Jetzt offene Fragen zum Distanzunterricht klären! Startseite Topmeldung
Distanzunterricht Bildungsgerechtigkeit Lernplattform Leistungsrückmeldung Multiprofessionalität Schulsozialarbeiter Schulpsychologe Übertritt

Leistungsmessung regeln, Kinder multiprofessionell auffangen – Schule braucht sichere Lernplattformen und Erholungsphasen!

Der Ministerrat hat Klarheit geschaffen, aber wichtige Fragen zum Distanzunterricht bisher nicht beantwortet. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert klare Regelungen und beurteilt die Streichung der Faschingsferien pädagogisch kritisch.

Der BLLV begrüßt die vom Ministerrat geschaffene Klarheit, wie es nach den Weihnachts­ferien für die Schulen weitergeht. „Wir haben uns klare Ansagen gewünscht, die haben wir bekommen und mit denen gilt es nun umzugehen“, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Allerdings müsse man jetzt vor dem Hintergrund, dass bis Ende Januar an allen Schulen und für alle Jahrgänge Distanzunterricht stattfinden werde, genau hinschauen und Antworten auf wichtige Fragen finden: zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften, zum Umgang mit Kindern in schwierigen Verhältnissen, zur Notbetreuung sowie zum Thema Noten und Leistungsmessungen.

Gestrichene Faschingsferien: Lernen braucht Ruhephasen

Die Entscheidung, die Faschingsferien in diesem Jahr ausfallen zu lassen, sieht Simone Fleischmann vor allem aus pädagogischer Sicht kritisch: „Lern­prozesse sind dann erfolgreich, wenn es zwischen den fordernden Phasen des Lernens auch Phasen der Entspannung wie eben den Ferien gibt." Zudem fragt sich die BLLV-Präsidentin, wie hoch die Motivation der Schülerinnen und Schüler für Distanz­unterricht sei in einer Woche, in der sie eigentlich Ferien gehabt hätten. Fleischmann gibt auch zu bedenken, dass die Arbeitsbelastung von Lehrkräften während des Distanzunterrichts enorm sei und sie – wenn die Erholungsphasen wegfallen – keine Energie für die kommenden Wochen auftanken könnten.

Es sei zwar prinzipiell nachvollziehbar, Zeit zum Aufholen von Lerninhalten gewinnen zu wollen. Andererseits lasse sich mit einer Woche nicht ausgleichen, was zuvor beispielsweise in Sachen Digitalisierung verpasst worden sei. „Das Kultusministerium will mit der Streichung der Faschingsferien retten, was noch zu retten ist", kritisiert die BLLV-Präsidentin.

Schnelle und pragmatische Lösungen gefragt

Für die nächsten Wochen gelte es aber vor allem, „die Kinder in den Blick zu nehmen, die sonst verloren gehen, die durchs soziale Netz fallen. Diesen Kindern fehlt die Schule auch, weil sie ihnen emotionale Sicherheit und soziale Beziehungen bietet, Beschäftigung, Ansprache, eine Tagesstruktur und ein Mittagessen.“ Wichtig sei dem BLLV deshalb, Strukturen aufrecht zu erhalten, die Kindern einen geregelten Tagesablauf ermöglichen. „Hier braucht es jetzt unbedingt die Zusammenarbeit von Kultus-, Sozial- und Gesundheits­ministerium und entsprechende Angebote“, fordert Simone Fleischmann.

Nach Ansicht des BLLV müsse es möglich sein, dass Mitarbeitende vom Jugendamt, Psychologen oder Schulsozialarbeiter, die sich auch schon vor Corona um diese Familien gekümmert haben, einbezogen werden und in die Familien gehen. „Natürlich suchen auch die Lehrkräfte den Kontakt zu den Kindern. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass uns Kinder verloren gehen, insbesondere wenn der Distanzunterricht länger anhält“, berichtet die BLLV-Präsidentin.

Notbetreuung klar definieren

Neben der Bildungsgerechtigkeit für Kinder müsse es auch um die Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern gehen. Zum jetzigen Zeitpunkt wisse man noch nicht, wie stark die Notbetreuung in Anspruch genommen werde und wie sehr Lehrerinnen und Lehrer dafür im Einsatz sein müssten. Dies betrifft in der Regel jüngere Kinder und damit Grund-, Mittel- und Förderschulen.

Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob die zusätzlichen zehn Tage, die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen können (bei Alleinerziehenden zwanzig), ausreichen, um den größten  Bedarf aufzufangen. Deshalb sei das Kultusministerium hier gefordert, einen klaren Rahmen zu definieren und auch den Gesundheitsschutz der Lehrkräfte sicherzustellen.

Verlässliche und rechtssichere Plattformen

Entscheidend für den BLLV ist, dass es für den Distanzunterricht verlässliche, rechtssichere und datenschutz­konforme Plattformen gibt. „Ob das mebis ist oder die Bayerncloud oder etwas ganz anderes, ist für uns zweitrangig“, so Fleischmann. Wichtig sei ein breites Angebot an unterschiedlichen Tools, Lern- und Kommunikationsangeboten. Und dass sich Lehrer wie Schüler darauf verlassen könnten, dass sie die bereits etablierten Modelle weiter nutzen können. „Es haben sich ja alle Kompetenzen angeeignet und trainiert, deshalb ist es sinnvoll, die Plattformen, die die Schulen aufgesetzt haben, weiterlaufen zu lassen.“

Insgesamt gelte es aber vor allem, Ruhe zu bewahren und Erwartungen runterzuschrauben. Es sei völlig klar, dass Distanzunterricht nicht das Gleiche sei wie Liveunterricht und diesen nicht ersetzen könne. Das Schuljahr werde auch kein normales mehr werden. Deshalb erwartet Simone Fleischmann vom Kultusministerium klare Ansagen dazu, wie es mit Leistungsmessungen und Noten sowie Prüfungs- und Übertrittsregelungen aussieht: „Wir brauchen jetzt einen rechtlich eindeutigen Korridor, wie welche Leistungen gemessen werden sollen. Dazu muss der Kultusminister jetzt Aussagen treffen!“
 

Medienberichte


Simone Fleischmann im Wortlaut:

Zu Problemen bei mebis:

  • „Der Anspruch des Freistaats ist, im bundesweiten Vergleich der Klassenprimus zu sein. Und jetzt erlebt man so eine Bauchlandung. Dabei wurde das Tool immer hoch angepriesen.“
     
  • „Die Bitte, es mögen sich doch bitte nicht alle Schulen zeitgleich einloggen, ist eine lächerliche Lösung. Wir brauchen endlich eine verlässliche, rechtssichere und datenschutzkonforme Plattform.“

Zur Streichung der Faschingsferien:

  • „Die Belastung für die Lehrer ist groß. Denn Distanzunterricht bedeutet eben nicht – so wie das vielen Lehrern oft vorgeworfen wird –, dass man die Füße hochlegen kann. Wenn klar wäre, dass es Mitte Februar Präsenzunterricht gibt, dann wäre diese Lösung durchaus sinnvoll. Wenn aber viele Schüler in dieser Woche ebenfalls im Distanzunterricht sind – und davon muss man ja schließlich ausgehen – dann kann ich dem Beschluss, die Ferien zu streichen, wenig abgewinnen.“
     


"Wir brauchen unbedingt flexible Regelungen!"

Simone Fleischmann im Gespräch mit Antenne Bayern

Zu den Ankündigungen von Kultusminister Piazolo zum Umgang mit Leistungsmessung wie Reduzierung von Schulaufgaben, reduzierte Probenanzahl beim Übertritt und Lehrplananpassungen sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gegenüber dem Radiosender:

  • "Sitzenbleiben kann in diesem Schuljahr so nicht funktionieren: Es gibt Schulen, die viel normalen Unterricht anbieten konnten, es gibt aber Schulen, in denen gar nichts normal gelaufen ist. Daher gibt es keine fairen Bedingungen. Wie soll man denn beurteilen, ob eine Schülerin oder ein Schüler sitzenbleiben soll aufgrund der Noten, wenn keine breiten Leistungserhebung stattgefunden hat? Normalität ist nicht mehr, es muss Individualität her und das geht mit dem normalen Sitzenbleiben, wie wir es bis dato kennen, nicht. Wir brauchen unbedingt flexible Regelungen. Die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort sollen gemeinsam mit den Eltern im Dialog entscheiden können."
     
