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Wir-Gefühl braucht Haltung und Reflexion statt Hymnenzwang

Der CSU-Parteitag hat eine Hymnenpflicht beschlossen. BLLV-Präsidentin Fleischmann begrüßt Bemühungen um Zusammengehörigkeit, gemeinsame Werte und Identität. Das lässt sich aber nicht von oben verordnen, sondern braucht Demokratie- und Wertebildung mit Tiefgang.

Ein beim CSU-Parteitag am Wochenende mit großer Mehrheit beschlossener Antrag sieht unter anderem an Schulen bei bestimmten Anlässen das Spielen und Singen der Nationalhymne, der Europahymne und der Bayernhymne vor.

Die Idee kommt von der Jungen Union, als Vorbild dient unter anderem der Superbowl in den USA. Als Ziele werden „nationale Identität, Zusammengehörigkeit und Patriotismus“ genannt“, die Nationalhymne repräsentiere „die Nation, ihre Geschichte, ihre Werte und ihren Stolz“. CSU-Fraktionschef Holetschek will das schnell umsetzen und auf „Debatten und Bedenken“ verzichten. Die Koalitionspartner von den Freien Wählern haben ihre Bereitschaft signalisiert. Kultusministerin Stolz gibt indes an, dass viele Schulen das Gewünschte ohnehin schon praktizieren.

Was steckt hinter der Hymne?

BLLV-Präsidentin Fleischmann begrüßt die Zielsetzung: „Wir brauchen dringender denn je ein Wir-Gefühl“, sagt sie im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. „Gemeinschaftsgefühl, Zusammengehörigkeit, Verständigung auf gemeinsame Werte und nationale Identitäten und demokratische Identifikation – das sind alles richtige Ziele.“

Den von der CSU jetzt eingeschlagenen Weg hält Simone Fleischmann aus pädagogischer Sicht allerdings für nur sehr bedingt zielführend: „Um das zu erreichen, braucht es viel mehr als das Singen einer Hymne. Es braucht die Reflexion dahinter: Was ist denn die Europahymne? Was wird da gesungen? Was singt man in der Bayernhymne? Was sind unsere Werte?“

Wie sieht die Realität an den Schulen aus?

Denn aus Sicht des BLLV ist klar: Junge Menschen bilden Werte nicht durch Zwang und Verordnung von oben, sondern aus Überzeugung und gelebter Erfahrung. Deswegen braucht es einen partizipativ geprägten Schulalltag, in dem Schüler:innen Verantwortung für ein konstruktives Miteinander übernehmen und die Werte dahinter reflektieren, wie die BLLV-Präsidentin betont: 

„Es geht darum, zu fragen: ‘Was singe ich da? Welche Ideale stecken dahinter? Einigkeit, Freiheit – erlebe ich das auch so?' Denn was sind das für große Begriffe, wenn du diese als Mensch, der hier in Bayern lebt, als Jugendlicher und als Kind, eben gerade NICHT erlebst – sondern stattdessen Rassismus und Ausgrenzung? Dann müssen wir alle genau darüber reden. Singen kann man den Text natürlich – aber verstehen muss man ihn eben auch. Dann die Haltung dahinter auch wirklich zu leben, das ist nochmal ein Riesenschritt!“

Hymnenzwang ersetzt keine gute Demokratiepädagogik

Aus Simone Fleischmanns Sicht brauchen Schulen also keine strikten Vorgaben mit vorgegebenen, engen Methoden, sondern den Freiraum, übergeordnete Ziele in den Mittelpunkt des Schulalltags zu rücken: „Es muss uns an den Schulen gelingen, eine wirkliche Haltung der Menschenwürde zu leben, auch des Pluralismus. Dazu braucht es aber mehr als eine Verfassungsviertelstunde oder eine Verordnung, dass bei einer Feier gesungen wird. Es braucht Tiefgang in der politischen Bildung!“

» zum Bericht des Bayerischen Rundfunks: „Hymnenpflicht an Schulen: CSU macht Tempo, Lehrer skeptisch“