Seit Australien Ende letzten Jahres eine Altersgrenze für Social Media ab 16 Jahren verhängt hat und die EU über ähnliche Schritte nachdenkt, nimmt die Debatte auch in Deutschland weiter Fahrt auf. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat eine Altersgrenze bis 14 Jahre ins Spiel gebracht. "Ich glaube, wir müssen uns bewusst machen, dass wir über massive gesundheitliche psychische Störungen und Gefahren für Kinder und Jugendliche sprechen“, so Prien im Deutschlandfunk. “Es geht um die Gesundheit der Kinder, um die Konzentrationsfähigkeit, ihre Kommunikationsfähigkeit, um ihr Sozialverhalten, aber auch ihre Leistungsfähigkeit.“
Die Sorge ist zwar verständlich, räumt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gegenüber dem Bayerischen Rundfunk ein: “Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass viele Menschen sich das wünschen würden. Dann hätten wir einen Entwicklungsraum für Kinder, der geschützt ist vor Gefahren, die aus den sozialen Netzwerken sehr wohl drohen.“ Fleischmann hält das allerdings weder für umsetzbar noch zielführend: „Ich sehe das aber als völlig unrealistisch. Und ich glaube nicht, dass wir die Welt von heute und von morgen durch Verbote fernhalten.“
Kopf in den Sand oder Bildungsauftrag annehmen?
Die Gefahren, die von sozialen Netzwerken ausgehen, sind aus pädagogischer Sicht vor allem ein dringlicher Auftrag, meint die BLLV-Präsidentin: „Die Welt ist so! Die Digitalität geht nicht mehr weg, sie nimmt eher zu. Wir müssen die Kinder fit machen für diese Welt von jetzt und von morgen. Schule muss gesellschaftliche Entwicklungen annehmen und Schülerinnen und Schülern Zukunftskompetenzen vermitteln.“ Für den Umgang mit Social Media bedeutet das aus Fleischmanns Sicht: “Wir müssen Kinder und Jugendliche so professionell bilden, so kritisch erziehen, dass sie mit einer breiten, tiefen und agilen Medienwelt umgehen und sich als Bürgerinnen und Bürger in der Welt von morgen orientieren können.“
Als „realitätsfremd“ hatte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Vorstoß aus der Schwesterpartei bezeichnet, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Priens Forderung nannte Söder „ein bisschen altbacken, altmodisch und aus der Zeit“ und stellte klar: „Die Meinung von Bayern und mir ist da sehr klar – wir würden dem auch nicht zustimmen.“ Im Umgang mit den Plattformen sei stattdessen auf Medienkompetenz und elterliche Verantwortung zu setzen.
Kinder lernen an Vorbildern
Eltern sieht auch BLLV-Präsidentin Fleischmann in der Pflicht – im ersten Schritt als Vorbilder in Sachen Mediennutzung: „Ich würde sehr gerne die Eltern adressieren, dass wir auch selber sehr sensibel sind, wann wir Medien wie nutzen, wann wir Live-Kontakte pflegen und wie wir in die Kommunikation mit unseren Kindern gehen.“ Denn was Kinder teilweise zuhause erleben, sei sicher nicht förderlich: “Drei Endgeräte bei zwei Personen am Tisch und eine Live-Kommunikation, die eigentlich nicht mehr sein kann, ohne dass eine Hand mit einem Endgerät belegt ist, das macht mir echt Sorgen und da würde ich mich freuen, wenn wir uns alle ein bisschen zusammenreißen könnten“, sagt Fleischmann gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa).
Um der großen Aufgabe gerecht zu werden, Kinder und Jugendliche zum reflektierten, souveränen Umgang mit einer hochkomplexen digitalen Welt zu befähigen, braucht Schule aus Sicht der BLLV-Präsidentin generell Unterstützung von außen: „Wir brauchen den Schulterschluss mit der außerschulischen Lernumgebung, mit den Eltern, mit den Lehrern, mit Experten. Alleine schafft die Schule es nicht. Das ist eine derart große Aufgabe, die man nur gemeinschaftlich löst. Da müssen wir uns alle zusammensetzen und überlegen: Wie machen wir Kinder in der jetzigen Welt fit?“
Optionen erörtern statt Schnellschüsse abfeuern
Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) plädiert laut Bericht der FAZ für ein überlegtes Vorgehen, bei der sich angesichts der digitalen Lebenswelt junger Menschen auch die Frage nach der Durchsetzbarkeit stelle. Es geht darum, „dass man jetzt keine Schnellschüsse macht, sondern sehr konkret überlegt, was eine plausible Lösung wäre“, so Frei, der warnt: „Insgesamt ist dieses Thema aus meiner Sicht noch nicht ausdiskutiert.“
Das will Parteikollegin Prien mit einer Experten-Kommission erreichen, die sie laut Deutschlandfunk noch vor der parlamentarischen Sommerpause unter Beteiligung der Länder einrichten will. Diese soll eine Strategie erarbeiten.
BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann begrüßt ein durchdachtes, differenziertes Vorgehen: „Wir sind uns einig, dass Social Media Kinder stark beeinflusst. Die Bundesbildungsministerin macht sich professionell auf den Weg und will nachdenken, weil das eben eine echte Herausforderung ist.“ Eins ist für Fleischmann dabei aber klar: „Mit Verboten allein parieren wir das nicht, das wird nicht funktionieren. Wir müssen mehr tun! Ich bin motiviert, da mitzudenken, wir Lehrerinnen und Lehrer sind alle motiviert, uns dieser Aufgabe zu stellen. Dafür brauchen wir die Gesellschaft, die Eltern und die Politik!“

Debatte um Altersgrenze für Social Media
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Bildungsziel Medienkompetenz statt Verbotspolitik: „Wir müssen Kinder fit machen!“
Bundesbildungsministerin Prien will ein Social Media Verbot unter 14 Jahren, Bayerns MP Söder hält das für „realitätsfremd“. BLLV-Präsidentin Fleischmann stellt klar: „Digitalität nimmt eher zu“. Schule müsse Kinder fit machen, sich reflektiert zu orientieren.
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