Nachdem Ministerpräsident Dr. Markus Söder schon öfter mit Einschränkungen bei der familienpolitischen Teilzeit von Lehrkräften gedroht hat, gibt es jetzt eine Entscheidung: Die Grenze für das Kindesalter, bis zu dem familienpolitische Teilzeit genommen werden kann, soll auf 14 Jahre reduziert werden. Außerdem sollen die Teilzeitmöglichkeiten grundsätzlich sukzessive weiter eingeschränkt werden. Damit soll die, nach Einschätzung des Ministerpräsidenten, zu hohe Zahl der in Teilzeit Arbeitenden reduziert werden. Und es sollen angesichts eines allgemeinen Fachkräftemangels und eines Lehrkräftemangels an allen Schularten, weitere Stunden und Personal gewonnen werden. So verkündete es der Ministerpräsident heute.
Dazu BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: „Wir beobachten die Aussagen und die Ergebnisse der Klausurtagung sehr genau. Es war fast Schlimmeres zu erwarten, aber dass jetzt wieder die Zwangsmaßnahmen ausgepackt werden sollen, ist nicht nur eine Enttäuschung für die Lehrkräfte. Es wird vor allem nichts bringen. Vor allem wird der Lehrberuf dadurch nur unattraktiver statt attraktiver – Letzteres wäre dringend nötig, um wirklich etwas gegen den Lehrkräftemangel zu tun. Die Lehrerinnen und Lehrer an Grund-, Mittel- und Förderschulen haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung mitten im Lehrkräftemangel bewusst sind. Mit Engagement, Mehrarbeit und Überstunden haben sie ihren Anteil geleistet. Sie alle muss dieser Schritt jetzt enttäuschen. Was wir jetzt brauchen, ist ein klares Bekenntnis zum Beamtentum und ein klares Bekenntnis zu den Lehrkräften.“
Es trifft die, die gar keine Wahl haben
Vor allem gibt es klare Argumente, die gegen Einschränkungen sprechen, und die mit Zahlen und Fakten belegt sind, wie BLLV-Dienstrechtsexperte Hans Rottbauer betont: „Zunächst stellt sich die Frage, wen man mit dieser Aktion trifft. Die Antwort ist klar: Es sind die Mütter. Sie müssen in der heutigen Realität immer noch die meiste Care-Arbeit leisten, oft genug neben der eigenen Berufstätigkeit – ganz entsprechend dem überholten Rollenbild, das genau von dort befürwortet wird, von wo jetzt die neuen Ideen für Zwangsmaßnahmen kommen.
Dies funktioniert bei vielen Frauen aber nur deshalb, weil sie im Beruf in Teilzeit arbeiten. Anders ist die Belastung oft nicht zu stemmen. Dabei ist auch immer zu beachten, dass hier nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch in erheblichem Maße die Bezahlung reduziert wird und Frauen somit auf viel Geld verzichten“, betont Rottbauer.
Statt die Möglichkeiten der familienpolitischen Teilzeit zu kürzen, müssten in Bayern zuerst die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder dem Bedarf entsprechend ausgebaut werden, wie Rottbauer betont. Dies würde deutlich mehr Stunden und Personal für die Schulen und den Dienstherrn bringen als weitere Einschränkungen bei den Lehrkräften. Schließlich seien die meisten in Teilzeit, um die ihnen auferlegten Belastungen stemmen zu können.
Es gibt viel weniger zu gewinnen als behauptet
Außerdem ist zu klären, wie viel zusätzliche Arbeitszeit durch eine solche Einschränkung der familienpolitischen Teilzeit tatsächlich gewonnen werden kann. Denn bei genauerer Betrachtung fällt sofort auf, dass Frauen ihr Teilzeitmaß mit zunehmendem Alter der Kinder ohnehin immer weiter reduzieren: Ab einem gewissen Alter der Kinder arbeiten die Mütter meistens bereits jetzt deutlich mehr.
Hans Rottbauer plädiert dafür, sich auch der Risiken solcher Maßnahmen bewusst zu sein: „Es gibt aus unserer Sicht wenig zu gewinnen, aber einiges zu verlieren: nämlich das Vertrauen der Beschäftigten in den Dienstherrn, wenn dieser eine – zugegebenermaßen bei einigen Teilen der Bevölkerung gut ankommende – Maßnahme gegen einen großen Teil seiner Beschäftigten durchdrückt, die aber in der Realität nur sehr wenig bringt.“
Teilzeitbeschränkungen werden sich negativ auswirken
„Es ist von enormer Wichtigkeit, bei allen Eingriffen in die Teilzeitmöglichkeiten der Beschäftigten auf die bereits gemachten Erfahrungen zu blicken“, mahnt Rottbauer. Er erklärt: „Die unseligen, vom damaligen Kultusminister Michael Piazolo eingeführten, Notmaßnahmen an Grund-, Mittel- und Förderschulen haben überdeutlich gezeigt, was passiert, wenn man an der Teilzeitschraube dreht – egal ob bei der familienpolitischen oder der Antragsteilzeit.
Die Zahlen der begrenzten Dienstfähigkeiten und Dienstunfähigkeiten haben sich verdoppelt und verdreifacht. Warum? Weil sich schlicht und ergreifend die von den Einschränkungen Betroffenen nicht anders zu helfen wissen. Das von ihnen verlangte Stundenmaß ist für sie nicht zu schaffen, Möglichkeiten der Entlastung sind nicht mehr gegeben. Also bleibt nur noch der Schritt in die begrenzte Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit. Diejenigen, die die vorliegenden Zahlen gelesen haben und kennen, haben das längst erkannt und sind von weiteren Einschränkungen, vor allem bei der familienpolitischen Teilzeit, alles andere als begeistert.
Man erreicht damit wenig bis nichts, weil die negativen Auswirkungen die positiven Effekte zunichtemachen. Somit bleibt als Resümee, dass der Plan des Ministerpräsidenten, die familienpolitische Teilzeit einzuschränken, mehr Schaden als Nutzen bringen wird. Schaden vor allem für die Betroffenen, für die Dienstherrn und zuletzt auch für eine Regierungskoalition, die sich der besonderen Familienfreundlichkeit rühmt.“