  • "Jetzt müssen wir auch nachdenken, wie das mit dem Übertritt ab der 4. Klasse geht. Soll das wieder aufgrund der drei Noten funktionieren in Mathematik, Deutsch und HsU? Wenn du 2,33 hast, gehst du aufs Gymnasium, bei 2,66 auf die Realschule, sonst gehst du zur Mittelschule? Wie wollen wir das jetzt hinkriegen? Der Minister hat gesagt, es soll so sein wie immer. Aber es kann nicht sein wie immer. Wir müssen jetzt sagen: Die Lehrerinnen und Lehrer in der Grundschule sind die Profis. Das war immer schon unsere Ansage, nur lief das noch nie so, weil es immer die Noten sein mussten, weil Noten ja ach so objektiv sind und ja so super messen, ob ein Kind die nächsten Jahre an der Realschule oder am Gymnasium besteht. Nein! Das war noch nie so und das ist in Coronazeiten erst recht nicht so! Deshalb muss man jetzt bekennen: Ja, ich vertraue auf das Urteil der Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben ein sehr gutes Bild von den Kindern. Wir können jetzt gemeinsam mit den Eltern auf Grundlage dessen, was wir haben, die Entscheidung treffen, wo das Kind im September zur Schule gehen soll. Dafür müssen wir alle zusammenrutschen, uns gegenseitig anerkennen und respektieren und dann bin ich sicher, das geht! Es geht jedenfalls besser als ein übliches Verfahren, weil momentan eben nichts Übliches möglich ist."
     
  • "Wie kommen Schülerinnen und Schüler in die nächste Jahrgangsstufe? Dazu müssen wir uns erstmal fragen: Werden wir bis Juli überhaupt in irgendetwas kommen, was ein bisschen mehr Normalität ist? Wie viel Präsenzunterricht wird’s denn noch geben? Und wie gut können wir denn dann bis Mai, Juni sagen: Es wäre besser, du wiederholst das Schuljahr? Diese Fragen muss man jetzt stellen, weil das Schuljahr mit den Leistungserhebungen bis Juni geht. Da müssen jetzt die kultusministeriellen Ansagen her, ob es die Möglichkeit gibt, dieses Jahr zu wiederholen, ohne dass man es angerechnet bekommt."
     


Simone Fleischmann im Wortlaut:

  • "Wir sind froh, dass der Kultusminister die Zahl der Proben reduziert hat."

  • "Wir brauchen vom Kultusministerium einen rechtsverbindlichen Korridor mit einer Minimal- und Maximalanzahl von Proben."

  • "Es gibt dieses Jahr keine Gleichheit. Ist dieses Jahr wirklich das richtige, um uns über Leistungen und Leistungsnachweise zu unterhalten?", fragt Fleischmann. "Oder sollten wir nicht viel eher überlegen, ob es Kinder gibt, die wir im Distanzunterricht gar nicht erreichen und wie wir diesen Kindern helfen können?"




Schule in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie zeigt den hohen gesellschaftlichen Wert von Schule. Damit sie trotz akutem Lehrermangel funktionieren kann, fordert der BLLV in einer politischen Erklärung, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in maximalen Gesundheitsschutz für Lehrkräfte umzusetzen, insbesondere im wichtigen Präsenzunterricht. Entscheidungen und deren Kommunikation müssen regional, klar, verlässlich, frühzeitig und transparent sein und schulische Eigenverantwortung stärken. Fairness muss vor Leistungsdruck gehen, digitale Ausstattung schnell verbessert werden. Jetzt ist nicht die Zeit für einfache Lösungen und Polemik. Aber jetzt ist die Zeit für langfristig tragende Konzepte für Arbeitsbedingungen, Multiprofessionalität und Attraktivität, um so Bildungsqualität auch über Corona hinaus zu sichern. Dazu braucht es einen konstruktiven Diskurs aller an Schule Beteiligten, für den der BLLV bereit steht. » Die politische Erklärung im Wortlaut