Fleischmann: Meine Frage wäre jetzt noch, ob der katholische und der evangelische Religionsunterricht, der Ethikunterricht und der Islamunterricht Silos nebeneinander bleiben sollen oder ob man Veränderungen strukturell herbeiführt? Und das, was Sie jetzt sagen, finde ich wunderbar, zu sagen: Meine Berufung. Sozusagen mein Unterrichtsfach. Und das will ich unterrichten.
Doksar: Das muss man auch irgendwo akzeptieren. Ja, weil am Ende die Schlüsselrolle auch die Lehrerprofessionalität darstellt und die Lehrkraft muss das mittragen. Also wir können sagen, das oberste Bildungsziel ist Demokratiebildung. Ja, das stimmt, das wissen alle Lehrkräfte. Aber nichtsdestotrotz muss die Lehrkraft, die im Unterricht steht, den eigenen Unterricht vertreten können. Selbstverständlich im Rahmen der Lehrerprofessionalität. Trotzdem muss man die Sorgen von Lehrkräften ernst nehmen. Also wenn eine Lehrkraft hergehen soll und Demokratiebildung in ihrem eigenen Unterrichtsfach, was nicht Politik ist, implementieren soll, dann brauche ich aber auch Zeit dafür, um zu schauen: Will oder möchte die Lehrkraft das? Weil gewillt sind sie ja alle. Nur manchmal sind Sorgen da, ich fühle mich unsicher usw. und dem muss man Raum geben und daher geht auch die Forschung in die Richtung, die Lehrkräfte dafür zu sensibilisieren und ihnen auch ein bisschen die Scheu und die Angst zunehmen. Gleichzeitig aber zu sagen: Euer Fach wird nicht dadurch entfremdet.
Fleischmann: Das passt auf so vieles, weil wir ja auch über die Schulstruktur nachdenken. Da haben auch viele Angst, dass man ihnen etwas nimmt. Und das wäre vielleicht bei einem katholischen Religionslehrer auch.
Doksar: Ja, und religiöse Bildung darf man nicht unterschätzen, ist präsent bei den Jungen. Bei Schülerinnen und Schülern ist religiöse Bildung nach wie vor präsent. Auch die gesamten Hintergründe, die Herkunft, Wurzeln etc. Die religiöse Bildung und der Bedarf der Schüler an religiöser Bildung sind da. Wenn die in der Schule nicht Raum findet, findet sie aber in sozialen Medien Raum.
Fleischmann: Und oder womöglich dann ungut, weil sie nicht im Dialog ist. […] Und dann geht es darum, wie lernen wir das den Kleinen. Es geht auch um Religion und die Fragen: Woher kommst du, wer bist du?
Doksar: Selbstverständlich. Es geht um eigene Selbstbestimmung, um die Reflexion der eigenen Religiosität und im Endeffekt der eigenen Identität. Das alles trägt dazu bei, dass wir mündige Bürgerinnen und Bürger in einem gesellschaftlich demokratischen Raum werden. Und wenn wir über Demokratie stärken reden, ist es ein interdisziplinärer Ansatz. Das heißt, es kommen verschiedene Bereiche zusammen, und da ist es wichtig, dass man diese Personen, Akteure, sei es aus der Wissenschaft oder aus der Bildung, die Lehrkräfte mit einbezieht, und all die Facetten, die sie mitbringen, sei es ihr Fachwissen, seien es ihre Erfahrungen, im Endeffekt auch wirklich Berücksichtigung finden. […] Und wenn man mit Lehrkräften in den Austausch kommt – so wie ich beispielsweise in meiner Forschung – wenn man darüber redet, merkt man, es sind Chancen und Ressourcen da, von denen gegenseitig profitiert wird. Und an der Schule selber. Wenn wir jetzt Lehrkräfte haben vom Religionsunterricht, die agieren ja in der Regel parallel: Also die katholische Religionslehrkraft, Ethiklehrkraft und wenn man zum Beispiel islamischen Unterricht hat. Jede Schule macht es natürlich ein bisschen anders, aber in der Regel ist es so und die Lehrkräfte profitieren vom gegenseitigen Teamteaching, vom gegenseitigen Vernetzen. Wir kommen dann auch weg von dem Lehrer als Einzelkämpfer in einen kollegialen Austausch, der wiederum in dem Kontext gefördert wird.
Fleischmann: Absolut. Und das ist dann die Chance und da könnte man auch mal diskutieren: Was braucht es strukturell und was braucht es an Begegnung? Und das, was Sie jetzt sagen, ist Begegnung.