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Gesundheitsschutz nicht gegen Lehrermangel ausspielen

In Baden-Württemberg sollen schwangere Lehrkräfte wieder unterrichten, die Bayerische Staatsregierung lehnt das derzeit ab. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert, dass bei der Entscheidung gesundheitliche Expertise oberstes Kriterium sein muss.

Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper schlägt vor, schwangere Lehrerinnen wie vor Corona prinzipiell wieder für den Präsenzunterricht zuzulassen. Ihre Begründung, „Wenn Lehrerinnen schwanger werden, fallen sie sehr plötzlich aus“, ist im Schulalltag natürlich keine Neuigkeit, schon vor Corona nicht. Grund für die derzeitige Regelung ist die besondere Gefährdung, der Schwangere bei einer Corona-Infektion ausgesetzt sind. Das bayerische Sozialministerium erklärt daher, eine Rückkehr zum Präsenzunterricht derzeit nicht möglich, denn: „Nach aktueller Datenlage besteht für schwangere Frauen im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.“

Diese Art von Einschätzung muss aus Sicht von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann die wichtigste Grundlage einer Entscheidung über den Einsatz von schwangeren Kolleginnen sein. „Es wäre fatal, wenn der Personalmangel höher wiegt als der Gesundheitsschutz“, sagt sie im Gespräch mit dem Münchner Merkur, der in seiner Wochenendausgabe im Artikel „Kampf gegen den Lehrermangel“ über den Vorstoß der baden-württembergischen Gesundheitsministerin berichtete.

Gesundheit geht im Zweifel vor

Nun ist die bayerische Staatsregierung gefordert, stellt Fleischmann dazu im Gespräch mit dem BR Campusmagazin klar: „Das muss der Freistaat Bayern im Einklang mit der Bundesregierung entscheiden und dabei muss immer die gesundheitliche Expertise im Mittelpunkt stehen“, so die BLLV-Präsidentin. „Das darf nie überlagt sein von dem Gedanken ‘Die Kollegin muss jetzt in die Schule, weil wir Lehrermangel haben.‘“

Das sieht auch Rainer Nachtigall, Vorsitzender des BLLV-Dachverbands Bayerischer Beamtenbund (bbb) so, der die anstehende Entscheidungsfindung im BR Campusmagazin kommentiert: „Mein Kenntnisstand ist, dass das Kultusministerium auf eine Aussage des Ministeriums für Arbeit und Soziales wartet und danach seine Regelungslage überdenkt. So gern, wie die einen arbeiten wollen würden und die anderen die Arbeit auch zwingend brauchen: Im Zweifelsfall geht die Gesundheit vor!“

Zusätzliche Aufgaben ohne saubere Personalplanung

Dass es am persönlichen Willen und Wollen nicht mangelt, weiß Simone Fleischmann aus Erfahrung. Sie berichtet dem Bayerischen Rundfunk von Lehrerinnen, die ihre Schwangerschaft zunächst verheimlichen, um nicht sofort für den Präsenzunterricht auszufallen. Aus Sicht der BLLV-Präsidentin landet so auf engagierten Pädagoginnen der Druck einer Mangelsituation, die ganz klar jahrelangen politischen Versäumnissen geschuldet ist.

Denn schon vor Corona herrschte an bayerischen Schulen akuter Lehrermangel, der sich mit der Pandemie natürlich weiter verschärft hat. Nun wollen Lehrerinnen und Lehrer zudem aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche integrieren. „Uns ist ziemlich angst und bang“, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann dem Münchner Merkur daher auf die Frage nach dem kommenden Schuljahr. „Momentan haben wir den Eindruck, dass wir auf Sicht fahren: Wir wissen nicht, wie viele Flüchtlingskinder kommen, wir wissen nicht, woher wir die Lehrer kriegen sollen, wir wissen nicht, ob wir für das Geld Personal bekommen“, schildert Fleischmann die Planungsmisere.

Schluss mit der Flickschusterei

Angesichts solcher Perspektiven nimmt es kaum Wunder, dass motivierte Pädagoginnen, die erleben, dass nicht nur sie selbst, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen um sie herum, enorm unter Druck stehen, sich verleitet sehen, die Risiken, mit einer Schwangerschaft Präsenzunterricht zu halten, in den Wind zu schlagen. Der BLLV fordert daher, statt erneut mit fragwürdigen, kurzfristigen Mitteln Löcher stopfen zu wollen, das Problem endlich systematisch, langfristig und nachhaltig anzugehen.

Gegenüber dem Münchner Merkur fordert Simone Fleischmann daher attraktivere Arbeitsbedingungen und eine Reform der Lehrerbildung. Hierzu bietet der BLLV unter anderem mit seiner fundierten Analyse zum Thema „A13 für alle“ und dem Modell der flexiblen Lehrerbildung konkrete, umsetzbare Vorschläge. Diese werden von vielen Politikern und Politikerinnen, die für die Situation an den bayerischen Schulen in der Verantwortung stehen, im Dialog auch unterstützt. Doch bislang hapert es leider weiter an der Umsetzung in konkrete Maßnahmen, die an den Schulen dann auch spürbar werden …