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Nachbericht zur BLLV-Pressekonferenz vom 7.10.2020 Startseite
Notbetrieb Schulleitung Distanzunterricht Hygieneregeln Krisenkommunikation

"Wir haben noch nie so einen Notbetrieb erlebt wie jetzt!"

Zusammen mit zwei erfahrenen Schulleitern zeigt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: Lehrermangel ist tagtägliche Realität, die durch die Corona-Pandemie wie durch ein Brennglas zu Tage tritt.

"Zwei Krisen prallen aufeinander: Die Corona-Krise und der Lehrermangel", sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. "Weil es zu wenig Lehrer gibt, herrscht Notbetrieb, absolut kein Regelbetrieb!" Deshalb fordert die BLLV-Präsidentin auch einen Lehrergipfel. Bei dem müssten Lehrerschaft und Schulleiter dringend entlastet werden. "Wir als BLLV zeigen die Realität an den Schulen - jetzt ist ehrliche Politik ist gefrag", appelliert Fleischmann. Die Politik veranstalte Gipfel über Gipfel: Zu Digitalem oder zum richtigen Lüften. Thematisch gingen diese aber am Kernproblem vorbei, nämlich am eklatanten Lehrermangel.

Die gesamte Pressekonferenz zum Anschauen

 

Neckov: "Ich arbeite 60 Stunden die Woche mit ständiger Bereitschaft"

Tomi Neckov, 2. Vizepräsident des BLLV, ist seit sechs Jahren Schulleiter an der Frieden-Mittelschule in Schweinfurt. Er berichtet, dass der bürokratische Aufwand in den vergangenen Jahren enorm gewachsen sei. Er müsse beispielsweise Impfpässe seiner Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer, auch auf portugiesisch oder russisch, kontrollieren. Während der Pandemie ist der organisatorische und bürokratische Aufwand um ein Vielfaches gewachsen: Neckov schreibt unzählige Elternbriefe, um die Eltern zu informieren. Er schreibt unzählige Hygienekonzepte, ist Ansprechpartner für alle Fragen rund um Corona. Derzeit arbeitet er etwa 60 Stunden in der Woche, mit ständiger Bereitschaft, gibt Neckov an. Alle Exceltabellen mit allen Kontakten hält er stets auf dem aktuellen Stand - diese braucht er für das Gesundheitsamt, sollte es an seiner Schule einen Corona-Fall geben.

 

Neckov: "Schulleiter werden unter der Last zusammenbrechen."

Neckov warnt: "Schulleiter werden unter der Last zusammenbrechen." Ihm graust der Blick in die Zukunft: Der Winter und die Grippesaison stehen noch vor der Tür. Und es seien jetzt schon alle Kapazitäten ausgeschöpft. Durch Corona könnte man aber jetzt nicht mehr die Klassen aufteilen - wie vor der Pandemie üblich. Neckov fordert jetzt von der Politik ersteinmal das Eingeständnis, dass Notbetrieb herrscht. Denn das würde den Druck nehmen.

 

Nothhaft-Buchner: "Wir können den Kindern nicht mehr gerecht werden"

Margit Nothhaft-Buchner ist seit 14 Jahren Schulleiterin an einer Grundschule in Weißenburg. "Ich leite und gestalte gern Schule - habe dafür kaum noch Zeit". Der Schultag beginne damit, dass die Verwaltungsangstellte erst einmal eine Stunde jeden Morgen ausschließlich damit beschäftigt ist, nur Krankmeldungen anzunehmen. Außerdem sieht sie den Geist ihrer Schule, die Offenheit, stark bedroht. Ihre Schule sei zugesperrt, es müssten Besucherlisten geführt werden. Es finden keine außerschulischen Veranstaltungen mehr statt, die das Wir-Gefühl fördern. Zur Zeit seien Schulleiter und Lehrer so damit beschäftigt, Hygienekonzepte umzusetzen, dass man Gefahr laufe, die Kinder aus dem Blick zu verlieren. Durch das häufige Händewaschen - drei Mal am Tag, dauert pro Klasse 15 Minuten - und durch die gestaffelte Pausengestaltung müssten die Lehrkräfte durcharbeiten. Selbst ein kurzer Toilettengang müsse organisiert werden.

Simone Fleischmann leitete selbst zwölf Jahre lang eine Schule. Da hätte es schon zu wenig Lehrkräfte gegeben. Den Lehrermangel habe man durch umstrukturieren, aufteilen, hin- und herschieben kaschieren können. Das gehe jetzt durch Corona nicht mehr.

Fleischmann: "Mehr Lehrer sind der beste Gesundheitsschutz"

Um dem Schweinezyklus zu entkommen schlägt Fleischmann - schon seit Langem - unter anderem Folgendes vor: Flexible Lehrerbildung, A13 als Eingangsbesoldung auch für Grund- und Mittleschullehrkräfte, attraktive Arbeitsbedingungen, multiprofessionelle Teams an den Schulen, eine Erhöhung der mobilen Reserve, professionelle Bedingungen für Fach- und Förderlehrer. 

In ihren Schlussworten betont Fleischmann: Geld für Digitales und Lüftungsgeräte seien gut. Aber Laptops würden keinen Unterricht machen und auch CO2-Ampeln müssen von Menschen kontrolliert werden. "Übrigens: Durch mehr Lehrer könnte der Abstand unter den Schülern besser gewahrt werden - und das wäre der beste Gesundheitsschutz während der Pandemie."

Medienberichte

dpa: [7. Oktober, Auszug] "Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht den Unterricht an den Schulen in Gefahr und schlägt Alarm: «Wir haben noch nie so einen Notbetrieb erlebt, wie jetzt", sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann am Mittwoch in München. Zwei Krisen prallten momentan aufeinander: ein dramatischer Lehrermangel und die Coronakrise, die für Schulleiter und Lehrer mit sehr großen Herausforderungen und enorm vielen Zusatzaufgaben verbunden sei."



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