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2015: Der Sommer der Flucht Startseite Topmeldung
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10 Jahre: Zwischen "Flüchtlingskrise", Menschlichkeit und echter Solidarität

Wegen Krieg, Armut und Hunger suchten 2015 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak Schutz und Hilfe in Deutschland, darunter tausende Kinder. Was aus dem Mut und der Tatkraft der Schulen wurde, beleuchtet die SZ im Gespräch mit Simone Fleischmann.

“Zehn Jahre Flüchtlingssommer” und „Unsere Lehrer waren nullkommanull darauf vorbereitet“. So überschreibt die Süddeutsche Zeitung (SZ) in einem ausführlichen, ergreifenden und persönlichen Bericht das, was sich vor zehn Jahren in Deutschland und in Bayern zugetragen hat. Schon im Frühjahr 2015 kamen Flüchtlinge in Deutschland und in Bayern an, suchten Schutz vor Armut und Krieg in Syrien, Afghanistan oder dem Irak. Untergebracht wurden sie am Anfang oft in Turnhallen wie im Poinger Schulzentrum, wo BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann damals die Grund- und Mittelschule leitete.

Eine Perspektive für Geflüchtete und die Kinder

Im Sommer und im Herbst 2025 kamen dann Tausende am Münchner Hauptbahnhof an. Die Bilder in den Medien zeigten immer wieder Gruppen von Geflüchteten, die – von der Polizei begleitet – irgendwo in Bayern über Wiesen und Feldwege liefen. Und natürlich sollten die Kinder in die Schulen, sollten Deutsch lernen und irgendwie ankommen. Gerade den Lehrerinnen und Lehrern war klar, dass die Sprache und der Austausch das wichtigste sein werden, damit die Kinder und alle Geflüchteten irgendwie ankommen, weitermachen können. 

Zu Beginn erlebte Simone Fleischmann „eine Willkommenskultur, dass mir das Herz aufging“, wie sie der SZ im Gespräch sagte. Lehrkräfte sammelten Stifte, Hefte und Bücher wo sie sie bekommen konnten und kauften das Material zur Not einfach selbst. Die Kinder an ihrer Schule wollten die “Neuen” kennenlernen, sie in der Klasse haben und ihre Plüschtiere mit ihnen teilen. „Das ging rasant", erinnert sich die BLLV-Präsidentin. „Die Eltern haben mir die Bude eingerannt und wollten unbedingt Deutschkurse geben – ich wusste teilweise gar nicht, wo ich mit der ganzen Hilfe hinsollte“. Schon alleine deshalb war Simone Fleischmann überzeugt, dass das alles bewältigt werden kann.


Angst und die Verschärfung der Debatte

Sie berichtet in der SZ aber auch davon, wie die ersten Zweifel kamen, wie die Stimmung kippte und wie die Vorbehalte und Ängste vor Männern aus fremden Kulturen und verhüllten Frauen auch bei den Eltern stärker wurden. Und wie bei einem Elternabend, an dem auch der Landrat teilnahm, besorgt gefragt wurde, ob die Geflüchteten denn da raus können aus der Turnhalle, in der sie untergebracht waren. Simone Fleischmann erinnert sich wie heute: „Da konnte ich nicht mehr, da musste der Landrat antworten, das sind doch keine Tiere, die man da in der Turnhalle gehalten hat!“ Dieser Moment habe sich bei ihr eingebrannt.

Haltung! Heute aktueller denn je!

Auch in der Politik wurde der Ton 2015 schnell rauher, von “Wir schaffen das” hin zu ganz anderen Tönen, auch im Bayerischen Landtag. Bald ging es viel weniger um Sachdiskussionen oder Lösungen, um die strukturellen Probleme zu bewältigen. Die Stimmung wandte sich zunehmend gegen die Menschen, gegen die Geflüchteten und das oft ganz pauschal und ungerichtet. Für den BLLV war dies der Zeitpunkt ein Manifest aufzulegen – das Manifest “Haltung zählt!” Und dieses sollte nicht nur ein geduldiges Paoier sein, sondern in die Breite getragen werden, Unterstützerinnen und Unterstützer finden und gehört werden: Politik, Prominenz und Kirchen unterzeichneten das Manifest und stellten sich hinter die Forderungen. Es wurde verbreitet und verteilt in den sozialen Medien, per Mail und schriftlich – an die Mitglieder des BLLV, an die Politik und an die Schulen. „Aber ich hätte nie gedacht, dass ich das Manifest heute, zehn Jahre später, noch so oft in der Hand habe, Migrationspolitik ist das größte Minenfeld“, sagt die BLLV-Präsidentin heute. Denn viele der Probleme von damals prägen auch heute wieder den Diskurs.

Warum gelingende Inklusion auch ein Thema der Lehrkräftebildung ist

Was allerdings funktionierte: Die Staatsregierung reagierte. Es wurden Gelder für die Integration bereitgestellt, Konzepte erstellt, Kinder und Jugendliche unterrichtet. Aber es dauerte – auch an den Berufsschulen, die sich damals schnell mehr Auszubildende erhofft hatten. Immerhin sind die Schulen wegen der damals getroffenen Maßnahmen heute besser aufgestellt, wie auch die SZ betont. Deutschklassen gibt es an zunehmend mehr Schularten und auch Simone Fleischmann anerkennt die Gesamtleistung an – bei allen Optimierungspotenzialen im Detail: „Die Struktur ist gut gedacht, die Formate würden sehr gut funktionieren, hätten wir das entsprechende Personal.“ Aber zu wenig junge Menschen kommen gerade jetzt an die Mittelschulen, die derzeit einen Großteil der Integrationsarbeit an den Schulen stemmen und zu wenige studieren Deutsch als Zweitsprache.


Gerade bei den Deutschklassen oder Alphabetisierungskursen sind die Schulen deshalb auf externe Partner angewiesen, deren Dozenten nur selten ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind. Und: Nach wie vor sind viele Lehrkräfte nicht auf die große Heterogenität im Klassenraum vorbereitet. Dies über eine Reform der Lehrkräfteausbildung zu ändern, ist eines der Kernanliegen des BLLV im Ausbildungsbereich, das die BLLV-Präsidentin auch in die Expertenkommission zur Lehrkräfteausbildung eingebracht hat. Die entsprechende Empfehlung im Expertengutachten (PDF-Download): “Die Lehrkräfteausbildung in Bayern ist auf die Kernkompetenzen des inklusiven Umgangs mit Heterogenität auszurichten.” Wie die BLLV-Präsidentin dazu schon im Mai 2025 feststellte: “Jetzt ist es an der Zeit, die Empfehlungen umzusetzen! Der BLLV wird aktiv dabei sein und sich mit all seiner Kompetenz einbringen. Jetzt ist es an der Zeit, die Chancen zu nutzen.”