Der offene Brief der BLLV-Präsidentin als Antwort an den Autor der Mainpost, Henry Stern, erschien am 3. Oktober 2025 auf mainpost.de und am 6. Oktober 2025 in der Printausgabe der Mainpost (Seite 10).
Sehr geehrter Herr Stern,
vielen Dank dass Sie in Ihrem Samstagsbrief unser gemeinsames Thema wieder aufgreifen, das wir vor knapp zweieinhalb Jahren schon begonnen hatten – wenn auch unter anderen Vorzeichen. Schon damals hatte ich Ihnen, wie Sie ganz richtig sagen, ja sehr klar geantwortet. Und auch jetzt bleibe ich natürlich dabei: Zwangsmaßnahmen zur Einschränkung bei der Teilzeit von Lehrkräften sind der absolut falsche Weg!
Diese Zwangsmaßnahmen bringen nichts, benachteiligen insbesondere Frauen, treffen die Familien und die Pflege. Und: Wir haben Lehrkräftemangel! Wir müssen den Beruf attraktiver machen! Das ist sicher nicht der Weg dazu.
Jetzt gibt es natürlich einen aktuellen Aufhänger für die neu entfachte Diskussion. Sie haben es erwähnt: Der Ministerpräsident hat in einer Pressekonferenz während der CSU-Klausur in Banz seine Ideen zur Teilzeit bei Lehrkräften verkündet. Der Anteil der Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten, sei zu hoch und müsse runter. Hierfür plane man diverse Maßnahmen, die man jetzt für alle Beamten gleichermaßen umsetzen wolle.
Nun gut. Zunächst sind das erstmal Aussagen des Ministerpräsidenten, deren gesetzliche Inkraftsetzung noch überhaupt nicht abzusehen ist. Dennoch musste ich mich wundern und finde, man sollte die Dinge schon offen beim Namen nennen. Denn es geht natürlich nicht um alle Lehrkräfte gleichermaßen, sondern ganz klar vor allem um die Lehrerinnen!
Denn exakt dieses Thema wird seit sehr langer Zeit auch in vielen Gesprächen mit politisch Verantwortlichen immer an uns als BLLV gerichtet: Mein Gott, warum arbeiten denn so viele von den Lehrerinnen in Teilzeit? Das bisschen mehr Unterricht wird ja wohl möglich sein! Also wenigstens 45 Minuten!
Jeder darf und soll seine Fragen stellen, aber dann muss man auch mit klaren Gegenfragen rechnen. Denn: Was steckt denn eigentlich dahinter, wenn Frauen in Deutschland und in Bayern grundsätzlich weit mehr in Teilzeit arbeiten als Männer? Wer nimmt denn in Familien mehr Elternzeit? Wer trägt bei der Verteilung von Care-Arbeit die Hauptlast? Wie steht es um die Anzahl der verfügbaren Plätze in Kinderkrippen und Kitas sowie Ganztagsschulen?
Und insbesondere auf Bayern bezogen stellt sich die Frage: Welches Frauen- und Familienbild wird denn hier von der CSU, aber auch von den Freien Wählern, bei vielen politischen Initiativen in den Mittelpunkt gestellt? Vielleicht oft eines, bei dem die Mama mit dem frisch gekochten Mittagessen daheim auf die Kinder wartet? Und zwar am besten auch dann, wenn die „Kinder“ schon 15 oder 16 sind?
Wenn die politisch Verantwortlichen nicht an die grundsätzlichen Probleme rangehen, sondern lieber stark weiblich geprägte Berufsgruppen an den Pranger stellen, dann stellen wir uns als BLLV vor die Kolleginnen! Teilzeit ist kein Luxus, sondern leider oft die einzige Möglichkeit, als Lehrerin trotz der großen Belastungen in der Schule arbeiten und zu Hause den Großteil der Care-Arbeit stemmen zu können.
Das alles unter einen Hut zu bekommen hängt übrigens nicht alleine von der Stundenzahl ab. Einige würden auch gerne mehr arbeiten, wenn sie ihre Arbeitszeiten besser einplanen könnten. Viele haben bereits freiwillig ihre Stunden erhöht, um den Betrieb an den Schulen am Laufen zu halten und fragen sich jetzt, was aus dieser „Freiwilligkeit“ der Mehrarbeit geworden ist, die die Politik die ganzen letzten Jahre beschworen hatte.
Deshalb fordere ich von der Politik, endlich für bessere Rahmenbedingungen und attraktive Arbeitsbedingungen zu sorgen! Es braucht mehr Personal und echte Entlastung an den Schulen! Es braucht mehr Unterstützung für Familien. Was es nicht braucht, ist die Lehrkräfte und Familien unter Druck zu setzen. Wer Teilzeit beschneidet, löst kein Problem. Er schafft neue. Und das auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen – und unserer Kinder.
Mit freundlichen Grüßen,
Simone Fleischmann
Präsidentin, Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) e. V.