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Presse-Statement der BLLV-Präsidentin zum Bildungsauftrag inmitten von Multikrisen Startseite Topmeldung
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Kriegstüchtigkeit, Krisenvorsorge oder starke resiliente Menschen?

Welche Rolle spielen die Schulen in einer neuen globalen Bedrohungslage, die längst auch in Europa angekommen ist? Was ist unser Bildungsziel? Warum der Vorstoß des Bundesinnenministers zu kurz greift und die Realität an den Schulen verkennt!

Der Bundesminister des Innern Alexander Dobrindt, MdB, will Schülerinnen und Schüler auf den Krisenfall und einen möglichen Kriegsfall vorbereiten. Sein Vorschlag: Eine speziell gestaltete Doppelstunde pro Schuljahr, in der mit älteren Schülerinnen und Schülern darüber diskutiert wird, welche Bedrohungsszenarien es geben kann und wie man sich darauf vorbereitet. Das übergreifende Thema ist nicht neu und trotzdem kocht die Diskussion nach dieser Idee wieder hoch. Die Debatte entzündete sich schon am Wehrunterricht in Lettland oder auch an den Informationsbroschüren zur Kriegsgefahr in Schweden und Norwegen. 

„Zeit von Multikrisen“: Thema und Auftrag auf allen gesellschaftlichen Ebenen

Bei meinen Gesprächen im Bayerischen Landtag konnte ich oft genug feststellen, dass das Thema die Politik umtreibt und den Politikerinnen und Politikern Sorgen bereitet. Vieles hat sich schnell verändert in Europa und damit auch die Wahrnehmung von Wehrpflicht, Bundeswehr und Verteidigungsfähigkeit. Man macht sich Gedanken, wie man sich besser aufstellt und wie man die Menschen dabei mitnimmt und informiert, sie stark macht und trotzdem keine Ängste und Sorgen schürt. Und da sind wir schon mitten im Bildungsauftrag: Was bedeutet das für die Schulen?

Krisen sind wie im Brennglas in der Schule wiederzufinden

Alle Themen in der Gesellschaft und vor allem die Ängste und Sorgen kommen mit den Kindern und Jugendlichen auch in die Schule. Die bleiben nicht draußen vor der Tür. Die Schulen sind wie ein Brennglas und diese Themen kommen hier immer sofort an. Statt abstrakte Ideen einzuführen, müssen wir die Kinder und Jugendlichen im Blick haben. 

Was bedeutet denn eigentlich Kriegstüchtigkeit? Was ist Krisenvorsorge? Muss man Angst haben? Was macht die Bundeswehr? Kinder stellen sich genau die Fragen, die wir Erwachsenen uns auch stellen. Und deswegen müssen wir mit den Schülerinnen und Schülern diesen Themen nachgehen und uns Zeit nehmen. Das gilt umso mehr für die Kinder, die zu Hause gar nicht darüber sprechen, zum Beispiel weil die Eltern das nicht interessiert oder sie sich die Zeit nicht nehmen. Also ja, wir brauchen so ein Dialogforum für Schülerinnen und Schüler!

Lehrkräfte brauchen Zeit und Ressourcen

Wir sehen, dass wir hier in der Zeit von Multikrisen schnell reagieren müssen und dass wir Zeit brauchen. Wenn wir starke, resiliente Kinder erziehen und bilden wollen, die in dieser Welt resilient und kompetent stehen können, dann wird es mit 90 Minuten, also mit einer Doppelstunde, nicht hinhauen. Und vor allem warten wir dafür nicht auf Lehrplanänderungen, um diesem Auftrag nachzukommen. Wir brauchen Zeit, Ressourcen und Freiheiten, um diese Themen aufzugreifen, zu besprechen und fächerübergreifend einzubinden. Wir Lehrerinnen und Lehrer können das!

Wir können die Unterrichtsinhalte spezifisch auf die Altersgruppe unserer Schülerinnen und Schüler münzen. Wir wissen, wie man mit 10-Jährigen über sowas diskutiert. Und wir wissen auch ganz genau, wie man bei 17-Jährigen deren Interessen und Wissen reinholt, welche Medien sie konsumieren und welche zusätzlichen Informationsquellen wir da brauchen. Wenn man den Lehrkräften das Vertrauen entgegenbringt, Krisenthemen in der Mitte des Unterrichts zu behandeln, können wir Pädagoginnen und Pädagogen das sehr altersspezifisch, pädagogisch und methodisch bestmöglich umsetzen.

Aber: Es muss klar sein, dass wir nicht alles immer dreifach machen können. Das heißt, wenn wir das Thema jetzt in den Mittelpunkt stellen, und da reicht eine Doppelstunde im Schuljahr garantiert nicht, dann kostet es Zeit. Und wenn man es gut machen will, noch mehr Zeit. Und dann fällt vielleicht etwas anderes hinten runter. 

Starke Menschen bilden

Der Bildungsauftrag ist, die Kinder dabei zu unterstützen hellsichtige, starke und resiliente Menschen zu werden, die die Welt um sich verstehen und kompetente Entscheidungen treffen. Das in zwei Stunden pro Jahr erreichen zu wollen, verkennt den Auftrag von Schule, die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer und die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler und bringt nur „klein, klein“ statt starker Lösungen.

Weitere Informationen

>> Pressemitteilung des BLLV-Dachverbands VBE vom 28.10.2025: 
„Vorsorge gerne, aber nachhaltig!“