
Drei Geschichten von Mut, Magie und ungewöhnlichen Beziehungen
Das Forum Lesen stellt drei Bücher vor, in denen es um große Veränderungen und neue Aufgaben geht – über das Verhältnis zu einer neuen Stiefmutter, den Erhalt magischer Pflanzen und die berührende Geschichte eines Mädchens, das lernt, was es heißt, zu leben.
Pelles Papa

Von Jutta Nymphius
- Mit Illustrationen von Volker Fredrich
- Verlag: Tulipan
- ISBN: 978-3-86429-671-0
- Preis: 13,00 Euro
- Seiten: 69
- Altersempfehlung: ab 7 Jahren
Pelle und sein alleinerziehender Papa sind ein tolles, sehr gut eingespieltes Team. Sie machen viel gemeinsam. Doch eines Tages tritt Ada in ihrer beider Leben und sorgt für allerlei Überraschungen.
Einfühlsam und kindgerecht erzählen die Autorin und der Illustrator gemeinsam die Geschichte von Pelles schlimmen Befürchtungen und Erwartungen angesichts der „Neuen“ seines Vaters, die sich nicht erfüllen.
Inhalt
Pelle und sein alleinerziehender Papa sind ein tolles, sehr gut eingespieltes Team. Sie machen viel gemeinsam. Doch eines Tages verändert sich Pelles Papa, er braucht morgens furchtbar lang im Bad, träumt vor sich hin und ist auffällig guter Laune. Als Pelle irritiert seinem besten Freund Carlo davon berichtet, ist dessen „Diagnose“ schnell klar: Bestimmt ist Pelles Papa verliebt.
Wenig später kündigt Papa den Besuch von Ada an. Pelle beschließt, sich gut vorzubereiten. Er richtet in der Wohnung ein großes Chaos an, um Ada abzuschrecken. Doch es kommt ganz anders, als erwartet. Ada stört sich überhaupt nicht daran, sondern macht es sich einfach mitten in der Unordnung gemütlich. Und auch in der Folgezeit reagiert Ada immer wieder ganz anders, als es Pelle erwartet.
Bald geht sie bei Pelle und seinem Papa ein und aus und übernimmt – zunächst sehr zu Pelles Unwillen – auch die Aufgabe, Pelle zu betreuen, während sein Vater auf Dienstreise ist. Überraschenderweise klappt das ziemlich gut und Pelle stellt fest, dass er Ada richtig gerne mag.
Bewertung
„Pelles Papa“ ist der neueste Titel in der im Tulipan Verlag entwickelten Reihe „Was guckst du?!“. Diese ermöglicht Leseförderung mit einem interessanten Konzept. In sehr kindgemäßer Weise werden komplexere und so inhaltlich durchaus anspruchsvolle Geschichten erzählt. Um noch ungeübten Leser:innen das Verständnis der Geschichte zu erleichtern und für „Atempausen“ beim Erlesen der Geschichte zu sorgen, wechseln sich immer eine Doppelseite mit Text und eine mit Bildern ab. Auf den Bildseiten werden comicartig die Handlungsschritte in Einzelszenen dargestellt. Kleine Bild- bzw. Textelemente ziehen sich jeweils auf die neue Doppelseite hinüber und stellen so den Zusammenhang her. Sehr liebevoll gemacht!
Inhaltlich greift „Pelles Papa“ ein Thema auf, das Grundschulkinder immer wieder begegnet oder sie auch selbst betrifft: Ein neuer Partner bzw. eine neue Partnerin „stört“ die eingespielte Zweisamkeit zwischen Kind und alleinerziehendem Elternteil. Dass der/die Neue erst einmal abgelehnt wird, ist nicht verwunderlich. Sehr anschaulich ist im Text erzählt und in den Bildern dargestellt, wie Pelles Gefühlslage aussieht. Und amüsant wird geschildert, wie alle seine Versuche, „die Neue“ seines Vaters abzuschrecken, ins Leere laufen, weil sie mit ihrer Art und ihren ganz besonderen Interessen – sie ist Chemikerin und hat zwar keine Lust auf Kartenspielen, aber auf Geocaching – so gar nicht den Vorstellungen entspricht, die Pelle und auch sein Freund Carlo haben.
Ein wunderbarer Titel und eine Buchreihe, die bei den „Lese-Neulingen“ sicherlich ankommt und einen sehr interessanten Ansatz für die Leseförderung bietet. Mehr davon!
Flora Magica

