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Grundlagen des Verständnisintensiven Lernens (ViL) Startseite
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Was der Mensch lernt, hängt von ihm selber ab!

Erster Schritt zum Verständnisintensiven Lernen: Durch das Bewusstmachen des eigenen Lernprozesses in die Perspektive der Lernenden hineinversetzen. Wichtige theoretische Grundlage: Das AKE-Modell (Autonomie- u. Kompetenzerleben, soziale Eingebundenheit).


Ein Beitrag von Sylvia Harant, Kerstin Menzl, Monika Rützel, Julia Schuck und Sabine Siegelin. Erschienen in der Impulse-Broschüre "Lernen und Leistung im 21. Jahrhundert" 2022.

 

Lehrerinnen und Lehrer müssen dafür sensibilisiert werden, unterschiedliche Leistungen wahrzunehmen und Lern- und Leistungsprozesse zu ermitteln, zu beobachten, zu dokumentieren und zu beurteilen. Dieser Prozess kann durch eine verständnisintensive Annäherung ans Lernen begünstigt werden. Lehrerinnen und Lehrer geben schließlich keinen Schätzwert über Leistungen eines jungen Menschen ab, sondern eine differenzierte und ehrliche Wertschätzung der individuellen Leistung. (BLLV-Broschüre "Leistung im 21. Jahrhundert", S. 24)

Um zu verstehen, wie Lernen funktioniert, sollte jeder zunächst bei sich selbst anfangen. Durch das Bewusstmachen des eigenen Lernprozesses erreicht man ein tieferes Verständnis des eige- nen Lernens. So gelingt es leichter, sich in die Perspektive der Lernenden hineinzuversetzen.

"Verständnisintensiv" bedeutet: Man macht sich als Lehrperson die eigenen Handlungsroutinen und Gewohnheiten bewusst ("Das habe ich dir schon hundert Mal erklärt - warum kannst du es immer noch nicht?!"). Gegebenenfalls muss man sie aufbrechen, um den anderen wirklich zu verstehen, sich in ihn hineinzuversetzen und ihm passgenaue Hilfen anbieten zu können. Das Arrangieren von nachhaltigen und verstehens- tiefen Lernprozessen setzt eine den Lernen- den zugewandte und ehrlich interessierte Hal- tung voraus. Eine Grundlage des Ansatzes des Verständnisintensiven Lernens (ViL) ist das AKE-Modell (Autonomieerleben, Kompetenzerleben, soziale Eingebundenheit) aus der Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1993). Ein Unterricht, der auf ganzheitliches Lernen achtet und auf lernförderliche Leistungsbeurteilung abzielt, orientiert sich an diesem Modell.

AKE-Modell: Lernen ist dann erfolgreich, wenn ...





Wie lässt sich das im Alltag umsetzen?

Was fällt dir ein, wenn du eine Sequenz zum Thema USA planen sollst?

1. Schritt: Sammle Stichwörter, tausche dich mit deinem Kollegium aus. Du wirst feststellen, dass alle andere Vorstellungen haben, unter- schiedliche Schwerpunkte setzen, dass alle an das Thema unterschiedlich herangehen.

2. Schritt: Aus der Perspektive der Lernenden sieht das Thema wahrscheinlich nochmal ganz anders aus. Habe den Mut, diese Ideen anzu- nehmen und umsetzen zu lassen. Welche Fragen tauchen auf? Wo gibt es Antworten? Wie kann ich meine Gedanken und Ergebnisse mitteilen?

3. Schritt: Kriterien zur Bearbeitung, Präsentation, Bewertung gemeinsam erarbeiten und transparent machen; Feedback geben und nehmen

4. Schritt: Lern-/Arbeitsprozess reflektieren (beide – Lehrende und Lernende!): Wie ging es mir dabei? Was ist mir gut gelungen? Worauf bin ich stolz? Wie bin ich mit Schwierigkeiten umgegangen? Was war besonders interessant?

Was hat mich überrascht? Was habe ich dazugelernt (nicht nur fachlich, sondern auch was den Prozess angeht)? Welchen Tipp kann ich weitergeben? …

5. Schritt: Selbstreflexion der Lehrkraft: Was hat gut geklappt? Wo hat den Lernenden etwas gefehlt? Habe ich Ideen und Initiativen von den Lernenden zugelassen? Wo habe ich einen Prozess behindert oder zu sehr gesteuert? …

Am Ende erhalten wir ein sehr vielfältiges Bild von den USA, das wahrscheinlich ganz anders aussieht, als man es als Lehrkraft vorher geplant hätte. Jede und jeder Einzelne hat seinen Beitrag dazu geleistet und an diesem runden Endergebnis mitgewirkt. Und alle Lernenden haben hoffentlich Autonomie erlebt, sich kompetent und eingebunden gefühlt. Und die Lehrperson auch!

Im klassischen Verständnis von Leistung (Arbeit pro Zeit) wird der Wert des individuellen Lernprozesses wenig deutlich. Eine Leistungsbewertung nach ViL legt den Fokus auf das Beobachten von Lernprozessen.

Vielleicht nehmen wir uns oft einfach nur zu wenig Zeit, den Lernprozess wirklich zu verstehen. Wir sind aufs Ergebnis fokussiert, ohne die Lösungsansätze, die dazu geführt haben, näher zu betrachten, zu bewerten und zu würdigen. Dabei ist es durchaus lohnenswert, herauszufinden, wie jemand etwas lernt, welchen Weg der Lernende beim Denken genommen hat.

Wenn man den Lernenden dann auch noch die Freiheit gibt, dort zu starten, wo sie sich wohlfühlen und sich in ihrer Art und Weise ins Gesamtprojekt einbringen zu können, fühlen sie sich in den Lernprozess aktiv miteinbezogen. Sie bauen einen Bezug zur eigenen Leistung auf, erleben sich als wirksam und wertvoll. Dies ist die wichtigste Grundlage fürs Lernen.

Denn wie und was der Mensch lernen will, hängt von ihm selber ab!

Weiterführende Links und Lesetipps:

-> Einen anschaulichen Videoimpuls zum Thema finden Sie unter: bllv.de/weiterdenken
Verständnisintensives Lernen (ViL)
-> Informationen zu ViL finden Sie unter:
bllv.de/ViL
Tipp: Eine sehr gelungene Einführung in ViL mit Praxisbeispielen bietet das Buch: Fauser, P., Heller, F. & Waldenburger, U. (2015). Verständnisintensives Lernen. Theorie, Erfahrungen, Training. Klett Kallmeyer.

* Alle Autorinnen sind ViL-Trainerinnen. Sylvia Harant ist Fachoberlehrerin und Fachbe- raterin Grund- und Mittelschule E/G an einer bayerischen Grund- und Mittelschule, Kerstin Menzl ist Förderlehrerin an einer bayerischen Grund- und Mittelschule, Monika Rützel ist Studienrätin im Förderschuldienst an einem bayerischen Förderzentrum, Julia Schuck ist Schulleiterin an einer bayerischen Grund- schule, Sabine Siegelin ist Fachoberlehrerin an einem bayerischen sonderpädagogischen Förderzentrum.