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Bildungsqualität

Voll abgefahren

Eine kleine Gemeinde übernimmt für ihre Grundschule die Aufsicht an den Bushaltestellen. Als sich niemand mehr für diese Aufgabe findet, hat der Bürgermeister eine einfache Lösung: Der Schulleiter soll die Lehrkräfte bitten, den Job „übergangsweise“ zu übernehmen. Aber gehört die Busaufsicht überhaupt zu den Pflichten von Lehrkräften? Die Rechtsabteilung klärt auf.

Der Fall

Die Kinder einer Grundschule im südlichen Mittelfranken sind auf die Linienbusse ihrer kleinen Gemeinde angewiesen. Morgens stimmt der Fahrplan noch gut mit dem Unterrichtsbeginn der Schule überein, mittags jedoch ergeben sich erhebliche Wartezeiten. 40 Minuten sind es etwa nach Ende der 4. Stunde, nach der 6.Stunde immerhin noch 30 Minuten. Für diese Zeiträume stellt die Gemeinde eine eigene Busaufsicht. Als sich nach den Sommerferien aber niemand mehr für diese Aufgabe findet, kommt der Bürgermeister auf die Idee, man könne sie doch an die Lehrkräfte „outsourcen“. Der Schulleiter stimmt zu, die Kolleginnen und Kollegen sind wegen der immensen Mehrarbeit verstimmt. 

Dies erst recht, weil einige Lehrkräfte mit Unterrichtsverpflichtung an mehreren Standorten für den Wechsel sofort nach der 4. Stunde losfahren müssen. Somit können die Lasten nicht vernünftig auf alle Schultern verteilt werden: Wer da ist, ist dran, egal ob man schon Pausenaufsicht gehabt hat, ob die Schule schon aus ist oder ob man schlicht selbst eine Pause braucht. Es kommt sogar vor, dass Lehrkräfte die Aufsicht am Schulbus parallel zu ihrem Unterricht leisten sollen. 

Begriffsfragen

Bevor man den Fall beurteilen kann, muss man zwei Sachverhalte unterscheiden: Da ist zum einen die Fahrt zur Schule beziehungsweise von dort nach Hause, wenn das Kind entsprechend den Regelungen des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes (Art. 2 Abs. 1 SchKfrG) mehr als drei Kilometer von der Schule entfernt wohnt. Diese Strecken werden als „Schulweg“ bezeichnet – im Unterschied zu sogenannten „Unterrichtswegen“. Das sind Strecken, die im Laufe des Schultages zwischen Unterrichtsstätten zurückgelegt werden müssen, etwa im Rahmen des Sportunterrichts die Fahrt mit dem Bus von der Schule zum nächstgelegenen Schwimmbad und zurück. Die sprachliche Unterscheidung rührt daher, dass die Unterrichtswege der schulischen Aufsicht unterliegen, der Schulweg aber „Privatsache“ ist. 

Der Unterrichtsweg

Unterrichtswege unterliegen voll umfänglich der schulischen Aufsicht. Beispiel: Eine Schwimmlehrkraft hat bereits in den ersten beiden Stunden Unterricht im Bad und müsste nach der Pause nur auf die nächste Klasse warten. Die Schule darf nun nicht bestimmen, dass die eine Klasse ohne Begleitung mit dem Bus zurückfährt und die nächste von der Schule zum Bad befördert wird. Der Busfahrer ist keine Aufsichtsperson, die Schule muss (!) mindestens eine Person als Begleitung für die Fahrt zu Verfügung stellen.  

Der Schulweg

Auf dem Schulweg, also auf dem direkten Weg zur Schule und zurück (ohne Umweg über den Schreibwarenladen oder die Imbissbude), unterliegen Schülerinnen und Schüler dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gem. §8 Abs. 2 Satz 1 SGB VII (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Demnach besteht Versicherungsschutz für „das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“. Ist das Kind in der Schule angelangt, beginnt deren Aufsichtspflicht, die unter anderem in § 5 LDO und
§22 BaySchO geregelt ist. 

