Kultusministerium stellt Integrationsplan vor Startseite
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Geflüchtete brauchen Konzepte – und Menschen, die sie in der Praxis umsetzen

Brückenklassen und Sprachförderung: Kultusminister Piazolo stellt Konzepte zur Beschulung aus der Ukraine geflüchteter Kinder und Jugendlicher vor. BLLV-Präsidentin Fleischmann begrüßt Zeitpunkt und pädagogischen Ansatz, stellt aber klar, dass Personal fehlt.

Mit Spannung haben Lehrerinnen und Lehrer die heutigen Aussagen aus dem Kultusministerium erwartet, das ein Konzept angekündigt hatte, wie an bayerischen Schulen im kommenden Schuljahr mit aus der Ukraine geflüchteten Kindern und Jugendlichen umgegangen werden soll. Der BLLV hatte im Vorfeld mehrfach einen längerfristigen Plan gefordert. Denn so sinnvoll der kurzfristige, pragmatische Umgang mit Geflüchteten, beispielsweise in Willkommensgruppen, war: Er muss in nachhaltig tragfähige Lösungen überführt werden.

Heute hat Kultusminister Piazolo ein Konzept vorgestellt, nach dem Grundschulkinder am Regelunterricht teilnehmen, ergänzt durch Sprachförderangebote nach dem Vorbild von DeutschPLUS. An weiterführenden Schulen soll durch sogenannte Brückenklassen auf die Teilnahme am Regelunterricht hingearbeitet werden. Im Mittelpunkt steht vor allem die Sprachförderung.

Pädagogisch gutes Konzept …

„Wir sind sehr froh über den frühen Zeitpunkt jetzt im Juni und eben nicht erst in der letzten Schul- oder gar Ferienwoche – und das Konzept ist pädagogisch auch gut“, kommentiert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann die Ankündigungen aus dem Kultusministerium gegenüber Medienvertretern. „Wir stehen für einen konstruktiven Dialog über die Bausteine dieses Konzepts bereit. Aber wir müssen auch über die Personen sprechen, die diese Konzepte umsetzen sollen.“

Dabei gibt es aus Sicht des BLLV zwei Probleme: Zwar schafft das Kultusministerium mit 1620 neuen Stellen ziemlich genau die Menge, die es nach heutigem Stand für die zu beschulenden Flüchtlingskinder an zusätzlichen Lehrkräften braucht. Doch rechnen Experten bis September mit etwa 10.000 weiteren Geflüchteten an bayerischen Schulen: „Zum Schuljahresstart würde das nochmal 800 Vollzeitlehrerkapazitäten bedeuten“, analysiert Simone Fleischmann im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.

… aber wer soll’s machen?

Vor allem aber müssten diese Stellen eben auch besetzt werden – mitten im akuten Lehrermangel: „Im Konzept sind 1620 Stellen drin, wunderbar“, sagt die BLLV-Präsidentin der Rundschau des Bayerischen Fernsehens und stellt klar: „Stellen, das ist Geld. Das macht aber keinen Unterricht. Wir brauchen Köpfe dazu!“

Und da ist Fleischmann aus der Erfahrung des akuten Lehrermangels an bayerischen Schulen skeptisch: „Wir werden diese Menschen für das neue Schuljahr nicht bekommen“, warnt die BLLV-Präsidentin im Gespräch mit SAT1 Bayern. „Das Bild des Brückenbauens ist wunderbar, Brücken bauen wir aber vor Ort“, so Fleischmann weiter. „Diese Kinder haben teils schwere Traumata, sie brauchen Verlässlichkeit und eine Beziehung zu einem Menschen, der vom Kopf bis zum kleinen Zeh für sie da ist.“

Druck auf vorhandene Lehrkräfte ist messbar hoch

Das gelte auch für Kinder und Jugendliche, die unter den Folgen der Corona-Pandemie zu leiden haben. Für sie alle gibt es Konzepte der individuellen Begleitung und Förderung, es fehlen aber die Menschen, um diese mit Leben zu füllen.

Bisher hingen Integration der Geflüchteten und Aufarbeitung der Corona-Folgen nämlich vor allem vom Improvisationstalent und dem enormen persönlichen Einsatz der vorhandenen Lehrkräfte vor Ort ab. Das ist aber bei den bisherigen Rahmenbedingungen langfristig nicht durchzuhalten. „Wir Lehrerinnen und Lehrer fragen uns, wie wir das im Dschungel dieser Krisen ab September stehen sollen – denn so gut die Theorie klingt, in der Praxis vor Ort spüren wir, dass wir weit über unsere Grenzen gehen müssen“, so BLLV-Präsidentin Fleischmann im Gespräch mit dem Münchner Merkur.

Professionelle Planung bezieht Fachkräfteversorgung mit ein

„Das ist kein Jammern, sondern unsere professionelle pädagogische Einschätzung – gerade weil wir diesen Kindern und Jugendlichen eben so gerne helfen wollen“, betont Fleischmann gegenüber SAT1. Die Staatsregierung müsse endlich die Weichen stellen, damit es für gute pädagogische Ansätze langfristig genug qualifizierte Fachkräfte gibt, die diese in der Praxis auch umsetzen können.

Um den Beruf für junge Menschen schulartübergreifend attraktiver zu machen hat der BLLV Lösungsvorschläge vorgelegt wie das Modell der flexiblen Lehrerbildung oder ein Konzept zur fairen Eingangsbesoldung aller Lehrämter mit A13. Weitere Informationen zur aktuellen Lage an bayerischen Schulen und möglichen nachhaltigen Lösungsansätzen wird der BLLV demnächst auf einer Pressekonferenz bereitstellen.

Hintergrund: Aussagen und Informationen des Bayerischen Kultusministeriums




Medienberichte

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Mit Herz und Haltung nehmen Lehrkräfte geflüchtete Kinder aus der Ukraine an. Diese Kinder brauchen nicht nur Konzepte, sondern auch Menschen! Wie ehrlich sind Versprechen der Politik? » bllv.de/muster-brechen