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Wie billig ist das denn?

Es brauche mehr Lehrerstunden, so die Staatsregierung. Klingt vernünftig. Bei der CSU-Klausurtagung Ende September in Kloster Banz präsentierte Ministerpräsident Söder seine entsprechenden Ideen zur Teilzeitquote bei den Beamtinnen und Beamten. Und nannte exemplarisch die Schule. Dort werde zu viel in Teilzeit gearbeitet. Die BLLV-Präsidentin erklärt, weshalb diese Denke nicht nur frauenfeindlich ist, sondern der ganzen Gesellschaft schadet.

Jedes Jahr aufs Neue wieder ereilen uns von der CSU-Klausur in Kloster Banz Breaking News vom Ministerpräsidenten. So auch dieses Jahr. Diesmal aber stehen unter anderem die Beamten und deren Teilzeitarbeit im Fokus. Wobei uns schon klar ist, um wen es da eigentlich geht. Von den Lehrkräften, die in Teilzeit arbeiten, sind nun mal die allermeisten weiblich: Der Ministerpräsident hat also eigentlich uns im Auge, die Frauen. Und da muss ich fragen: Wie billig ist das denn, bitte?

Immer wieder höre ich bei Gesprächen mit Politikern, die es besser wissen sollten, Sätze wie: „Mein Gott, warum arbeiten auch so viele von den Lehrerinnen in Teilzeit? – Könnten die nicht einfach ein bisschen mehr arbeiten? – So eine Schulstunde dauert doch eh nur 45 Minuten.“ Mal abgesehen vom Aufwand, den es kostet, eine ordentliche Schulstunde zu halten, mal abgesehen davon, wie schwierig die Bedingungen für ordentlichen Unterricht geworden sind: Mir geht es in diesem Fall nicht nur um Schule, mir geht es um die ganze Gesellschaft. Da frage ich schon: Warum arbeiten denn in Deutschland überhaupt so viel mehr Frauen Teilzeit als Männer?

Wer nimmt denn in Familien mehr Elternzeit? Wer trägt die Hauptlast bei der Care-Arbeit? Da sind eben nicht nur die eigenen Kinder zu versorgen, da ist auch die Oma am anderen Ende der Stadt oder des Landkreises, die Unterstützung braucht. In dieser ach so reichen Gesellschaft herrscht schon lange nicht nur Lehrermangel, sondern auch ein Pflegenotstand. Den fangen mehrheitlich Frauen auf, unentgeltlich. Und jetzt sollen sie gefälligst aufstocken? Wie bitte soll das gehen, wenn ein freier Platz im nächstgelegenen Kindergarten, in der Krippe oder ein Ganztagsschulplatz für die eigenen Kinder fast schon einem Lottogewinn gleichkommt? Aber klar doch: Im Weltbild mancher Herren der Regierungsparteien sollen weiterhin die Männer Karriere machen, Frauen dürfen Heim und Herd hüten und stets ein feines Mittagessen für alle bereithalten.

Und da wird es zynisch. Für Haushalt und Familie dürfen Frauen sorgen. Wenn sie dann – oft aus der Not heraus – ihre Arbeitszeit reduzieren, um all das stemmen zu können, dann heißt es: Jetzt arbeitet doch mal ein bisschen mehr! Ihr wisst doch: Fachkräftemangel. Und ihr seid doch echt gut in eurem Beruf und liebt ihn. Stimmt. Aber inzwischen ist dieser Traum von Beruf für viele zum Albtraum geworden, weil die Arbeitsbedingungen schlicht krank machen: Über 80 Prozent der bayerischen Lehrkräfte gehen vorzeitig in Pension.

Teilzeit hilft da faktisch nur bedingt. Es ist ja ein offenes Geheimnis: Wer als Teilzeitkraft eingestellt wird, arbeitet in gewissen Fällen trotzdem fast Vollzeit. Wie oft kriegen Kolleginnen mit vermindertem Deputat zu hören: „Ach, Frau Sowieso, Sie haben doch morgen frei. Könnten Sie nicht doch ausnahmsweise in der 3c vertreten? Den Elternabend übernehmen? Den Schulausflug begleiten? Sie wissen ja, wie dünn wir im Moment besetzt sind.“ Diese Frauen haben aber eben alles andere als frei. Was tun die also, wenn sie nicht vor die Hunde gehen wollen? Beantragen ein noch geringeres Maß an Teilzeit. Gehen in Frühpension. Oder in die Klinik. Die jungen Frauen kriegen das natürlich mit. Und verzichten von vornherein dankend, auch wenn sie noch gar keine Kinder haben oder keine wollen. Was wiederum den Druck auf die vorhandenen Lehrkräfte erhöht.

Aus diesem Teufelskreis könnten wir schon rauskommen. Aber bitte nicht auf Kosten der Frauen. Was bisher durchaus funktioniert, von den politisch Verantwortlichen aber gerne unterschlagen wird, ist Freiwilligkeit. Warum hat es denn trotz des enormen Lehrkräftemangels insbesondere an den Grund-, Mittel- und Förderschulen in den letzten Jahren keine größeren Verwerfungen gegeben? Weil gerade die Kolleginnen in Teilzeit aufgestockt und alles dafür getan haben, die Situation an ihrer Schule aufzufangen. Und zwar eben ohne die Ansage von ganz oben und die Androhung von Zwangsmaßnahmen, sondern in persönlicher Absprache mit der Schulleitung vor Ort.

Auf diese Weise können Kolleginnen, die in ihrer Familie hauptsächlich die Betreuung der Kinder übernehmen, statt mehrerer halber Tage beispielsweise zwei ganze Tage arbeiten. Unterbringung und Versorgung der Kinder lassen sich so oftmals viel besser mit der Arbeit vereinbaren. Eines ist für mich jedenfalls klar: Wer die Attraktivität des Lehrkräfteberufs immer wieder proklamiert, dann aber mit Drohgebärden kommt, hat gar nichts verstanden. Was wir brauchen, ist ein Dienstherr, der uns den Rücken stärkt. Und eine Familienpolitik in Bayern betreibt, die sich nicht gegen Frauen richtet, sondern für sie einsteht.

>> zur bayerischen schule #6: Gymnasium