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„Schlagzeilen statt Lösungen“

In einem ausführlichen Interview mit der Bayerischen Staatszeitung warnt BLLV-Präsidentin Fleischmann vor einer Bildungspolitik, die in drängenden Fragen wie Lehrkräftemangel, Sanierungsstau und Integration auf öffentliche Wirkung statt echte Lösungen zielt.

Immer häufiger zeigen Studien Probleme an Schulen auf, zuletzt bescheinigte der IQB-Bildungstrend Neuntklässlern einen Leistungseinbruch in Mathematik und Naturwissenschaften. Der öffentliche Aufschrei ist dann stets laut. Doch Maßnahmen, die für mehr Bildungsqualität an Schulen sorgen würden, werden daraus viel zu selten abgeleitet, wie BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im ausführlichen Gespräch mit der Bayerischen Staatszeitung (BSZ) kritisiert:

„Dass Schule allein es nicht richten kann, wird auch in der IQB-Studie klar benannt. Endlich wird ausgesprochen, worauf die Praxis seit Jahren hinweist. Schulen brauchen Unterstützung: strukturell, personell und auch gesellschaftlich. Doch ein solches Engagement fehlt in der bayerischen Bildungspolitik noch zu oft. Überall wurde der Handlungsbedarf erkannt, doch in Bayern ruht man sich auf den (noch) relativ guten Ergebnissen aus. Statt die Probleme anzugehen, wird beschönigt und bewahrt. Schlagzeilen statt Lösungen. Ein absolutes Armutszeugnis.“

Teilzeit einschränken belastet Schulen weiter

Aktuelles Beispiel ist die kontraproduktive Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten für Lehrkräfte, die der BLLV entsprechend deutlich kritisiert: „Lehrkräfte haben in den vergangenen Jahren alles gegeben, um den Lehrkräftemangel abzufedern“, stellt Simone Fleischmann dazu klar. „Sie haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Wenn nun Teilzeitmöglichkeiten eingeschränkt werden, wird das weder den Lehrkräftemangel lösen, noch den Beruf langfristig attraktiver machen. Hinzu kommt, dass in erster Linie Lehrerinnen betroffen sein werden, die heutzutage immer noch den Großteil der Sorgearbeit übernehmen.“

Viele Lehrkräfte tappen dabei zudem in eine Überlastungsfalle, weil ihnen ihr Beruf besonders wichtig ist – mit fatalen Folgen für die Schulen, warnt die BLLV-Präsidentin: „Die große Mehrheit der Lehrkräfte üben den Beruf mit Überzeugung aus und genau das führt dazu, dass sie für die Schülerinnen und Schüler über ihre Grenzen hinausgehen. Zudem sehen wir, dass sowohl die Aufgaben, wie die Digitalisierung und KI, als auch die Herausforderungen an Schulen über den vergangenen Jahren gestiegen sind. All das bräuchte zusätzliche personelle Ressourcen, die momentan nicht zur Verfügung stehen. Das führt dazu, dass immer mehr Lehrkräfte in die Dienstunfähigkeit entlassen werden oder früher in den Ruhestand gehen, weil die Belastung einfach zu groß ist. Viele treten also nicht kürzer, weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil das die einzige Möglichkeit ist, um gesund zu bleiben.“

Bildungspolitik muss für mehr Lehrkräfte sorgen

Weil Bildung aber eben am besten von Mensch zu Mensch gelingt, muss es für die Gesellschaft ein Alarmsignal sein, wenn diese Menschen fehlen. Das Stellenmoratorium, das die Staatsregierung ab dem Schuljahr 2026/2027 angeordnet hat, ist dafür komplett kontraproduktiv, kritisiert BLLV-Präsidentin Fleischmann: „In Zeiten des Lehrkräftemangels, in denen Lehrkräfte tagtäglich alles gegeben, ist das ein fatales Signal an die Kolleginnen und Kollegen. Ohne weitere Entlastung und ohne eine echte Perspektive wird das System kollabieren. Der Lehrkräftemangel wird uns auch in den kommenden zehn Jahren begleiten. Die kühle Darstellung der Zahlen ist das eine, aber entscheidend ist, was sie für die Schulen bedeuten. Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen beste Bildung, und die gelingt nur mit bestens ausgebildeten und motivierten Lehrkräften. Darauf muss die Bildungspolitik ihren Fokus legen.“

Zudem es den Schulen nicht nur an Menschen fehlt, sondern auch an der baulichen Substanz, wie Simone Fleischmann schildert: Wir haben in Bayern marode Gebäude, zu kleine Räume, sanierungsbedürftige Toiletten. Unsere Schulen brauchen – baulich wie digital – endlich die Ausstattung, die gutes Lernen möglich macht!“

Populismus hilft niemandem

Digitalität bedeutet für Schulen ohnehin einen zentralen und wichtigen Auftrag, betont die BLLV-Präsidentin. Verbote von oben, wie von der Staatsregierung in der Debatte um Smartphones erlassen, sieht sie dafür als wenig hilfreich an: „Kinder und Jugendliche werden in einer digitalen Welt groß und müssen sich darin sicher, reflektiert und verantwortungsvoll bewegen können. Wir müssen Kindern und Jugendlichen einen kritischen Umgang beibringen. Denn Medienkompetenz, der kreative und kritische Umgang mit sozialen Netzwerken, ist zugleich auch eine wichtige Demokratiebildung. Ein Handy-Verbot halte ich in dieser Sache nicht für erfolgversprechend.“

Mit Blick auf die derzeit überhitzte Debatte um Migration mahnt Simone Fleischmann in Fragen der schulischen Integration Lösungsorientierung und einen klare Trennung von Ursachen und Wirkungen an: „Die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler nimmt seit Jahren zu und somit auch die unterschiedlichen Förderbedarfe. Ein Problem wird dies erst, wenn Leute fehlen, um diese Förderung zu gewährleisten und um die Bildungsqualität hochzuhalten. Damit sind nicht nur Lehrkräfte gemeint, sondern zum Beispiel auch Schulpsychologinnen und -psychologen, Beratungs- sowie Förderlehrkräfte oder auch Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen. Kinder für strukturelles Versagen verantwortlich zu machen empfinde ich nicht als zielführend. Ganz im Gegenteil!“