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Politische Bildung – Lehrkräfte zunehmend unter Druck Startseite Topmeldung
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Ein „Neutralitätsgebot“ gibt es nicht

Lehrkräfte und Schulen müssen sich von Akteuren des rechten Spektrums immer häufiger den Vorwürfen stellen, sie würden ihre Schüler:innen indoktrinieren. BLLV-Präsidentin Fleischmann stellt im Interview mit Kontraste klar: „Wir haben kein Neutralitätsgebot!“

Hakenkreuze in Klassenzimmern, AfD-Sticker unter dem Tisch, Hitlergruß auf dem Schulgelände – all das sind an deutschen Schulen keine Einzelfälle mehr. Der Rechtsextremismus an Schulen hat in den letzten Jahren zugenommen. Das zeigt auch eine Recherche des Magazins Stern und RTL: Immer mehr Lehrkräfte berichten von rechtsextremen Äußerungen und Vorfällen unter Schülerinnen und Schülern.

Gleichzeitig werfen AfD-Politiker:innen, Medienschaffende und teils auch junge Influencer aus dem rechten Spektrum den Lehrkräften vor, Schülerinnen und Schüler angeblich ideologisch zu beeinflussen und sie zu indoktrinieren. So wurden in Bayern in den vergangenen beiden Jahren einige Fälle bekannt, in denen AfD-Mitglieder Schulleitungen oder Lehrkräfte in Form von Anfragen an die Bayerische Staatsregierung anprangern – unter anderem mit der Begründung, diese würden gegen das Neutralitätsgebot verstoßen. In der Sendung des ARD-Magazins Kontraste vom 6. November 2025 erzählt ein Schulleiter eines Gymnasiums in Niederbayern von einem ähnlichen Vorgehen, nachdem er zu einer überparteilichen Demonstration aufgerufen hatte – für Demokratie und gegen die Remigrationspläne rechtsextremer Kreise. In manchen Bundesländern habe die AfD sogar Meldeportale eingerichtet, über die auffällige Vorfälle im Unterricht der Partei gemeldet werden können.

(Falsche) Anschuldigungen führen zu Verunsicherung bei Lehrkräften

Für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet diese Entwicklung, dass sie persönlich sowie öffentlich zunehmend unter Druck geraten. Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, glaubt, es gehe bei solchen Anschuldigungen vor allem darum, Pädagoginnen und Pädagogen in der politischen Bildung einzuschüchtern. „Jede dieser Anfragen führt dazu, dass du als Lehrer nachdenkst. Dass du dir als Lehrerin überlegst, mach ich das jetzt, begebe ich mich jetzt auf ein gefährliches Terrain – und das ist es – wenn ich weiß, dass ich hier womöglich denunziert werden soll.“ Auch Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) beunruhige der Druck der AfD auf Lehrkräfte und Schulen, wie sie in der Sendung erläutert.


Beitrag der Sendung Kontraste in der ARD Mediathek (06.11.2025)

Schulen am Pranger – Wie AfD-Politiker Lehrer unter Druck setzen

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Doch was hat es mit dem benannten Neutralitätsgebot auf sich? In der Diskussion um die Pflichten von Lehrkräften kommt immer wieder der Beutelsbacher Konsens zur Sprache. Darin wurden Ende der 1970er-Jahre die Leitgedanken der politischen Bildung in Deutschland festgeschrieben.

Beutelsbacher Konsens schreibt Bekenntnis zur Demokratie vor, aber keine Neutralitätspflicht

Der Beutelsbacher Konsens umfasst drei Grundsätze: das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Interessenlage. Laut dem Überwältigungsverbot ist es „nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ›Gewinnung eines selbständigen Urteils‹ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination“ (bpb, Bundeszentrale für politische Bildung). Außerdem sollen im Bereich der politischen Bildung Kontroverse und Dissens aufgegriffen und thematisiert werden, wie sie auch in Wissenschaft und Politik vorhanden sind. Beim Beachten der Interessenlage geht es darum, dass Schüler:innen befähigt werden sollen, eine politische Situation und die eigene Interessenlage zu analysieren.

Eine Neutralitätspflicht ist nicht vorgeschrieben. Lehrkräfte dürfen also politische Meinungen äußern, solange sie rechtliche Rahmenbedingungen und den öffentlichen Bildungsauftrag beachten. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann betont: „Ich unterstelle der AfD, dass sie ganz bewusst immer von Neutralitätsgebot spricht, obwohl wir das gar nicht haben. Sie spricht davon, um uns gleich klarzumachen: Du musst neutral sein. Nein! Es geht darum, Demokraten zu bilden auf Basis unseres Grundgesetzes, fußend auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung.“ 

Haltung zeigen – im Sinne der Demokratie

Auch laut Beamtenstatusgesetz sind Lehrkräfte dazu verpflichtet, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und für demokratische Werte und Prinzipien einzustehen. Es ist demnach nicht ‘unneutral’, die Werte unserer Demokratie auch aktiv im Unterricht zu transportieren. „Es ist Aufgabe der Lehrkräfte, demokratische und pluralistische Werte zu vermitteln. Das bedeutet: Lehrkräfte dürfen Position beziehen, wenn es um die Werte unseres Grundgesetzes geht. Sie müssen es sogar“, kommentiert die BLLV-Präsidentin.

Der BLLV stärkt allen Lehrkräften und Pädagog:innen den Rücken, im Unterricht Haltung zu zeigen und demokratische Werte zu lehren. Im Manifest ‘Haltung zählt’ ruft der Verband zu einem respektvollen Miteinander auf. Fleischmann erklärt: „Mit unserem Manifest ‘Haltung zählt’ haben wir uns klar zu einer weltoffenen Gesellschaft und einer demokratischen Grundordnung bekannt – gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung. Dem sind wir verpflichtet und dem stellen wir uns mit Mut und Haltung. Es ist schwerer geworden diese Werte zu vertreten, aber es war auch noch nie so wichtig wie jetzt, dafür klar und sichtbar einzustehen.“

Außerdem setzt sich der BLLV dafür ein, Demokratiepädagogik an Bayerns Schulen zu fördern. Demokratie soll nicht nur Lerngegenstand sein, sie muss an den Schulen gelebt werden.

BLLV-Praxishandreichung: Demokratie lernen von klein an!

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