Von Vanessa Walder
- Mit Illustrationen von Marie Beschorner
- Verlag: Loewe
- ISBN: 978-3-7432-1750-8
- Preis: 14,95 Euro
- Seiten: 231
- Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Nehmen die Urenkel von Flora Cunabula deren Erbe an und kümmern sich weiter um die magischen Pflanzen, um sie vor der Ausrottung zu bewahren?
Dieses Kinderbuch ist eine perfekte Mischung aus einer Fantasy-Geschichte mit Sachinformationen über diverse Pflanzen und deren Wirkung.
Inhalt
Flora Cunabula ist im hohen Alter von 107 Jahren verstorben. Sie hatte in einem riesigen Haus, umgeben von Ländereien und vielen Pflanzen gelebt. Zu ihrer Beerdigung kommen ihre Urenkel, die Zwillinge Tierra und Sol und Avia und Zacharias mit ihrem alleinerziehenden Vater bzw. ihrer alleinerziehenden Mutter. Flora hat sich Zeit ihres Lebens um die Erhaltung und Vermehrung von Pflanzen gekümmert. Bald stellen die Kinder mit Hilfe eines uralten Buches fest, dass es hier magische Pflanzen gibt. Es ist der Wunsch und das Vermächtnis von Flora, dass sich die Familie weiter um die Pflanzen kümmert. Die vier Kinder, von denen jedes eine besondere Gabe hat, beschließen, zu bleiben und sich weiter um das Vermächtnis zu kümmern und die Pflanzen vor ihrer Ausrottung zu schützen.
Bewertung
Dies ist der Auftakt einer ungewöhnlichen Reihe. Am Ende des Buches wird dem Leser erklärt, dass sich innerhalb der letzten 100 Jahre viel in der Landwirtschaft, im Anbau von Pflanzen und deren Erhalt geändert hat. Leider mit problematischen Folgen für Pflanzen, Tiere und letztendlich auch den Menschen.
Die Geschichte enthält fantastische Elemente, magische, sprechende Pflanzen, Kinder, mit besonderen Gaben, die Abenteuer erleben und sich auf ein neues Leben einlassen. All dies wird spannend und kindgemäß erzählt. Es bleibt jedoch der ernste Hintergrund, nämlich die Aufklärung über das, was Menschen mit ihren Eingriffen in die Natur alles anrichten und zerstören.
Neben der erzählten Handlung gibt es auch immer wieder Erklärungen zu bestimmten Pflanzen, wofür sie gut sind oder was man mit ihnen machen kann. Diese Seiten sind farblich dunkel gehalten und oft mit besonderen Pflanzenzeichnungen versehen. Überhaupt sind die feinen Schwarz-Weiß-Illustrationen ein besonderer Blickfang und eine Augenweide, ebenso wie das Spiel mit dem manchmal schwarzen Hintergrund und der weißen Schrift. Ein ungewöhnlicher erster Band einer neuen Fantasy-Reihe mit einem nachdenklich stimmenden Thema.
Gras unter meinen Füßen

Von Kimberly Brubaker Bradley
- Verlag: dtv
- ISBN: 978-3-423-64114-2
- Preis: 16,50 Euro
- Seiten: 326
- Altersempfehlung: ab 11 Jahren
Ada flüchtet zusammen mit ihrem Bruder vor ihrer herzlosen Mutter, die sie ihr Leben lang eingesperrt und gequält hat. Auf dem Land lernt Ada, was es heißt, zu leben.
Dieses Kinderbuch erzählt die berührende Geschichte eines jungen Mädchens, welchem es gelingt, die Schrecken der Vergangenheit hinter sich zu lassen – und das während des zweiten Weltkrieges, als das Leben immer härter wird.
Inhalt
Die neunjährige Ada ist mit einem Klumpfuß auf die Welt gekommen. Ihre Mutter, die sie als geistig behindert ausgibt, erlaubt dem Mädchen nicht, die Wohnung zu verlassen, sie misshandelt und schikaniert das Kind. Als Adas jüngerer Bruder Jamie 1939 aufs Land geschickt wird, flüchtet Ada mit ihm aus der Wohnung. Die beiden Kinder kommen bei Susan Smith unter, obwohl diese keine Kinder aufnehmen will.
Nach und nach gewöhnen sich die Frau, welche an Depressionen leidet, und die Geschwister aneinander. Ada erlebt bewusst ihre Freiheiten, nach draußen zu gehen, sie bringt sich das Reiten bei und entwickelt sich weiter, geistig und körperlich. Ihr Bruder Jamie besucht eine Schule und gerät an eine furchtbare Lehrerin. Letztendlich lernen beide Lesen und Schreiben.
Als ihre Mutter auftaucht und sie wieder mit sich nimmt, gelingt es Ada, sie davon zu überzeugen, dass sie ihre Kinder nicht will, und die beiden kehren zu Susan zurück, die sich gleichzeitig auch auf den Weg gemacht hat, die Kinder wieder zu sich zu nehmen.
Bewertung
Vor den Schrecken des zweiten Weltkrieges spielt die Handlung um ein junges Mädchen, welches von seiner Mutter vernachlässigt und misshandelt wird. Erst durch ihre Flucht lernt Ada die Welt draußen kennen. Die Erfahrungen ihrer ersten Lebensjahre haben das Mädchen geprägt und es gelingt ihr nur schwer, Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen. Nur langsam gewinnt Ada Selbstvertrauen, Mut und Stärke. Der Zusammenhalt der Geschwister, ihr eiserner Überlebenswille werden eindrücklich und beeindruckend geschildert.
Sprachlich liest sich das Buch flüssig und trotz des schwierigen Stoffes ist es kindgerecht verfasst. Für alle Kinder und Erwachsene, die sich nicht scheuen, auch „schwerere Kost“ zu lesen, ein Mut machendes, zu Herzen gehendes Buch mit Tiefgang. So ganz nebenbei erfahren die Leser:innen auch einige historische Tatsachen über den zweiten Weltkrieg und seine Gräuel.