Die Politik wird nicht müde, dass differenzierte bayerische Schulsystem zu loben und dass da natürlich für jeden das Richtige dabei ist.
Doch die Mär davon, dass jede Schülerin und jeder Schüler das bekommt, was am besten zu ihr oder ihm passt, sieht in der Realität so aus: Die meisten Eltern wollen ihre Kinder an Gymnasium oder Realschule sehen und auf der Mittelschule landen nur die, die den dafür nötigen Notenschnitt von 2,33 bzw. 2,66 in Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht schlicht nicht erreichen.
Wir sind übrig geblieben…
Diese Kinder gehen fast alle notgedrungen, und nicht etwa aus freien Stücken, auf die Mittelschule – die infolgedessen als das verschrien ist, was sie mit diesem Übertrittsmechanismus faktisch auch ist: eine Resteschule. „Da will niemand freiwillig hin. Da muss man hin“, sagt auch Helmut Klemm, Schulleiter der preisgekrönten Eichendorffschule Erlangen.
Allzu oft bedeutet das also einen überaus demotivierenden Einschnitt in die Bildungsbiografien junger Menschen, die von langjährigen Freunden getrennt werden und sich fortan mit einem Stigma behaftet fühlen, eben „nicht gereicht“ zu haben. So berichtet es auch der Landesschülersprecher für Mittelschulen, Dalton Sly Del Salto Blanco, der Süddeutschen Zeitung, die ausführlich die Situation an Bayerns Mittelschulen analysiert.
Wissen, worauf man sich einlässt
Für Lehrkräfte heißt es daher von Beginn der Mittelschule an, gegen diese Frustration und Demotivation anzuarbeiten – neben vielen anderen Herausforderungen, die sich an Mittelschulen zusätzlich stellen. Es ist pädagogisch und insgesamt gesehen daher die anspruchsvollste Schulart – in diesen Tagen eigentlich ZU anspruchsvoll, wie BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im Gespräch mit der SZ klar macht: „Ich rate jedem Kind, Lehrer zu werden, weil es der erfüllendste Beruf ist. Aber die aktuelle Situation ist so herausfordernd, dass ich das nur jemandem empfehlen kann, der weiß, was auf einen zukommt.“
Denn an den Mittelschulen sind Lehrkräfte weit über das Fachliche und Didaktische hinaus gefordert, schildert Fleischmann: „Man ist Mama, Papa, Psychologe, Sozialarbeiter, Kriseninterventionsteam.“ Das, was die Kinder und Jugendlichen an Mittelschulen eigentlich bräuchten, ist also von einer einzelnen Lehrkraft nicht zu leisten: Es bräuchte flächendeckend multiprofessionelle Teams aus Experten, die über didaktische Kompetenzen hinaus das auffangen können, was an Mittelschulen an gesellschaftlichen Herausforderungen zu Tage tritt. „Die Rahmenbedingungen sind gefährlich für ausgebrannte Lehrer und alle, die ahnungslos sind“, warnt Simone Fleischmann.
Lippenbekenntnisse lösen keine Probleme…
Wer also möchte, dass der Lehrkräftemangel gerade an den Mittelschulen in Zukunft nicht komplett eskaliert, der sollte zuallererst den Kolleginnen und Kollegen, die trotz dieser Rahmenbedingungen täglich mit hohem Einsatz dafür kämpfen, den Kindern und Jugendlichen möglichst viel von dem zu geben, was diese an Mittelschulen brauchen, den Rücken stärken – gerade weil die Mittelschulen abseits politischer Sonntagsreden gesellschaftlich wenig Rückhalt haben und faktisch in der Bildungspolitik nicht die Beachtung finden, die sie dringend bräuchten:
„Wenn man die Vielgliedrigkeit retten will, muss jede Schule kriegen, was sie braucht!“, fordert BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann daher in der Süddeutschen Zeitung. Die Mittelschulen brauchen „die meisten und die besten Lehrer, gestützt von bester Forschung“.
Es braucht Taten!
Auch die Süddeutsche Zeitung sieht hier Kultusministerin Stolz in der Pflicht, die zu Beginn des Schuljahres substanzielle Änderungen angekündigt hatte, mit besonderem Blick auf die psychische Gesundheit von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften, auf Lehrpläne und Prüfungskultur.
Der BLLV hatte der Ministerin zu Schuljahresbeginn Hausaufgaben bezüglich Lehrkräftemangel, Förderung und Differenzierung gestellt – zudem braucht es angesichts immer neuer, mitunter wenig durchdachter Ideen, aus Politik und Gesellschaft, was Schule bitte zusätzlich leisten solle, eine sinnvolle Fokussierung: „Wir müssen die Kernaufgaben mit der Kernmannschaft qualitativ gut umsetzen“, forderte Präsidentin Simone Fleischmann. Das ist an den Mittelschulen eine enorme Herausforderung, für deren Gelingen die Politik deutlich mehr tun muss!
» zum Beitrag in der Süddeutschen Zeitung: „Da will niemand freiwillig hin: Über die Zukunft der Mittelschule in Bayern" (kostenpflichtig)
Viel zu tun
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Mittelschulen brauchen die besten Lehrkräfte – und die beste Unterstützung!
Die Süddeutsche Zeitung analysiert die Situation an bayerischen Mittelschulen. BLLV-Präsidentin Fleischmann stellt dazu klar, dass die derzeitige Lage besonders wegen des Personalmangels abschreckend auf mögliche Bewerber wirken kann – und daher dringend etwas geschehen muss!