FG Gymnasium Tamara Thum
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Kommentar zum ILV-Urteil Startseite
Bildungsqualität Individuelle Förderung Schülerzentriert

Lernzeitverkürzung Gymnasium: Mittelstufe modularisieren!

Das Verwaltungsgericht München traf am 7. Juli eine wegweisende Entscheidung: Gymnasien müssen die zur Individuellen Lernzeitverkürzung (ILV) gehörenden Förder- und Begleitmodule sowie eine:n Mentor:in auch für einzelne Schüler:innen anbieten. Eine Einordnung.

Das Kultusministerium hatte im laufenden Schuljahr 2024/25 erstmalig die umstrittene „Drei-Schüler-Regel“ eingeführt, die besagte, dass die Schulen erst ab drei ILV-Teilnehmer:innen auch Budget zugewiesen bekämen. Die Folge war, dass im laufenden Schuljahr Gymnasien mit weniger als drei Anmeldungen die ILV an einigen Standorten nicht ermöglichten. Das Gericht entschied im Urteil vom 07.07.2025: Der individuelle Anspruch auf die Teilnahme an den ILV-Modulen besteht unabhängig von dieser Drei-Schüler-Regel. Dieses Urteil ist dahingehend zu begrüßen, dass das Kultusministerium sich nun einigen Fragen zur ILV stellen muss. 

Zum einen kann es nicht einfach der Einzelschule überlassen werden, Stunden für dieses Angebot aus dem ohnehin knappen Budget zu generieren, weil das Kultusministerium diese erst ab drei Anmeldungen zuweist. Der prognostizierte Lehrkräftemangel in den nächsten Schuljahren verschärft die Problematik der ILV-Stunden zusätzlich. Jede Stunde, die nicht für den regulären Unterricht verplant werden kann, wird spürbar fehlen – selbst wenn die Stunden nach dem Urteil nun auch wieder für einzelne Schüler:innen zugewiesen werden. Angesichts der Budgetkürzungen aufgrund des Lehrkräftemangels ist es zudem fraglich, wie sinnvoll es ist, Stunden für eine exzellente Betreuung eines einzelnen oder weniger Schüler:innen zu binden, während auf der anderen Seite Wahl- bzw. Förderangebote gestrichen und Klassen vergrößert werden. 

Aus dem Gerichtsverfahren wird deutlich, dass sich das Kultusministerium wohl hinsichtlich der Attraktivität der Individuellen Lernzeitverkürzung völlig verschätzt hat. Anfangs wurde eine Zielmarke von 20 Prozent eines Jahrgangs genannt. Eine Landtagsanfrage der Grünen im Dezember 2024 hat gezeigt, dass in den letzten Schuljahren die Teilnahme tatsächlich bei unter 7 Prozent eines Jahrgangs lag. Dabei wurde vom Kultusministerium bedauerlicherweise nicht offengelegt, wie viele dieser Schülerinnen und Schüler tatsächlich die 11. Jahrgangsstufe übersprungen haben, obwohl diese Information leicht zu erheben wäre. Die Fachgruppe Gymnasium des BLLV fordert hier eine ehrliche und transparente Kommunikation. 

Aufgrund der geringen Anmeldezahlen wäre es überlegenswert, budgetsparende Alternativen anzubieten. Zum Beispiel könnte eine Lehrkraft ein digitales Angebot für mehrere Schulen im Umkreis machen. Es muss auf jeden Fall vermieden werden, dass Lehrkräfte, die ILV-Stunden haben, unter dem Druck stehen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, weil sie im Rahmen der ILV nur wenige Schüler:innen betreuen.

Die Fachgruppe Gymnasium des BLLV hat sich bereits bei der Umstellung vom achtjährigen auf das neue neunjährige Gymnasium dafür ausgesprochen, über eine modularisierte Gestaltung der Mittelstufe nachzudenken, die es leistungsstärkeren wie leistungsschwächeren Schüler:innen erlaubt, in einzelnen Fächern Vertiefungs- bzw. Fördermodule zu belegen, um ihre individuelle Lernzeit entweder zu verkürzen oder zu verlängern. So könnten alle von den dafür einzurichtenden Budgetstunden profitieren statt nur wenige Schüler:innen.

>> Von: Tamara Thum, Stv. Leitung der Fachgruppe Gymnasium und Mitglied im Landesvorstand des BLLV