Mittelschule, wo wir auch schon lange den größten Lehrkräftemangel verzeichnen. Hier ist es die “Sondermaßnahme 6”, die die Kriterien festlegt. Quereinsteiger:innen können hier mit der Ableistung eines Referendariats die volle Lehramtsbefähigung für die Mittelschule erwerben. Daneben gibt es das Entfristungsprogramm für bisher befristet angestellte Aushilfskräfte an der Mittelschule, die damit Lehrerin oder Lehrer werden können und durch ein anschließendes Traineeprogramm ebenfalls die volle Lehrbefähigung für die Mittelschule erwerben. Diesen Weg kann man quasi nebenher zur eigentlichen Lehrtätigkeit und man erhält ein volles Angestelltengehalt während dieser Maßnahme. Allerdings halten wir diese Art der Ausbildung für nicht optimal, da es eine Schnellausbildung und eine pädagogische “Schmalspurausbildung” ist, die lediglich durch den dramatischen Lehrermangel zu rechtfertigen ist. Ansonsten ist das eine Maßnahme, die den Wert einer echten pädagogischen Ausbildung eigentlich torpediert, den Absolventen viel zu wenig Hilfe für den späteren Beruf bietet und in der die Bewerberinnen und Bewerber mit der Rechtfertigung durch den Lehrermangel sehenden Auges auf sich selbst gestellt in das kalte Wasser geworfen werden. Dies soll keine Kritik an denen sein, die diese Ausbildung absolvieren, sondern am Dienstherrn, der hier seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten einfach nicht gerecht wird.

Wir brauchen eine pädagogische Ausbildung

Die Sondermaßnahme 6 dagegen ist aus unserer Sicht durchaus vertretbar, da durch das volle Referendariat eine sehr umfassende pädagogische Ausbildung sichergestellt ist und vor allem auch eine sinnvolle und umfassende Betreuung der Kandidat:innen sicher gestellt wird. Was tatsächlich ein Problem ist, ist die Besoldung. Während der beiden Jahre des Referendariats erhalten diese zukünftigen Kolleginnen und Kollegen ein Referendarsgehalt. Da es sich bei den Absolventen der Maßnahme in der Regel um lebensältere Menschen handelt, die davor schon in einem gut bezahlten Job waren (es sind ja mindestens Diplom- oder Masterstudiumsabsoventen) ist das natürlich oft ein Problem. Hier besser zu bezahlen, wäre sicherlich ein guter Anreiz. Wenn, dann aber für alle Referendarinnen und Referendare. Es darf nicht sein, dass Kolleginnen und Kollegen in der “regulären” Ausbildung die Verlierer sind, weil sie trotz ihrer Qualifikation dann weniger verdienen würden als die Kolleginnen und Kollegen im Quereinstieg.

Auch in Bayern spielt der Quereinstieg eine wichtige Rolle

Was man aber immer sagen muss, ist, dass die Absolventinnen und Absolventen der Sondermaßnahme 6 für die Mittelschule in den letzten Jahren einen ziemlich erheblichen Teil (mehr als ein Drittel) der Neueinstellungen nach dem Referendariat ausgemacht haben. Wir sind also auf diese Kolleginnen und Kollegen angewiesen und Gott sei Dank erkennen diese offensichtlich auch, dass ein Referendariat besser ist als irgendeine Schmalspurausbildung.

Insgesamt muss man sagen, dass es Ziel sein muss, dass wir nicht auf Quer- und Seiteneinsteiger:innen angewiesen sind, sondern genügend grundständig ausgebildete Lehrkräfte ausgebildet werden. Dazu müssen nicht nur die Bedingungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Sondermaßnahme verbessert werden, sondern grundsätzlich die Ausbildung (siehe Lehrkräftebildungskonzept) und die Bezahlung während des Referendariats für alle.



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