Beim diesjährigen bayernweiten Dokumentarfilmwettbewerb DOK.education gewann Miray Erbolat von der Anna-Pröll-Mittelschule Gersthofen mit ihrem Film „KOKI“ den Hauptpreis. Ihre Filmlehrkräfte Susanne Starman und Serkan Erol berichten im Gespräch mit Maya Reichert, Leiterin von DOK.education, von der pädagogischen und künstlerischen Arbeit beim Filmemachen. Schon zweimal in Folge wurden Filme ihrer Schüler:innen beim Dokumentarfilmwettbewerb mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Die Filme ihrer Schüler:innen setzten sich gegen 50-70 Filmarbeiten von Kindern und Jugendlichen aller Schulformen durch.
Maya Reichert: Frau Starman, Herr Erol – Sie leiten gemeinsam eine Film-AG. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Serkan Erol: Meine Kollegin Susanne Starman wechselte aus der Architektur und dem Film als Quereinsteigerin an die Anna-Pröll-Mittelschule. Ich hatte kürzlich die Filmlehrerausbildung in Dillingen abgeschlossen. Unser gemeinsames Interesse für Film war Ausgangspunkt für unsere Zusammenarbeit.
Mein Schwerpunkt liegt in der Literatur und im Theater. Der vielfältige künstlerische Hintergrund ist eine unserer großen Stärken. Im Co-Teaching ergänzen wir uns nicht nur inhaltlich, sondern auch menschlich: Unsere unterschiedlichen Zugänge zu den Schüler:innen ermöglichen ein breiteres Lernfeld – künstlerisch wie pädagogisch.
Maya Reichert: Wie lässt sich Filmarbeit in den schulischen Alltag einer Mittelschule integrieren?
Susanne Starman: Die Mittelschule arbeitet mit dem Klassenleiterprinzip, was fächerübergreifendes Denken fördert. Wir bauen die Filmarbeit bewusst in größere pädagogische Kontexte ein – wie zum Beispiel kürzlich ein Ausflug zum Haus der Kunst oder die Abschlussfahrt nach Malta, worüber die Schülerinnen und Schüler ihre persönliche Wahrnehmung als kurze Videos zum Ausdruck gebracht haben. Oft nehmen wir schulische Gegebenheiten zum Anlass – sei es der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, Themen aus dem Alltag der Jugendlichen oder künstlerische Wettbewerbe, die gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufwerfen. Die Kamera wird dabei zum Werkzeug, um Beziehung, Ausdruck und Kreativität zu fördern.
Maya Reichert: Ihr erster Dokumentarfilm PRAKTIKUM (2024) erzählt von Erfahrungen Ihrer Schüler:innen während dem Praktikum. Was war Ihnen dabei wichtig?
Serkan Erol: Die Mittelschule ist oft mit Klischees behaftet. Unser Ziel war es, ein authentisches Bild zu zeigen – fernab von Vorurteilen. Uns war es wichtig, dass die Schüler:innen selbst erzählen, wie sie ihre ersten Erfahrungen im Berufsleben reflektieren, was sie bewegt und was sie sich für ihre Zukunft vorstellen.
Susanne Starman: Es war beeindruckend zu sehen, wie ernsthaft sich die Jugendlichen mit der Kamera auseinandersetzen. Film bieten ihnen eine Bühne – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Gerade für psychisch belastete Schüler:innen ist es eine Chance, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und Anerkennung zu erhalten.
Maya Reichert: Auch im zweiten Film KOKI (2025) befassen sich die Schüler:innen mit der eigenen sozialen Gruppe. Welche Beweggründe stecken hinter dieser Entscheidung?
Serkan Erol: Es hat praktische Gründe - die bestehenden Beziehungen ermöglich eine vertrauensvolle Atmosphäre, so dass die Protagonist:innen offen und authentisch vor der Kamera agieren können. Zudem findet sich die Schülerschaft der Mittelschule in den Filmen wieder und kann daraus Erkenntnisse für das eigene Leben ziehen. Darüber hinaus werfen wir ein Licht auf die soziale Gruppe mit dem Ziel Verallgemeinerungen in Frage zu stellen.
Maya Reichert: Sie sprechen von Öffnung der Schule. Was meinen Sie damit konkret?
Susanne Starman: Wir suchen bewusst den Kontakt zu außerschulischen Kooperationspartnern. Unsere Filme laufen auf Festivals wie dem DOK.fest, Filmtage bayerischer Schulen oder beim Brechtfestival. Es geht darum, die Schüler:innen zu motivieren über den Tellerrand zu blicken und ihnen zu zeigen, dass ihre künstlerische Auseinandersetzung Spuren hinterlassen kann.
Maya Reichert:Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Filmarbeit?
Susanne Starman: Unser Traum wäre es, eine Filmklasse für die Jahrgangsstufen 7 bis 9 zu etablieren, in denen wir im Co-Teaching über drei Schuljahre die Schüler:innen pädagogisch und künstlerisch begleiten. Die Filmklasse würde die technischen und ästhetischen Grundlagen der Filmarbeit kennenlernen und die Fähigkeit Film als Ausdrucksmittel einzusetzen für ihr Leben nach der Schule mitnehmen.
Maya Reichert: Wir wünschen Ihnen weiterhin Erfolg und Kraft für diese gesellschaftlich wertvolle und wichtige Arbeit! Danke für das Gespräch.