“Bayerns Viertklässler unter Druck” titelt der Nordbayerische Kurier (kostenpflichtiger Inhalt)und bemängelt das teilweise hohe Arbeitspensum für Grundschulkinder, insbesondere für Viertklässler:innen vor dem Übertritt. Wichtige Weichen für Studium und Ausbildung werden damit in Bayern oft schon in der Grundschule gestellt. Das wirke sich auch ganz praktisch auf den Unterricht und die Kinder aus: jede Menge Unterrichtsstoff, Hausaufgaben und Prüfungen in irgendeiner Form. Ein Arbeitspensum, das viele Kinder überfordert und sicher nicht für Freude am Lernen und an der eigenen Leistung sorgt. Die Konsequenz: “Eltern und Lehrer fordern Änderungen beim Schulübertritt”, wie die Frankenpost - ebenfalls am 25. April - titelt (nur in der Printausgabe verfügbar). Das auf Noten und Leistung fokussierte System beim Übertritt auf weiterführende Schulen im Freistaat sei eines der strengsten in der Bundesrepublik und wie der BLLV immer wieder betont: eines das den Kindern nicht gerecht wird und Bildungsungerechtigkeit forciert. Fast alle anderen Bundesländer setzen schon seit langem auf eine längere gemeinsame Schulzeit und beziehen den Elternwillen in hohem Maße in den Übertritt ein.
Der bayerische Sonderweg und das Märchen von der "Durchlässigkeit"
In Bayern basiert die Übertrittsempfehlung in der 4. Klasse auf dem Durchschnitt der drei Noten der Schülerinnen und Schüler in den Fächern Deutsch, Mathematik, Heimat- und Sachunterricht - eine starre Orientierung, die neben Bayern nur noch Sachsen so handhabt. Erreicht ein Kind den Schnitt von 2,33 für das Gymnasium, beziehungsweise den von 2,66 für die Realschule, nicht, steht ihm der jeweilige Bildungsweg erst einmal nicht offen, wie der Nordbayerische Kurier betont. Da hilft auch kein Hinweis auf die “Durchlässigkeit” des Systems, in dem man später vermeintlich ja immer noch alles erreichen kann, wenn es in der vierten Klasse noch nicht klappt mit einem “höheren” Schulabschluss. Denn zwei Punkte sprechen klar gegen das ewige Mantra der “Durchlässigkeit”.
Erstens geht es nicht darum, Kinder später irgendwann doch noch auf das Gymnasium zu bringen. Es geht darum, dass Kinder in Ruhe und mit individueller Förderung ihre Stärken entwickeln und die Bildung und Ausbildung bekommen die ihnen gerecht wird - völlig unabhängig davon, welche Schule oder welchen Abschluss das mit sich bringt. Zweitens belegen die Zahlen schon lange sehr deutlich, dass die Durchlässigkeit vor allem in der Richtung von “oben” nach "unten" funktioniert. Viel mehr Kinder wechseln beispielsweise vom Gymnasium auf die Realschule oder Mittelschule als andersrum. Ein späteres Nachholen eines höheren Bildungsabschlusses ist oft mit deutlich mehr Zeit und damit auch mit finanziellen Ressourcen verbunden. Ressourcen, die nicht alle haben. Stichwort: Bildungsungerechtigkeit. Dieses Prinzip widerspricht einem modernen Menschenbild, der kindgerechten Ermöglichung von Bildungs- und Lebenschancen ebenso, wie den Prinzipien einer individuellen Sicht auf die Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern.