Der jüngste Vorschlag, den Religionsunterricht durch ein einheitliches Ethikfach für alle (an ausgewählten Schulen) in Niedersachsen zu ersetzen, mag auf den ersten Blick nach pragmatischer Vereinfachung klingen. Auch die eilige Forderung aus einem anderen bayerischen Bildungsverband nach einem einstündigen (!) Fach Werteerziehung, weil der Religionsunterricht angeblich der Realität einer multikulturellen Gesellschaft nicht mehr gerecht werden würde, klingt nach Freisetzung von Ressourcen für vermeintlich Wichtigeres.
Beides verkennt aber den pädagogischen Wert pluraler religiöser Bildung. Wer Religion nur als Auslaufmodell behandelt, übersieht, wie sehr die Auseinandersetzung mit Religion(en) zur Wertebildung, Identitätsentwicklung und Demokratieerziehung beitragen kann und nimmt ebenso wenig zur Kenntnis, welch prägende Bedeutung ihr für immer noch viele Menschen zukommt.
Religiöse Sprache und Symbolik reflektieren gehört zur Demokratiebildung
Es kann selbstverständlich nicht um die Bewahrung alter und überkommener Strukturen gehen (Das zeigt auch die Bewegung beider Kirchen in Sachen Konfessioneller Religionsunterricht kooperativ, kurz KoRUK, und Konfessioneller Religionsunterricht mit erweiterter Kooperation, kurz RUmeK), sondern es muss um zeitgemäße Flexibilisierung, Kooperation und Vielfalt gehen: Konfessionelle Trennung, wo sie sinnvoll ist; Zusammenarbeit (auch interreligiös und interweltanschaulich), wo sie pädagogisch stärker wirkt. Es braucht Räume, in denen Schülerinnen und Schüler sowohl religiöse als auch säkulare Perspektiven kennenlernen und deren Verhältnis zueinander. Also: Nicht ein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch!
Die Schule ist nicht nur ein Ort säkularer Vernunft, sondern auch ein Spiegel kultureller, religiöser und weltanschaulicher Vielfalt. Wer echte Demokratiebildung will, braucht auch die Möglichkeit, religiöse Sprache und Symbolik im öffentlichen Raum Schule zu reflektieren. Hinzu kommt die Religionsfreiheit als ein hohes und wichtiges Gut. Religiöse Bildung in öffentlichen Schulen schafft die Grundlage, dieses Grundrecht verantwortet und mündig wahrnehmen zu können.
Die Frage ist also nicht: Religionsunterricht oder Ethik? Sondern: Wie schaffen wir es, beide Zugänge gemeinsam stark zu machen – für die Schülerinnen und Schüler von heute und die Gesellschaft von morgen, denn der gesellschaftliche Zusammenhalt ist wichtiger denn je!
<< Dr. Werner Haußmann, Leiter des BLLV-Referats „Schule – Kirchen – Religionen“

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Ethik für alle statt religiöser Bildung?
Wer lang genug bohrt, trifft nicht automatisch den Kern.