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„Es ist kaum noch zu schaffen“

Pandemie-Folgen, hoher Förderbedarf, Integration, Inklusion – und das bei akutem Lehrkräftemangel. BLLV- Vizepräsident Tomi Neckov mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme im Gespräch mit der Mainpost.

Die Anforderungen steigen stetig, die Zahl der einsatzfähigen Lehrkräfte sinkt. Welche Folgen das hat, schildert Tomi Neckov, 2. Vizepräsident des BLLV, im Gespräch mit der Mainpost mit deutlichen Worten: „Der Mangel macht viele Lehrkräfte kaputt. Wir haben einen hohen Krankenstand. Wir haben nachweislich seit dem Pandemie-Beginn 2020 mehr als doppelt so viele Lehrkräfte, die nur begrenzt dienstfähig sind. Und außerdem doppelt so viele Menschen, die wegen Dienstunfähigkeit ausscheiden.“

Eine Integration der ukrainischen Flüchtlingskinder mit der eigentlich nötigen individuellen Begleitung und differenziertem Lernangebot sei schon lange nicht mehr möglich, auch weil die Heterogenität der Lerngruppen ohnehin schon enorm ist. Besonders hart tritt das Kinder mit spezifischem Förderbedarf: , „Wir können die Inklusion aktuell nicht mehr stemmen“, so Neckovs klares Fazit. „Immer mehr Kinder haben sonderpädagogischen Förderbedarf, weil sie verhaltensauffällig sind, oft aufgrund von Kriegs- oder Fluchterfahrungen. Aber viele Förderzentren (früher: Förderschulen) sind komplett überlaufen und können diese Kinder nicht aufnehmen.“

Lernrückstände, Notmaßahmen, Überlastung

Zudem zeigen die Ergebnisse der IQB-Studie auch, dass sich die Corona-Zeit massiv auf Schülerinnen und Schüler ausgewirkt hat – auch hier bräuchte es Förderung, die wiederum Personal bräuchte, das eben nicht da ist. Daher ziehen sich die Lernrückstände aus der Pandemie weiter durch, analysiert Neckov: „Wenn die Kinder später auf weiterführende Schulen wechseln, nehmen sie Lücken mit, wie es sie früher nicht in dem Maß gab. Das heißt, dass die Lehrpläne nicht mehr zur aktuellen Schulsituation passen. Viele Lehrkräfte sind gezwungen, Teile des Stoffs wegzulassen, weil es nicht anders geht.“

Gleichzeitig sind aber immer noch die „Notmaßnahmen“ des Kultusministeriums gegen den Lehrermangel aktiv, obwohl diese nachweislich für mehr Personalmangel sorgen statt diesem entgegenzuwirken, wie der BLLV kürzlich klargestellt hat. Tomi Neckov berichtet, er höre daher häufig den Satz "Das halte ich nicht mein Leben lang durch". Junge Lehrkräfte stiegen während oder nach dem Referendariat aus und suchten sich Stellen mit geringerer Belastung. Dabei müsste genau das Gegenteil passieren: „Wir brauchen neue, gute Leute – und dafür müsste der Lehrerberuf attraktiver werden.“

Nachwuchs dringend gesucht

Der Quereinstieg greife dabei nur bedingt: „die kultusministeriellen Maßnahmen, um Leute von außerhalb in die Schule zu locken, funktionieren nur teilweise: Die Quereinsteiger geben sich viel Mühe; es gibt einige, die das auch gut machen, aber viele halten es nicht durch. Im Schnelldurchlauf Lehrer werden geht eben nicht.“

Für Tomi Neckov ist daher klar: „Wir brauchen dringend mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte!“

» zum Artikel „"Das halte ich nicht mein Leben lang durch": BLLV-Vize Neckov weiß, was Lehrerinnen und Lehrer ans Limit bringt“ (kostenpflichtig)