Die Arbeitszeit pro Kopf liegt in Deutschland derzeit bei 29 Stunden pro Woche und liegt damit auf dem Höchststand seit der Wiedervereinigung, belegt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am 12. August 2025. Gleichzeitig erreicht auch der Anteil der Lehrkräfte in Teilzeit ebenfalls einen Höchststand. Grund für diese Entwicklung ist die Mehrarbeit von Frauen.
Nicht nur im Job, sondern auch zu Hause leisten Frauen deutlich mehr. Der Sozialverband Deutschland zeigt mit Hilfe des aktuellen Gender Care Gap auf, dass Frauen pro Tag im Schnitt 1 Stunde und 19 Minuten mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer. Das summiert sich auf einen Vollzeittag pro Woche, zusätzlich zur Erwerbsarbeit.
Und dennoch hören wir aus der Politik auf Landes- ebenso wie auf Bundesebene immer dieselben Forderungen: mehr Arbeit, weniger Teilzeit. Aber es ist eben nicht nur eine Frage des Wollens. Diese Sichtweise ist seitens der Politik nicht nur zu kurz gedacht, sie ist in erster Linie bequem. Denn es lenkt davon ab, dass die Politik viel weiter denken müsste.
Die in den vergangenen Monaten befeuerte „Leistungsdebatte“ zeugt nicht von einer ernsthaften Auseinandersetzung über Arbeit und Leistungsbereitschaft, sondern vor allem eine Suche nach Personengruppen, die vermeintlich nicht genug arbeiten. Doch wer wirklich über Leistung sprechen will, muss über Rahmenbedingungen sprechen: Flächendeckende und verlässliche Kinderbetreuung, entlastende Arbeitszeitmodelle und eine Familienpolitik, die Vereinbarkeit nicht nur verspricht, sondern garantiert.
Die Zahlen zeichnen ein sehr eindeutiges Bild, was quer liegt zu den populistischen Erzählungen mancher Politiker. Klar ist: In Deutschland wird so viel gearbeitet wie seit Jahrzehnten nicht. Die aktuelle Debatte ist daher keine echte Leistungsdebatte, sondern eine Schulddebatte. Man sucht nach Personengruppen, die für die politischen Versäumnisse geradestehen sollen: Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger, die GenZ mit ihrer Work-Life-Balance, Lehrkräfte in Teilzeit.
Gerade in Zeiten des Lehrkräftemangels muss die Attraktivität des Berufs im Mittelpunkt stehen. Menschen entscheiden sich dort zu arbeiten, wo die Rahmenbedingungen nicht nur attraktiv, sondern auch ihrer persönlichen Lebenssituation angemessen sind. Wenn politische Botschaften sich darauf beschränken, immer mehr Leistung zu fordern, während die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtert werden, darf man sich über mangelnde Attraktivität des Berufs nicht wundern.
Leistung, wie der BLLV sie versteht, erfordert von der Politik, dass sie eben die passenden Rahmenbedingungen schaffen muss, damit Menschen in die Lage versetzt werden, ihre volle Leistungsfähigkeit in der Vielfalt der Herausforderungen zu entfalten. Sei es in Schule, im Beruf, im Ehrenamt oder im Rahmen der Care-Arbeit. Wer immer mehr Leistung von anderen fordert, muss erstmal selbst liefern.
Alles andere ist reine Stimmungsmache.
Anlass gaben u. a. diese beiden Pressemitteilungen: