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KI-Tools: Chance für faire Bildung und Auftrag zur Menschlichkeit

Das BR-Magazin „Gut zu wissen“ fragt, wie KI Schule verändern wird. BLLV-Präsidentin Fleischmann weist auf das Potenzial passgenauer Differenzierung hin und warnt davor, bei allem Hype nicht zu vergessen, dass Bildung von Mensch zu Mensch am besten gelingt.

Das Bayerische Fernsehen analysiert im Magazin „Gut zu wissen“ ausführlich, anschaulich und differenziert die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz im Unterricht: „Wie wird KI die Schule verändern?“ lautet die Fragestellung. Als Expertin benennt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann das große Potenzial in Sachen Differenzierung: „Die größte Chance ist, dass wir kein Kind mehr verlieren würden, wenn wir passgenaue Tools hätten, die KI gestützt sind.“

Wie genau solche Tools aussehen können, zeigt ein Besuch am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn bei München. Dort laufen Tests mit Lernsoftware beispielsweise im Englischunterricht, begleitet vom KI-Beauftragten der Schule, Peter Sander.

Deep Fakes, Augmented Reality, Eye-Movement-Tracking

KI ist aber auch auf Metaebene ein Thema, beispielsweise im Wirtschaftsunterricht, in dem Schülerinnen und Schüler KI selbst anwenden und die Ergebnisse kritisch hinterfragen sollen. Auch Deep-Fakes von Bildern wie beispielsweise der Papst in einer Damenwinterjacke sind Thema. „Es ist wichtig, dass man so etwas aufgreift, in den Unterricht integriert und hier kritische Fragen stellt“, betont der KI-Beauftragte Peter Sander. „Was bedeutet das? Was macht das mit mir? Was macht das für die Gesellschaft? Was macht das mit der Demokratie?“

Um selbst auch die Chancen von KI im Unterricht zu reflektieren, erhalten Schülerinnen und Schüler zudem am Lehrstuhl für Didaktik der Physik der LMU München einen Einblick in den Stand der Forschung: Augmented-Reality-Brillen blenden zur Bewegung der Schüler Informationen über das Bild der realen Umgebung, anhand derer die eigene Bewegungsgeschwindigkeit an eine Normkurve angepasst werden soll, um so Dynamik spürbar und erlebbar zu machen. Eine Kamera nimmt die Augenbewegungen der Jugendlichen beim Erfassen digitaler Informationen auf und blendet an offensichtlich schwierigen Stellen zusätzliche Erklärungen ein oder erkennt, welche Inhalte im nächsten Schritt noch vertieft werden müssen. So ist hochgradig individualisiertes Lernen möglich, wie auch bei der Lösung von Physikaufgaben, bei der die KI je nach Qualität der Antworten die Schwierigkeit der nächsten Aufgaben individuell anpasst.

Datenschutz ist Grundvoraussetzung

Das Fazit der Schülerinnen und Schüler: Die neuen Anwendungen sind ungewohnt, sehr motivierend, teils auch etwas beängstigend, weil die Leistungsfähigkeit des einzelnen für die Lehrkraft maximal transparent wird. Prof. Dr. Jochen Kuhn vom Lehrstuhl für Didaktik der Physik, LMU München, betont, dass deswegen im realen Einsatz an Schulen immer die Zustimmung von Schülerinnen und Schülern, der Eltern und natürlich der Schule selbst vorliegen müssen. Zudem habe Datenschutz und -sicherheit hohe Priorität, die LMU stelle dies durch Speicherung der Daten ausschließlich auf eigenen Servern sicher.

Auch Kuhn sieht im Einsatz von KI im Unterricht große Chancen für die Bildungsgerechtigkeit: „Die Heterogenität von unseren Schülerinnen und Schülern nimmt ja zu. Wenn Sie 30 Schülerinnen und Schüler vor sich haben, die viele unterschiedliche Fähigkeiten haben – viel mehr, als das früher mal war – brauchen Sie Hilfe, um auf einzelne Schülerinnen und Schüler besser eingehen zu können.“


Differenzierung in beide Richtungen

Dabei geht es aber nicht nur um die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler, wie in der öffentlichen Diskussion um einen zunehmend heterogene Schülerschaft oft beklagt wird, stellt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann klar: „Es gibt Lernprogramme, die individualisiert Schwächen auffangen. Aber wir haben auch Talente, die schon wesentlich weiter sind als alle anderen, beispielsweise in Physik. Die würde eigentlich etwas ganz anderes interessieren. Auch da kann die KI dann Angebote machen, damit die dann schon wesentlich weiter galoppieren. Die sind dann schon vielleicht schon im Stoff der neunten Klasse angelangt und finden schon ein Anwendungstool, mit dem sie gleich noch einen Podcast produzieren können.“

Dass KI kein Allheilmittel ist, zeigt sich aber auch in den Ergebnissen eines Englischtests am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium. Schülerinnen und Schüler haben sich in den Wochen davor in zwei Gruppen unterteilt – entweder klassisch mit Lehrbuch oder mit der Hilfe eines KI-gestützten Lernprogramms – darauf vorbereitet. Die Ergebnisse des Tests sind sehr ähnlich, aber mit einem leichten Vorteil für die Gruppe, die vorwiegend mit dem Lehrbuch gearbeitet hat. Trotzdem sieht Lehrerin Beate Giehrl Potenzial beim KI-Lernprogramm, weil es eine enorme Entlastung für die Lehrkraft bedeute.

Die Grenzen eines Assistenzsystems

Das ist auch das erste Fazit von Schulleiter Stefan Bäumel: „KI ist eine ungemeine Erleichterung und das macht den Lehrberuf dann auch deutlich attraktiver. Ich sehe es als Assistenten, der einem zur Seite steht, der eben unendlich geduldig ist, der unheimlich schnell ist, präzise und eigentlich dem Menschen in vielerlei Dingen überlegen.“

Das gilt aber aus Sicht des KI-Beauftragten der Schule, Peter Sander, nur für bestimmte Aspekte der Bildung: „KI wird die Rolle der Lehrkraft verändern. Aber wir haben einen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Das heißt, neben dem, was wir im Unterricht an Kompetenzen vermitteln – wo uns KI sicher eine große Hilfestellung sein kann und wird –, haben wir auch den Auftrag, Werte zu vermitteln, Haltungen zu zeigen. Und das wird vermehrt in den Mittelpunkt rücken, auch im Zusammenhang mit KI!“

Es geht um Menschen

Es gibt also einerseits gute Argumente, die Chancen Künstlicher Intelligenz an Schulen zu nutzen, findet auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: „Wir wollen hier vorn dabei sein, uns das in Fortbildungen gut aneignen, damit KI im Klassenzimmer ankommt und Kinder Spaß damit haben und sie gut nutzen können.“ Dafür müsse sich aber dringend auch die technische Infrastruktur an vielen Schulen noch deutlich verbessern, stellt sie klar.

Andererseits muss aus Sicht des BLLV dabei aber sichergestellt werden, dass das, was Pädagogik und Erziehungswissenschaft immer wieder als Schlüssel für gelingende Bildung identifizieren, weiter Priorität hat: Die wertschätzende, positiv verstärkende Begegnung von Mensch zu Mensch. Daher warnt Simone Fleischmann: „Die größte Gefahr sehe ich darin, dass wir vor lauter Hype nicht mehr erkennen, dass es an sich um Menschen und Kinder geht!“

» Zur Sendung „Wie wird KI die Schule verändern?“ (Magazin Gut zu wissen)