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Digitale Suchtgefahr: Geräte verbieten oder reflektierte Nutzung vermitteln?

Sorge um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt ist berechtigt. Aus Sicht von BLLV-Präsidentin Fleischmann ist es genau deshalb so enorm wichtig, ihnen Medienkompetenz zu vermitteln, wie sie im BR-Magazin „quer“ erläutert.

„Suchtmittel im Schulranzen: Ist eine handyfreie Jugend denkbar?“ So fragt das Satiremagazin quer des Bayerischen Rundfunks provokativ.

Im Beitrag wird schnell klar: Denkbar ja, umsetzbar kaum. Denn immer wieder werden Verbote oder Altersgrenzen an Schulen kreativ umgangen. Schülerinnen und Schüler sind uneins, ob bessere Konzentration durch weniger Ablenkung oder die Freiheit des sinnvollen Umgangs mit den Geräten wichtiger sind und inwiefern sie selbst in der Lage sind, digitale Angebote kritisch und reflektiert zu nutzen.

Nutzen vermitteln und Gefahren aufzeigen

Für BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ist Letzteres jedenfalls das, was es zu erreichen gilt: „Der Umgang mit digitalen Endgeräten, der Umgang mit sozialen Netzwerken, der Umgang mit dieser digitalen Welt ist Bildungsziel und Erziehungsziel von Elternhaus und Schule“, stellt sie im Gespräch mit quer klar.

Dieses Ziel ist dabei nicht trotz der psychischen Gefahren so wichtig, sondern eben genau deswegen, betont Simone Fleischmann:  „Ich weiß, dass psychische Krankheiten bei Kindern auftreten. Ich weiß, es ist wie eine Droge. Gerade deshalb müssen wir uns mit damit beschäftigen, was das für die Kinder und deren Kompetenz in unserer Welt bedeutet. Geht das durch Wegsperren? Nein! Durch damit umgehen? Ja! Denn Medienkompetenz bedeutet, dass die Kinder verantwortungsvoll mit Handys, digitalen Endgeräten, sozialen Netzwerken und Medien umgehen lernen. Suchtgefahren lassen sich nicht dadurch bewältigen, indem wir alles verbieten, sondern eine Sucht lässt sich bestenfalls präventiv verhindern, indem wir den Kindern den Nutzen von Medien beibringen – aber auch die Gefahren.“


Macht’s am besten besser als wir

Konkret geht es dabei um Fragen, die auch für Erwachsene nicht immer leicht sind, meint die BLLV-Präsidentin: „Wann hole ich ein digitales Endgerät raus, um etwas zu recherchieren? Wann packe ich es aber weg? Wo recherchiere ich überhaupt? Wann führe ich lieber ein Gespräch? Wenn das gelernt wird, dann sind die Kinder resilient gegenüber den Gefahren, die diese Medien mit sich bringen.“

Auch das BR-Magazin quer betont, dass bei einer so schwierigen Frage wie der des angemessenen Umgangs mit digitalen Geräten und Angeboten, Erwachsene eigentlich dringend ihrer Vorbildfunktion nachkommen müssten. Und zeigt anschließend einen scharfen Satirefilm (>> hier ab 23:08 zu sehen), in dem Menschen mit dem Handy vor der Nase gegen Laternenpfähle laufen oder in Schwimmbecken fallen und in dem MP Söder als „Social Media Heavy User“ sinnbefreite Beiträge postet, bis hin zu Donald Trump, der via Smartphone jegliche Regeln konstruktiver Weltpolitik torpediert.

Woher soll die Medienkompetenz sonst kommen?

Wie sollen also Kinder und Jugendliche das hinbekommen, woran Erwachsene regelmäßig scheitern? Durch professionelle Bildung! „Ja, es ist eine Riesenherausforderung, mit den Teilen umzugehen“, räumt BLLV-Präsidentin Fleischmann ein. „Schauen Sie sich doch mal um: Die Mama schiebt den Kinderwagen und hat das Handy in der Hand. Das Kind sitzt im Kinderwagen und hat das Tablet vor der Nase. Ist das die Kommunikation, die wir wollen? Nein! Aber wenn es jetzt so ist und wir als Erwachsene auch nicht immer Vorbilder sind, wenn da drei Leute am Tisch sitzen mit vier Endgeräten, dann können wir uns nicht einfach die schöne heile Pippi-Langstrumpf-Welt zurückwünschen, sondern dann müssen wir uns mit dieser jetzigen digitalen Welt befassen. Das heißt: Wir müssen die Kinder mitnehmen und auf die Welt von morgen vorbereiten. Die Kinder müssen digitale Kompetenz bekommen. Und wenn sie die nicht zu Hause kriegen und auch nicht in der Schule – ja, wo denn dann?“

Am Geld darf’s aber bitte nicht scheitern

Dafür brauchen Schulen allerdings die bedingungslose Unterstützung durch die Politik – und da ruckelt es durch aktuelle Entscheidungen der Staatsregierung in Bayern gerade gewaltig, bemängelt Simone Fleischmann: „Wenn die Staatsregierung Medienkompetenz als Ziel in die Lehrpläne reinschreibt, dann muss sie, so wie sie früher das Buch zur Verfügung gestellt hat, jetzt das digitale Endgerät zur Verfügung stellen. Das ist ganz schön viel Geld für alle über 6.000 Schulen hier in Bayern. Wenn man sich jetzt aber überlegt, Geld zu sparen, dann kann man vielleicht sagen: ‘Na ja, also die kleinen Kinder brauchen noch kein digitales Endgerät. Fünfte oder sechste Klasse, vielleicht fünfte bis siebte Klasse nicht? Vielleicht ab der achten…‘ Vielleicht sollten sowas lieber Pädagogen entscheiden und nicht ein Politiker. Denn wir Lehrerinnen und Lehrer wissen ganz genau, wie man Medienkompetenz aufbaut. Also lasst uns das machen. Gebt uns dafür klare Richtlinien, gebt uns die digitalen Endgeräte, verlässliches WLAN und gebt uns die Zeit dafür. Dann machen wir die Medienkompetenz.“

» zum Beitrag im BR-Satiremagazin quer: „Suchtmittel im Schulranzen: Ist eine handyfreie Jugend denkbar?“ (Simone Fleischmann ab 4:07)

» Ganze Sendung in der ARD-Mediathek (Satirebeitrag über das schlechte Vorbild von Erwachsenen und insbesondere Politikern ab 23:08)