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Delegationsreise der European Jewish Association nach Auschwitz und Krakau Startseite Topmeldung
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Erinnern – verstehen – Haltung zeigen

Antje Radetzky, Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft im BLLV, berichtet von ihrer bewegenden Reise nach Krakau und Auschwitz. Dort sammelt sie eindrucksvolle Erfahrungen und wertvolle Impulse, wie Schulen Erinnerungskultur leben und Demokratie stärken.

Als Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft im BLLV und Schulleiterin hatte ich die besondere Möglichkeit, an einer internationalen Delegation der European Jewish Association (EJA) teilzunehmen. Gemeinsam mit Schulleitungen aus ganz Europa reiste ich Anfang Dezember 2025 nach Krakau und Auschwitz. Ziel war es, sich vor Ort mit der Geschichte des Holocaust, der heutigen Erinnerungskultur und dem Umgang mit Antisemitismus im schulischen Kontext auseinanderzusetzen.

Der zweitägige Aufenthalt war in vielerlei Hinsicht bewegend – in der Konfrontation mit der Vergangenheit ebenso wie im Austausch mit Schulleitungen aus ganz Europa sowie Mitarbeiter:innen der EJA über aktuelle Herausforderungen.

Impulse für die Schule

In unterschiedlichen Vorträgen wurde deutlich, wie wichtig es ist, sich an Schulen mit Antisemitismus, Ausgrenzung und demokratiefeindlichen Tendenzen auseinanderzusetzen. 

Die Action and Protection League (APL) stellte innovative Bildungsprojekte vor, etwa ein Theaterstück, das auf sehr persönliche Weise jüdische Familiengeschichten erzählt und Jugendliche aktiv einbindet.
Ein weiteres Beispiel war der „March of the Living“ – ein internationales Bildungs- und Gedenkprojekt, bei dem junge Menschen jedes Jahr (nächstes Mal am 14. April) symbolisch die Wege gehen, die Jüdinnen und Juden während der Shoah zurücklegen mussten. Auch viele Schulen in Europa und weltweit beteiligen sich daran.

Besonders eindrücklich war der Gedanke, dass Antisemitismus nicht allein durch Faktenwissen über den Holocaust bekämpft werden kann. Vielmehr braucht es emotionale Zugänge, Begegnungen, Empathie – und das bewusste Sichtbarmachen von jüdischem Leben in Geschichte und Gegenwart.

„The void“ – Was fehlt

Einen besonderen Impuls setzte der schwedische Holocaust-Forscher Prof. Dr. Christer Mattsson von der Universität Göteborg. In seinem Vortrag lenkte er den Blick nicht auf das, was noch sichtbar ist – sondern auf das, was fehlt: jüdisches Leben in vielen europäischen Städten. Anhand eines historischen Fotos des jüdischen Viertels in Rom stellte er die schlichte Frage: „Was seht ihr?“ – gefolgt von der entscheidenden: „Und was seht ihr nicht?“ Die Antwort: Das jüdische Leben, das einst selbstverständlich Teil des Stadtbilds war.

Am Abend führte uns Prof. Mattsson durch das jüdische Viertel von Krakau. In kleinen Gruppen suchten wir dort Orte, die wir auf historischen Fotografien in einem Handout bekamen. Es war beeindruckend zu sehen, wie viele Spuren jüdischen Lebens in Krakau bis heute erhalten geblieben sind – und das ganz ohne sichtbare Sicherheitsvorkehrungen. 

Lernen am historischen Ort

Im Mittelpunkt der Reise standen die Besuche in Auschwitz I und Auschwitz II – Birkenau. In geführten Rundgängen wurde uns die menschenverachtende Systematik der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik eindrücklich vor Augen geführt. Die beklemmende Atmosphäre der Orte – verbunden mit dem trüben, kalten Wetter und den unvorstellbaren Ausmaßen des ehemaligen Konzentrationslagers – hat tiefe Spuren hinterlassen.

Ein bewegender Abschluss war die gemeinsame Gedenkzeremonie. Nach dem jüdischen Trauergesang „El Malei Rachamim“ und dem Kaddisch, gesprochen durch den niederländischen Oberrabbiner Binyomin Jacobs, durfte jede Delegation eine Kerze für ihr Land entzünden. Der Moment des gemeinsamen Gedenkens war schlicht und eindrucksvoll – und zeigte, wie Erinnerung über nationale Grenzen hinweg verbindet.

Bildung als Schlüssel zur Veränderung

Das Symposium in Krakau war nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch ein Blick nach vorn. Es machte deutlich, welche Rolle Schulen spielen, wenn es darum geht, junge Menschen zu sensibilisieren, Vielfalt wertzuschätzen und sich gegen Diskriminierung zu positionieren. Oder wie es Nelson Mandela formulierte:

„Education is the most powerful weapon which you can use to change the world.“

Für uns als BLLV bedeutet das: Wir stehen ein für eine Schule, in der Demokratie, Toleranz und Menschenwürde nicht nur vermittelt, sondern gelebt werden. Die Eindrücke dieser Reise ermutigen uns, diesen Weg weiterzugehen – mit Haltung, mit Offenheit und mit dem festen Willen, aus der Geschichte zu lernen.

Diese Reise hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, nicht wegzuschauen, sondern Haltung zu zeigen – gegen Vorurteile und Schubladendenken, für Toleranz, Vielfalt und ein starkes Miteinander. Schule ist der Ort, an dem wir jungen Menschen vermitteln können, dass Vielfalt eine Bereicherung ist – und dass Haltung zählt.

Impressionen