Die Rechtslage

Ein Punkt ist immerhin eindeutig: Ist eine Lehrerin oder ein Lehrer im Unterricht, kann sie oder er – anders als in unserem Fallbeispiel – parallel keine Busaufsicht leisten. Das leitet sich klar aus § 5 Abs. 1 Satz 3 LDO ab: „Insbesondere hat die Lehrkraft spätestens von Beginn des Unterrichts an im Unterrichtsraum anwesend zu sein und von diesem Zeitpunkt an während der gesamten Dauer des von ihr erteilten Unterrichts, erforderlichenfalls bis zum Weggang der Schülerinnen und Schüler, die Aufsicht zu führen.“ Wenn ich Unterricht habe, bin ich also für die Schülerinnen und Schüler der zu unterrichtenden Klasse zuständig. Im Notfall ein Auge auf eine Klasse nebenan zu werfen, ist möglich (siehe bs # 5 2024), keinesfalls aber kann ich zugleich im Klassenraum und an der Bushaltestelle sein. Dies müssen die Lehrkräfte der Schulleitung nur zur Kenntnis bringen. Hielte die Schulleitung ihre Weisung zur Aufsichtsführung am Bus aufrecht, übernähme sie auch die Verantwortung.

Schwieriger ist die Frage, wie die Schülerinnen und Schüler während der Wartezeit beaufsichtigt werden können. Viele glauben, dass sich die Antwort aus der Unterscheidung ergibt, ob die Bushaltestelle innerhalb oder außerhalb des Schulgeländes liegt. In der Bayerischen Schulordnung heißt es nämlich, die Dauer der Beaufsichtigung (durch die Schule im Allgemeinen) geht „bis zum Verlassen des Schulgeländes“ (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BaySchO). Findige Köpfe, meist aus den Gemeindeverwaltungen, lesen dies so, dass Kinder – solange sie innerhalb des Schulgeländes warten und dieses nicht verlassen – damit auch nach Unterrichtsende noch der schulischen Aufsicht unterliegen. Wie lange diese Wartezeit ist, spielt in deren Augen dann keine Rolle.

Dies trifft auf Buskinder aus zweierlei Gründen nicht zu (anders als zum Beispiel auf solche, die sich während des Nachmittagsunterrichts auf dem Gelände aufhalten): Erstens würde eine Beaufsichtigung über einen Zeitraum von einer halben Stunde und mehr faktisch eine unzulässige Arbeitszeiterhöhung darstellen. Zweitens ist diese Beaufsichtigung, egal ob innerhalb des Schulgeländes oder außerhalb, Aufgabe der Kommune.  
Dies geht bereits aus der finanziellen Zuständigkeit hervor, geregelt im Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz: „Zum Schulaufwand der Grundschulen, Mittelschulen und der Förderschulen gehört auch die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg“ (Art. 3 Abs. 4 Satz 1  BaySchFG) sowie „Der Staat gewährt den Gemeinden, Schulverbänden, Landkreisen und Bezirken Finanzhilfen nach Maßgabe des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes zu der notwendigen Beförderung der Schülerinnen und Schüler an Grundschulen, an Mittelschulen und an Förderschulen auf dem Schulweg.“ (Art. 5 Abs. 2 BaySchFG)

Eindeutiger formuliert es jedoch eben dieses Bayerische Finanzausgleichsgesetz. Darin werden den Kommunen explizit Mittel für Beaufsichtigung zur Verfügung gestellt: „Zu den Kosten der notwendigen Beförderung gehören auch die notwendigen Kosten der Beaufsichtigung der Schüler im Schulbus und während der Wartezeiten in der Schulanlage außerhalb des stundenplanmäßigen Unterrichts“ (Art. 10a Abs. 1 BayFAG).  

Fazit

Die Gemeinde hat die Beaufsichtigung während der Wartezeit auf den Schulbus zu gewährleisten. Wie sie das macht, entzieht sich dem Einflussbereich der Schule. Ob man den Hausmeister der Schule als städtischen Bediensteten dazu verpflichtet, andere Mitarbeiter der Gemeinde damit betraut oder sich Ehrenamtliche sucht, die den Job übernehmen, ist der Kommune überlassen und auch deren ureigene Aufgabe. Klar ist jedenfalls, dass die Lehrkräfte für die Aufsicht am Schulbus nicht verpflichtet werden können. 

» zur bayerischen schule #2: Demokratie!



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